Ausblick auf 2023: Hoffnung am Horizont
In Zeiten grosser Unsicherheit konzentrieren sich Anleger mehr auf das Risikomanagement als auf die Positionierung für die Zukunft. Es wird allerdings zunehmend möglich, die Inflation sowohl in den Vereinigten Staaten als auch – in geringerem Masse – in Europa mit einer gewissen Genauigkeit vorherzusagen.
Im Fall von Europa ist die Dauer eines russischen Quasi-Erdgas-Embargos schwer vorherzusagen. Dasselbe gilt für das Wetter und die Stärke der Nachfrage angesichts eines Inflationsschocks. Positiv zu vermerken ist, dass staatliche Ausgaben, insbesondere in Deutschland, vielen Haushalten mit niedrigem Einkommen helfen. In den USA sollte die Verbrauchernachfrage wohlhabenderer Haushalte robust bleiben, bevor sie sich verspätet abkühlt.
Die bevorstehenden Herausforderungen
- Der Preis für die Bewältigung des globalen Angebots- und Nachfrageschocks ist die steigende Staatsverschuldung in vielen Ländern, die bestrebt sind, die Haushalte vor einem grossen Anstieg der Energiepreise zu schützen. Einige Länder wie Italien und Griechenland können sich diese hohe Verschuldung nicht lange leisten.
- Investitionsentscheidungen in neue Schiffscontainer, Öl- und Gasproduktion oder Mikrochips werden wahrscheinlich nur sehr vorsichtig getroffen werden, da sich die Weltwirtschaft verlangsamt und die eventuelle Erholung der chinesischen Wirtschaft angesichts einer Immobilienkrise voraussichtlich etwas flach ausfallen wird. Wenn sich die Nachfrage Ende 2024 stärker erholt, sollte das eine inflationäre Wirkung haben, da das Angebot nicht mithalten kann.
- Die Energiewende dürfte sich in Ländern mit schwachen Bilanzen und in Ländern, die nach alternativen Energielösungen suchen, um die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges abzumildern, verlangsamen.
Sébastien Galy, Macro Strategist, Nordea Asset ManagementDie Anlagegelegenheiten konzentrieren sich derzeit auf Covered Bonds und Value-/Quality-Aktien. Im ersten oder zweiten Quartal 2023 sollten sich die Chancen jedoch auf Fixed Income, Credit und Aktien ausweiten.
Eine langsame Wachablösung
Nachdem die Inflation, teilweise getrieben durch Basiseffekte, ihren Höhepunkt erreicht hat, sollten sich neue Trends abzeichnen.
- Wenn sich die Wirtschaft schliesslich abkühlt, werden die Fed und die EZB wahrscheinlich umschwenken, um die Geldpolitik zu lockern. Studien zur Vermögensallokation zeigen in der Regel, dass sich Aktien und festverzinsliche Wertpapiere in Szenarien wie diesem erholen, sobald Frühindikatoren sich zu verbessern beginnen. Die Spirale steigender Risikobereitschaft beginnt bei Staatsanleihen, gefolgt von Credit und teilweise mit Verzögerung auch von Aktien.
- Wie wir im Juni gesehen haben, können US-Aktien aufgrund von Schnäppchenjägern und der Hoffnung auf baldige Zinssenkungen der Fed und eine quantitative Lockerung früh anziehen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Juni-Rallye nicht gut endete, da die Fed von angebotsseitigen Einschränkungen und einer anhaltend starken Nachfrage seitens vermögenderer Haushalte überrascht wurde.
- Die Herausforderung besteht daher darin, in den kommenden Wochen zu beobachten, wann sich die Stimmung ändert. Signale dafür können eine extrem bärische Positionierung und Stimmung, Abflüsse aus Aktien und Credit, eine erzwungene Risikominderung, billige Bewertungen, veränderte Reaktionen auf Nachrichten (z.B. schlechte Nachrichten haben positive Auswirkungen) sowie Verwerfungen und Inkohärenzen sein.
Wie wir bei der Juni-Rallye gesehen haben, wird es nicht ausreichen, die Schmerzpunkte des Marktes zu identifizieren. Der Markt braucht Zeit, bis sich das Verhältnis zwischen Wachstum und Inflation ausreichend verbessert hat.
Was bedeutet das?
Die Anlagegelegenheiten konzentrieren sich derzeit auf Covered Bonds und Value-/Quality-Aktien. Im ersten oder zweiten Quartal 2023 sollten sich die Chancen jedoch auf Fixed Income, Credit (entwickelte Märkte, teilweise ESG und ausgewählte Emerging Markets) und Aktien (z.B. ESG) ausweiten. Im Grossen und Ganzen sind Aktien derzeit attraktiv bewertet, insbesondere in Europa und den Schwellenländern.