US-Konjunktur – quo vadis?

Entgegen dem Konsensus aller Ökonomen konnten die USA 2023 eine recht ansprechende Konjunktur zeigen. Dies war möglich, weil die US-Behörden Ende des 3. Quartals 2023 die Zusatzersparnisse nach oben revidiert hatten, welche immer noch von den Geldchecks der US-Regierung gegen die Corona-Folgen profitierten. Diese Ersparnisse nehmen nun wohl langsam ab, denn die amerikanischen Konsumenten haben sich in den letzten Quartalen mit Ausgaben nicht zurückgehalten. Derzeit präsentiert sich die US-Konjunktur aber klar stärker als die Wirtschaft der Europäischen Union, u.a. dank mehr Investitionswachstum und bisher solidem Konsum.

Seit vielen Quartalen hat die US-Konjunktur mit besser als erwarteten Zahlen positive Nachrichten geliefert. Dafür gibt es viele Ursachen. Erstens haben Verzerrungen durch die Corona-Fiskalpolitik der US-Regierung die Nachfrage der US-Konsumenten massiv über dem historischen Trend gehalten. Besonders vermehrte Reisetätigkeit ähnlich wie in Europa und das Besuchen von Musik- und Sportveranstaltungen sind u.a. für den bisher robusten Verlauf der Dienstleistungssektoren der Wirtschaft verantwortlich. Das verarbeitende Gewerbe zeigte in den USA 2023 eine weniger dynamische Entwicklung, doch diese war insgesamt klar besser als diejenige der europäischen Industrie. Besonders der Unterschied zwischen der deutschen und der amerikanischen Industrieproduktion wurde in den letzten Monaten deutlicher. In den kommenden Quartalen dürfte die US-Industrie aber nicht vor leichteren Aufgaben stehen. Steigende Militärausgaben stützen zwar, doch mehr Spannungen im Handel mit China wären belastend.

Sowohl für die US-Konjunktur wie auch für die US-Zinspolitik besteht derzeit überdurchschnittliche Unklarheit.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Mark Baumann

Die US-Wirtschaft hielt sich 2023 im Wachstum mit + 2,5% zum Vorjahr zur Überraschung fast aller globalen Ökonomen und des Marktkonsensus solide. Das war auch der Hauptgrund für den überraschend erfreulichen Aktienmarkt im Jahre 2023. Zwei weitere Faktoren waren für die gute US-Konjunktur von 2023 verantwortlich. Zum einen zeigten die offiziellen Revisionen des dritten Quartals zur Einkommenslage, dass die durch das Versenden von Geldchecks durch die Regierung zustande gekommenen Zusatzersparnisse der amerikanischen Haushalte höher als erwartet ausfielen. Zum anderen sorgten die hohen Regierungsausgaben, vor allem jene für alternative Energien, für eine zusätzliche Erhöhung des Investitionswachstums, allerdings aber auch für eine deutliche Erhöhung der Verschuldung und des Budgetdefizits. Entsprechend kam es 2023 zu einem über Erwarten liegenden US-Wirtschaftswachstum, das auch die übrigen globalen Aktienmärkte positiv beeinflusste.

Für die kommenden Quartale ist eine gewisse Konjunkturverlangsamung möglich, doch nicht sicher. Denn einerseits unterstützen die Ersparnisse den Konsum 2024 tendenziell weniger als 2023. Andererseits wirken die 2023 nochmals angestiegenen amerikanischen Marktzinsen bremsend auf die US-Wirtschaft. Das Finanzierungsumfeld für Konsumenten und Unternehmen hat sich zwar durch die Leitzinserhöhungen verändert, andererseits aber stützt der sogenannte Vermögenseffekt über gestiegene Aktienkurse den Privatkonsum.

Der historisch besonders zinssensitive US-Häusermarkt bleibt fragil und die Bewertung der US-Immobilien ist weiterhin verwundbar, da im historischen Vergleich noch nicht günstig. Die restriktiver gewordene Kreditvergabepolitik der Banken schliesslich könnte 2024 die US-Wirtschaft mehr als 2023 belasten, allerdings ist die Kreditpolitik der Banken nicht mehr so restriktiv wie vor rund sechs Monaten.

Ein denkbarer Rückgang des Nachfragewachstums hat auch positive Aspekte, denn er könnte den Rückgang der Gesamtinflation verstärken. Dadurch kann sich ein Effekt auf die realen (inflationsbereinigten) Einkommen ergeben. Wichtig wird aber auch die Entwicklung der Kerninflation, also der Teuerung ohne Berücksichtigung der Energie- und Nahrungsmittelpreise. Die hartnäckig hoch bleibenden Mietzinsen und Preise für Dienstleistungen erlauben derzeit nur einen relativ langsamen Rückgang der Kerninflation. Bedeutung hat hier auch der US-Arbeitsmarkt. Denn die Arbeitslosigkeit ist im historischen Vergleich immer noch niedrig. Das bedeutet, dass der Lohndruck im US-Arbeitsmarkt noch nicht wirklich beendet ist, was neben der Entwicklung der Gesamtinflation die Zinspolitik der US-Zentralbank beeinflussen wird. Ob die sehr optimistischen Zinssenkungserwartungen der Finanzmärkte berechtigt sind, wird sich nicht zuletzt über die Entwicklung dieser Faktoren entscheiden.

Fazit: Derzeit besteht sowohl für die Entwicklung der US-Konjunktur wie auch für die Zinspolitik der amerikanischen Zentralbank im historischen Vergleich überdurchschnittliche Unklarheit. Eine ausgewogene Anlagepolitik mit Fokussierung auf Qualität bei Aktien und Anleihen erscheint weiterhin angebracht.

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