Ist die politisch verordnete «Schuldenbremse» in Deutschland wirklich eine kluge Idee?

In Deutschland sind die öffentlichen Investitionen – also die staatlichen Ausgaben für langlebige Güter wie Strassen, Schulen und Kindergärten, aber auch für Datennetze, die Reaktion auf den Klimawandel, den sozialen Wohnungsbau, die Gesundheitsversorgung und die Infrastruktur – deutlich geringer als in anderen entwickelten Ländern. Dies wird allmählich als ernsthaftes Problem erkannt, und der Ruf nach Veränderungen wird immer lauter.

Öffentliche Investitionen sind sowohl für sich genommen als auch als Motor für private Investitionen sehr wichtig, wie das deutsche Bundesfinanzministerium im Jahr 2021 betonte. Dass sie in Deutschland vernachlässigt werden, liegt an der sogenannten Schuldenbremse und der «Schwarzen Null». Die Schuldenbremse besagt, dass die Haushalte von Bund und Ländern stets ausgeglichen sein müssen, ohne dass es zu einer Kreditaufnahme kommt. Dies ist in Artikel 109 des Grundgesetzes verankert. Mit der «Schwarzen Null» wird ein ausgeglichener Haushalt bezeichnet, bei dem die öffentlichen Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen, so dass keine neue Kreditaufnahme notwendig ist.

Öffentliche Investitionen in Deutschland hinken deutlich hinterher:

Über beide Begriffe wird derzeit viel diskutiert, weil durch fehlende öffentliche Investitionen dringend notwendige Massnahmen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland unterbleiben. Selbst aus den Reihen der Regierungskoalition werden Rufe nach Veränderungen laut. Die SPD und die Grünen wollen die Schuldenbremse angesichts der vielen drängenden Probleme, die die Regierung angehen muss, grundlegend überdenken. Die FDP hingegen lehnt eine Abschaffung der Schuldenbremse grundsätzlich ab. Umfragen zeigen, dass eine knappe Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, nämlich 54 Prozent, dies genauso sehen und die Schuldenbremse beibehalten wollen. Umfragen zeigen aber auch, dass sich vier von zehn Deutschen eine Lockerung wünschen. Die OECD sieht das jedenfalls auch so. Sie schlägt vor, dass die deutsche Regierung Massnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums ergreifen sollte, einschliesslich einer Reform der Schuldenbremse, um Raum für Nettoinvestitionen zu schaffen.

Die Ausgestaltung der Schuldenbremse erweist sich als Wachstumsbremse.

Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa, DWS

Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei der DWS, hat Verständnis für die Kritik an der Schuldenbremse. Seiner Ansicht nach mag eine Schuldenbremse angesichts der alternden Bevölkerung in Deutschland und der Notwendigkeit, künftige Generationen nicht mit einem Schuldenberg zu belasten, zwar sinnvoll erscheinen, aber «die Ausgestaltung der Schuldenbremse erweist sich als Wachstumsbremse». Der Staat müsse sicherstellen, dass auch künftige Generationen einen ausreichenden Kapitalstock zur Verfügung haben, und deshalb müsse die Investitionsbremse gelockert werden.