US-Handelspolitik bleibt unberechenbar und schafft Unsicherheit
Die amerikanischen Aktien, teilweise Anleihen und besonders die US-Währung sind in den letzten Monaten durch hohe Volatilität und eine Bewertungskorrektur aufgefallen. Dies ist nicht nur, aber auch das Resultat der anders als vom Marktkonsens erwarteten Prioritätenliste der US-Regierung. Diese scheint einer Neuordnung der globalen Handelszölle derzeit mehr Gewicht beizumessen als niedrigen Steuern für amerikanische Unternehmen und Konsumenten, die sich der Konsens ja erhofft hatte. Zwar dürften Steuersenkungen noch vor uns liegen, doch zunächst ist hohe Volatilität der US-Wirtschaftsdaten ein Fakt, dies als Resultat der Unsicherheit über die Handelspolitik und der Unberechenbarkeit der US-Regierung.
Die konjunkturelle Entwicklung der USA ist jüngst durch politische Entscheidungen und die recht unberechenbare Kommunikation der amerikanischen Administration stark beeinflusst worden. Entsprechend haben sich die Wirtschaftsdaten im ersten Quartal weniger dynamisch gezeigt, was allerdings auf vor der Zollerhöhung noch stark gestiegene bzw. vorgezogene Güterimporte zurückzuführen ist. Insbesondere die für Unternehmen und Haushalte schwierig einzuschätzende Handelspolitik der US-Regierung hat zudem für Unsicherheit gesorgt, auch weil sich die Aussagen mehrmals verändert haben, was die endgültige Quantifizierung der Zollerhöhungen praktisch unmöglich macht. Die Dauer, die finale Höhe und der Umfang der angehobenen amerikanischen Zölle (mit bestimmten Produktausnahmen) sowie letztlich die abzuwartende Reaktion aller Handelspartner komplizieren die klare Einordnung der US-Wirtschaft besonders.
Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki BaumannWegen der US-Konjunkturunsicherheit könnte die US-Zentralbank mit Zinsänderungen zuwarten.
Bisher haben die Zollerhöhungen drei Wirkungen gezeigt. Erstens hat sich die Konsumaktivität der amerikanischen Verbraucher im bisherigen Jahresverlauf im Vergleich zum Vorjahr abgeschwächt. Zweitens hat die Konsumentenstimmung in den USA gelitten, insbesondere, da sich die Inflationserwartungen für die Zukunft klar erhöht haben. Drittens bremst die Unsicherheit wegen der US-Handelspolitik die Investitionsneigung der Unternehmen, nicht nur in den USA. Die Hoffnung der amerikanischen Regierung, durch Zollerhöhungen eine Verlagerung der Industrieproduktion zurück in die USA zu erreichen und so für den Mittelstand mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ist bisher noch nicht erreicht worden und dürfte ein schwieriges Unterfangen sein, besonders wenn gleichzeitig das Lohnwachstum, die Inflation und die Renditen amerikanischer Staatsanleihen tief bleiben sollen, wie es ja die US-Regierung wünscht. Andererseits darf die amerikanische Wirtschaft auch nicht rasch abgeschrieben werden. Die US-Arbeitslosigkeit bleibt im historischen Vergleich auf einem niedrigen Niveau, auch wenn sie sich wegen der Unsicherheit der Unternehmen betreffend Investitionen in den kommenden Monaten erhöhen könnte. Die Aktivität im amerikanischen Häusermarkt und die Geschäftsresultate der US-Firmen haben sich bisher ebenfalls besser als erwartet gezeigt. Dennoch ist Vorsicht angebracht, denn die US-Zollerhöhungen werden grundsätzlich eine sogenannte stagflationäre, also stagnierend-inflationäre, Wirkung erzeugen. Das bedeutet, dass zum einen die Konjunktur gebremst wird, sodass sie quasi stagniert. Zum anderen erhöht sich wohl die Inflationsdynamik durch Weitergabe der höheren Importzölle auf die Preise von Gütern. Hierbei bleibt allerdings abzuwarten, ob der inzwischen langsam bemerkbare Rückgang der Dienstleistungspreise die inflationäre Wirkung der Zollerhöhungen ausgleichen kann.
Wegen diesen Unklarheiten wäre es nun keine Überraschung, wenn die amerikanische Zentralbank mit deutlichen Zinsveränderungen wartet, bis sich deutliche Tendenzen abzeichnen. Dies ist angebracht, da die US-Zentralbank bekanntlich ein doppeltes Mandat hat. Einerseits möchte sie die Inflation nahe an das Ziel von 2 % zum Vorjahr bringen, andererseits soll die Fed, die US-Zentralbank, für einen stabilen Arbeitsmarkt sorgen. Dies bedeutet, dass die Fed im Falle einer klar ansteigenden Arbeitslosigkeit deutlichere Zinssenkungen vornehmen könnte, was dann der Konjunktur helfen würde.
Als Fazit muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt festgestellt werden, dass die Risiken für die US-Konjunktur zunehmen, solange die US-Regierung den Zollerhöhungen gegenüber den von ihr auch geplanten tieferen Steuern Priorität einräumt. Entsprechend könnten zwei Dinge dann nicht überraschen. Erstens, dass die Risikoprämie, welche internationale Investoren gegenüber US-Anlagen verlangen, ansteigt, was sich in einer Bewertungskorrektur in amerikanischen Anlagen und im US-Dollar spiegelt. Und zweitens, dass die globalen, vor allem aber die amerikanischen, Wirtschaftsdaten in nächster Zeit noch länger Volatilität zeigen könnten.