CO2-Zertifikate entwickeln sich zu einer neuen Anlageklasse
CO2-Zertifikate entwickeln sich zu einer faszinierenden neuen Anlageklasse und beginnen, deutliche Korrelationen zu Aktienmärkten aufzuweisen.
Sollte es Unternehmen freistehen, gratis so viel Umweltverschmutzung zu verursachen, wie sie wollen? Wirtschaftswissenschaftler würden dies mit einem klaren Nein beantworten. Unternehmen sollten bei ihren Entscheidungen mit einem CO2-Preis konfrontiert werden, der die sozialen Kosten ihres Verhaltens vollständig berücksichtigt. Zumindest in Europa bedeutete dies, dass ehrgeizige politische Massnahmen zur Erreichung der Emissionsreduktionsziele ergriffen wurden. Solche Vorschläge zur Bewältigung des Klimawandels sind unter amerikanischen Politikern nach wie vor umstritten. Dennoch bietet Europa ein faszinierendes Beispiel dafür, wie CO2-Steuern und CO2-Märkte durch den Einsatz von Marktmechanismen dazu beitragen können, die Ressourcen in der Gesellschaft so umzuverteilen, dass die Umweltverschmutzung verringert wird.
Murray Birt, ESG-Stratege, DWSEs gibt inzwischen weltweit 73 CO2-Steuer- und CO2-Marktmassnahmen, die einen CO2-Preis schaffen, der die Unternehmen dazu anregt, ihre Emissionen zu senken.
Es gibt inzwischen weltweit 73 CO2-Steuer- und CO2-Marktmassnahmen, die einen CO2-Preis schaffen, der die Unternehmen dazu anregt, ihre Emissionen zu senken. Diese Massnahmen decken etwa 23% der weltweiten Emissionen ab, was einen erheblichen Anstieg gegenüber der Situation vor zehn Jahren bedeutet, als nur 7% der Emissionen mit einem Preis für CO2 belegt waren. Bei den meisten dieser Massnahmen ist der CO2-Preis jedoch viel zu niedrig, um die Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Die Ausweitung des Geltungsbereichs und der Stärke der CO2-Preispolitikist ist ein Ziel, das von vielen Unternehmen und Investoren unterstützt wird.
Zunehmende Korrelation zwischen europäischen CO2-Zertifikaten und europäischen Aktien:
Der grösste und erfolgreichste Markt für CO2-Emissionen befindet sich in Europa, wo regulatorisch vorschreiben ist, dass grosse Unternehmen für jede Tonne Emissionen eine «EU-Allowance» oder eine Genehmigung besitzen müssen. Da die Europäische Union (EU) Emissionen senken will, werden jedes Jahr weniger Zertifikate vergeben. Unternehmen müssen daher Zertifikate von anderen Unternehmen kaufen, wenn sie ihr Geschäft ausweiten wollen, ohne hohe Strafen zahlen zu müssen. Die politischen Entscheidungsträger haben die Marktregeln des Emissionshandelssystems (ETS) schrittweise verschärft. Deshalb ist der Preis für EU-Zertifikate bis März 2023 bereits auf 100 EUR gestiegen.
Das Wachstum des ETS-Marktes hat die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich gezogen und so CO2 zu einer neuen Anlageklasse gemacht. Der obenstehende Chart zeigt, dass die Korrelationen zwischen EU-Emissionszertifikaten und europäischen Aktien (gemessen am MSCI European Union Index) im Laufe der Zeit enger geworden ist. Das ETS verlangt von europäischen Stromversorgern, Energieunternehmen und grossen Industrieunternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren. Mit der Reform und Verschärfung der ETS-Vorschriften der Phase 4 im Jahr 2020 ist die Korrelation des CO2-Preises mit Indizes, die europäische Unternehmen sowie Industrie- und Energieversorgungsunternehmen abdecken, gestiegen. Ein weiteres Merkmal der Grafik: «Die Korrelationen sind manchmal positiv, manchmal negativ, was das Potenzial von Emissionszertifikaten als Diversifizierer im Portfolio verdeutlicht», erklärt Murray Birt, ESG-Stratege bei der DWS. «Anleger müssen dem EU Zertifikate-Markt als Anlagemöglichkeit, Risikofaktor und als Mittel zur Beschleunigung der Emissionsreduzierung mehr Aufmerksamkeit schenken.»
Murray BirtDas Wachstum des ETS-Marktes hat die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich gezogen und so CO2 zu einer neuen Anlageklasse gemacht.
Auch der offizielle EU-Bericht zur Funktionsweise des europäischen Zertifikate-Markts kommt zu dem Schluss, dass das ETS wie beabsichtigt funktioniert. Das ETS hat dazu beigetragen, die Emissionen der Stromerzeuger und der Industrie gegenüber dem Stand von 2005 um 37% zu senken. Der Markt hat den Regierungen geholfen, 125 Milliarden Euro durch die Versteigerung von Zertifikaten an Versorgungsunternehmen einzunehmen. Diese haben diese Einnahmen genutzt, um den Übergang zu einer CO2-armen Energieversorgung zu beschleunigen und die Verbraucher zu schützen.
Ein demnächst erscheinender Bericht der DWS wird frühere Forschungsergebnisse aktualisieren, die andere Aspekte des EU Zertifikate-Markts untersucht haben. So lässt sich beispielsweise feststellen, dass die Volatilität des CO2-Preises mit zunehmender Marktreife weiter zurückgegangen ist. Natürlich ist bei der Interpretation von Daten aus der Vergangenheit grosse Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Rückschlüsse auf die Zukunft zu ziehen, insbesondere dann, wenn die Kausalmechanismen etwas unklar sind. Dennoch bieten die Erfahrungen Europas mit Emissionszertifikaten faszinierende Einblicke, nicht nur für die politischen Entscheidungsträger in den USA, sondern auch für US-Investoren.