Zwischen Euphorie und Realität: Wie lange hält das Börsenhoch noch an?
Die Aktienmärkte zeigen sich von der unbesorgten Seite und erreichen laufend neue Höchststände. Getrieben werden sie von der Erwartung grosser Investitionen in KI und in sonstige Technologie. Die Bewertungen der entsprechenden Aktien sind stolz. Aus Sicht vieler Anleger und Analysten sind die Bewertungen gerechtfertigt, da die Gewinne der Firmen in den nächsten Jahren weiter steigen werden.
Der Gegenpol zu den sorglosen Aktien bietet das Gold, der sichere Hafen schlechthin. Nicht nur Zentralbanken, sondern auch andere Investoren bauen ihre Positionen im Gold aus, wie der Volumenanstieg in den Gold-ETF zeigt. Der Goldpreis steigt dadurch auf neuen Höhen. Wer recht hat, wird sich zeigen. Das Zünglein an der Waage spielt dabei die US-Wirtschaft. Hält das Wachstum an, sind die Aktienkurse gut unterstützt. Fällt sie in eine Rezession, braucht man Gold. Daher ist die Beobachtung der Wirtschaftsentwicklung in den USA für die Beurteilen der Finanzmärkte zentral.
Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler KantonalbankMan benötigt den nötigen Respekt vor der hohen Bewertung vieler Aktien und ein feines Sensorium für die Entwicklungen in der US-Wirtschaft.
Die Einschätzung der US-Wirtschaftslage wird durch den Government Shutdown beeinträchtigt. Viele Konjunkturdaten werden nicht mehr veröffentlicht, solange die Verwaltung geschlossen ist. Da auch das Erheben der Daten eingestellt ist, wird nach dem Ende des Shutdowns die Qualität der dann veröffentlichten Daten ebenfalls zu hinterfragen sein. Die Ökonomen und Analysten weichen auf die Daten privater Anbieter aus oder erheben alternative Datensätze wie die Umsätze mit Kreditkarten, die Reservationen in Restaurants bis hin zu der Zahl der Besucher bei der Freiheitsstatue. Da die Historie fehlt, dürfte die Aussagekraft dieser Daten für die Prognose der Konjunktur allerdings beschränkt sein.
Stagnierendes Stellenwachstum
Die Pessimisten verweisen auf das stagnierende Stellenwachstum. Dass die Unternehmen mit der Anstellung zusätzlicher Leute vorsichtig geworden sind, ist unbestritten. Dass die Unternehmen sich mit dem Ausbau ihrer Tätigkeit zurückhalten, ist angesichts der Unsicherheit, welche Rahmenbedingungen morgen gelten, nachvollziehbar. Die Arbeitslosigkeit steigt jedoch nur wenig und liegt für US-Verhältnisse immer noch auf einem tiefen Niveau. Zudem steigt sie vor allem bei jungen Personen, während für die Altersgruppe in den mittleren Jahren, die für den Konsum am wichtigsten ist, das Arbeitsumfeld immer noch sehr gut ist. Schwer einzuschätzen ist, welchen Einfluss die von der Regierung betriebene Jagd auf Immigranten ohne Papiere auf den Arbeitsmarkt hat.
Konsum entscheidet
Der Anteil des privaten Konsums am BIP beträgt in den USA fast 70% ist damit deutlich höher als in der Schweiz oder in Deutschland. Die letzten Konsumdaten sind gut ausgefallen. Welchen Einfluss vorgezogene Käufe haben, um zollbedingt erwarteten Preissteigerungen zuvorzukommen, ist aus den Daten nicht ersichtlich. Der Konsum ist nach wie vor ein positiver Treiber des Wachstums. Die Haushalte profitieren von steigenden Einkommen und geben das Geld aus. Solange dies der Fall ist, ist der Fall in eine Rezession unwahrscheinlich.
Respekt, aber keine Angst, ist gefragt
Das Gefühl, dass an den Aktienmärkten etwas falsch ist, beschleicht einem schon seit längerem. Trotzdem hat es sich gelohnt, dabei zu sein. Daran hat sich nichts geändert. Die Gefahr eines unmittelbaren Crashs beurteile ich als gering. Zu gut ist die US-Wirtschaft unterwegs und zu stark ist das Momentum. Einfach blind der Herde zu folgen, ist aber nicht angebracht. Man benötigt den nötigen Respekt vor der hohen Bewertung vieler Aktien und ein feines Sensorium für die Entwicklungen in der US-Wirtschaft.