Kleine oder grosse Firmen?

Seit dem Jahr 2022 zeigen sich die mittelgross- und kleinkapitalisierten Firmen, die sogenannten «Mid und Small Caps», in vielen Ländern mit eher schwächerer Aktienperformance als die grosskapitalisierten «Blue Chips». Dies war schon früher in verschiedenen Ländern zu beobachten.

In den Jahren 2018 sowie 2022/23 erlebte Europa eine Phase schwacher Wirtschaftsleistung, die von deutlich steigenden Zinsen begleitet wurde. Ebenso war der Jahresbeginn 2018 und 2022 von einer Bewertungsdifferenz zwischen «Mid und Small Caps» und den grosskapitalisierten «Large Caps» geprägt. Wenn sich einige der unten beschriebenen Faktoren verändern sollten, haben mittelgross- und kleinkapitalisierte Firmen das Potenzial, gegenüber den «Large Caps» Boden gutzumachen.

Viele Anleger haben sich letztes Jahr gewundert, dass die «Mid und Small Caps» keine bessere Performance gegenüber den grösser kapitalisierten «Large Caps» gezeigt haben. Tatsächlich haben im sehr langfristigen Vergleich normalerweise kleiner kapitalisierte Firmen eine bessere Performance. Dies kann verschiedene Gründe haben. So werden u.a. kleinere Firmen oft von den finanzkräftigeren grossen «Blue Chips» gekauft, um Marktanteile zu gewinnen oder neue Geschäftsfelder zu erschliessen bzw. die Produktpalette zu verbreitern.

Langfristig zeigen Small Caps eine interessante Rendite, auch wenn ihr Beta oft höher als das der Large Caps ist.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann

Es gibt Faktoren, welche gerade in Europa die Performance von kleiner kapitalisierten Unternehmen behindern können. Dies war schon 2018 der Fall, als die Zinsen aufgrund der Geldpolitik der weltweit wichtigsten Zentralbank, der US-Notenbank, massiv anstiegen. Ähnlich ist es seit letztem Jahr, als das FED die Zinsen viel stärker erhöhte, als es vom Marktkonsens erwartet worden war. Im historischen Vergleich waren und sind Ausmass und Tempo der US-Leitzinserhöhungen klar rekordverdächtig. Entsprechend kam es zu Bewertungskorrekturen von höher bewerteten Anlagen, gerade bei den mittelgross- oder kleinkapitalisierten Aktiengesellschaften. Auch im globalen Vergleich zeigt sich, dass sowohl zu Beginn des Jahres 2018 wie auch Anfang 2022 die Bewertung der Firmen mit mittelgrosser bis kleiner Kapitalisierung im Kurs-Substanzwert-Verhältnis eben nicht niedrig war. Einige Technologie- bzw. Kommunikationsfirmen in den USA waren gegenüber anderen «Large Caps» in der Bewertung allerdings viel teurer. Ähnliches konnte anhand anderer Bewertungskriterien beobachtet werden.

Für die im Mehrjahresvergleich unterdurchschnittliche Performance von «Mid und Small Caps» seit 2022 gibt es auch noch andere Ursachen. Kleinere Firmen können oft anzahlmässig weniger Produktbereiche abdecken, sind also weniger diversifiziert und bei einer Konjunkturabschwächung, wie sie 2022/23 in Europa spürbar war, daher vielfach stärker betroffen. Grössere Konzerne können bei einer wirtschaftlichen Wachstumsverlangsamung die Schwäche eines einzelnen Produktbereiches zumindest teilweise durch einen anderen kompensieren. Grosse, international tätige Firmen profitieren bei den Einnahmen zudem von mehr regionaler Diversifikation bzw. können die Kosten international effizienter verteilen. Dies kann diese Unternehmen bei starken Währungsschwankungen relativ bevorteilen. Oft, aber nicht immer sind zudem grosskapitalisierte Konzerne vermehrt in defensiveren Branchen (Beispiel im SMI: die Pharmaindustrie) anzutreffen und kleinkapitalisierte Firmen eher in konjunkturabhängigeren Branchen wie beispielsweise der Maschinenindustrie.

Ein weiterer Faktor, der berücksichtigt werden will, ist die generelle Marktsensitivität, auch Beta genannt. Unternehmen mit kleinerer Kapitalisierung haben typischerweise ein höheres Beta und sind daher in Phasen hoher Marktschwankungen wie 2022 oder 2018 oft volatiler als grosskapitalisierte «Blue Chips». Diese Charakteristik steht übrigens mit den vorher genannten fundamentalen Faktoren in einem Zusammenhang. Allerdings zeigt sich in einem langfristigen historischen Vergleich, dass kleiner kapitalisierte Firmen über viele Konjunkturzyklen betrachtet bzw. langfristig nicht unterlegen sein müssen. Im Vergleich haben seit 1995 beispielsweise weltweit die kleinkapitalisierten Aktiengesellschaften die grosskapitalisierten Unternehmen mehrheitlich geschlagen.

Letztlich ist die Präferenz wie immer vor allem auch eine Frage des Risikoappetites. Firmen mit höherem Beta erscheinen wohl riskanter, sollten aber langfristig für das eingegangene höhere Risiko quasi als Belohnung einen höheren Gesamtertrag zeigen. Bei kleinkapitalisierten Unternehmen konnte man dies gegenüber den grosskapitalisierten seit 1995 sehen. So haben auch Aktien gegenüber Anleihen langfristig bei höherem Risiko eine bessere Performance gezeigt. Das bedeutet dennoch nicht, dass es kurzfristig genauso kommen muss. Darum ist es von Bedeutung, zu wissen, welchen Risikoappetit Anleger bei Anlagen einzugehen bereit sind und welchen Zeithorizont sie beim Investieren haben.

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