FinTech-Deals boomen – aber viele Banken agieren mit Vorsicht

Mit über 5'500 Transaktionen und einem Betrag von rund 210 Mrd. US-Dollar knackten FinTech-Deals weltweit im vergangenen Jahr erneut einen Rekord. In Europa spielen der DACH-Raum und insbesondere die Finanzzentren in der Schweiz und Liechtenstein eine wichtige Rolle. Eine neue Studie beleuchtet Entwicklungen in der Fintech-Branche der letzten zehn Jahre.

Nach einer Entstehungsphase in der ersten Hälfte des Jahrzehnts trieben Blockchain und Kryptowährungen das Wachstum der Industrie von 2017 bis 2021 stark voran. Mittlerweile ist der FinTech-Markt gereift. Dies zeichnet sich durch eine allgemeine Zunahme von Risikokapitalrunden in späteren Stadien aus. Dadurch erreichte der Median der Transaktionsgrössen im DACH-Raum im Jahr 2021 mit 6,5 Mio. USD einen neuen Höchststand. Mehr als 50% des Transaktionsvolumens der letzten 10 Jahre wurde in den vergangenen 30 Monaten verzeichnet.

In der Schweiz und in Liechtenstein haben 45% aller befragten Banken bereits FinTech-Investments getätigt. Dabei waren grosse und mittelgrosse Banken mit verwalteten Vermögen von über 10 Mrd. Franken aktiver – jede von ihnen hat im Durchschnitt bereits über zwei Deals getätigt. 38% der Banken planen, in den nächsten zwei Jahren in FinTechs zu investieren. Dazu gehören sowohl Privat-, als auch Retail-, Online- und Kantonalbanken sowie auf Digital Assets spezialisierte Banken. Rund zwei Drittel der Banken verzichten auf Investitionen, da sie entweder in-house eigene Lösungen erarbeiten oder die weitere Marktentwicklung abwarten möchten.

Banken in der Schweiz und Liechtenstein hinken dem Ausland in Sachen Strategie hinterher
Trotz des Investitionsinteresses der Finanzinstitute fehlt ihnen oftmals eine klare Strategie. Von den Banken, die in FinTechs investieren wollen, verfügen nur 55% über eine formelle Strategie. 45% der Befragten gaben an, dass sie entweder eine informelle, undokumentierte oder gar keine Strategie haben. «Daraus lässt sich schliessen, dass zahlreiche Banken in der Schweiz einen opportunistischen Ansatz verfolgen», erklärt Adrian Heuermann, Director Deals Financial Services bei PwC Schweiz. Auf globaler Ebene haben rund 84% der befragten Finanzunternehmen eine FinTech-Strategie. «Hier haben Schweizer Banken definitiv Potenzial zur Verbesserung. Denn mit einer formellen Strategie wären Finanzinstitute besser auf die zunehmenden Deal-Möglichkeiten vorbereitet», so Heuermann.

Finanzinstitute zeigen wenig Risikofreude bei Investitionen
Die Resultate der Umfrage zeigen ausserdem, dass sich Banken in der Schweiz und Liechtenstein vorsichtig an diesen Bereich herantasten. Die meisten Befragten möchten über eine Minderheitsberteiligung oder Partnerschaften in den FinTech-Sektor einsteigen. Nur 20% der Umfrageteilnehmenden planen eine Mehrheitsbeteiligung, niemand möchte indirekt (z.B. über VC-Fonds) investieren oder Accelerator/Incubator-Programme nutzen. Zudem investieren die meisten Banken in reifere FinTech-Unternehmen mit funktionierenden Geschäftsmodellen. Nur 20% erwägen Investitionen in Start-ups in der Frühphase. Im Fokus stehen primär FinTechs in Europa. Einige Privatbanken sondieren Möglichkeiten in Südamerika oder Asien, keiner der Befragten plant Deals in den USA. Am attraktivsten für Schweizer und Liechtensteinische Banken sind sowohl WealthTech-Unternehmen als auch Blockchain- und Krypto-Unternehmen, die gerade im Krypto-Hotspot Schweiz eine wichtige Rolle einnehmen.

Mehr als 50% des Transaktionsvolumens der letzten 10 Jahre wurde in den vergangenen 30 Monaten verzeichnet.

Adrian Heuermann, Director Deals Financial Services, PwC Schweiz

Die Ziele der Banken sind klar: Mit Investitionen in FinTechs möchten sie primär ihr Produktangebot verbessern oder die Produktdistribution an Kunden verändern. Durch Deals im FinTech-Bereich erhalten sie Zugang zu neuen Technologien und Märkten und können so vor allem ihre Front-Offices (45%) und Middle-Offices (55%) umgestalten. Andere Bereiche wie Datenanalyse oder Prozessautomatisation stufen die Befragten für FinTech-Deals als weniger relevant ein, da diese Leistungen eher durch Outsourcing als durch Akquisitionen eingeholt werden.

Die komplette Studie «FinTech dealmaking in Germany, Switzerland and Austria: Are banks making the most of the opportunities in a booming market?» von PwC findet sich hier.

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