Anna Demarmels: «Infrastruktur hat als eigenständige Anlageklasse klar an Bedeutung gewonnen.»

IFM Investors ist ein globaler Investment Manager mit Hauptsitz in Melbourne und einer der grössten Infrastrukturmanager der Welt. Dennoch ist das Unternehmen in unseren Breitengraden weniger bekannt als in anderen Teilen der Welt. Wir haben bei der Schweiz-Chefin Anna Demarmels nachgefragt, weshalb die Schweiz für das Unternehmen ein interessanter Markt ist und was es mit Infrastruktur-Investments genau auf sich hat.

Anna Demarmels, das von Schweizer institutionellen Anlegern verwaltete Kapital beläuft sich auf schätzungsweise 2 Milliarden US-Dollar. Die Schweizer Pensionskassen scheinen jedoch nur ein geringes Interesse an Infrastrukturinvestitionen zu haben und bevorzugen andere Anlageklassen. Täuscht dieser Eindruck?

Anna Demarmels: Während Anleger in unserem Heimmarkt Australien mit Infrastruktur-Investitionen sehr vertraut sind und sie als Eckpfeiler in ihrer Portfolio-Allokation einsetzen, ist diese Anlageklasse in vielen Regionen der Welt, auch in der Schweiz, noch relativ neu. Die meisten Anleger sehen Infrastruktur nach wie vor als Teil ihrer alternativen Allokation, was sich jedoch allmählich ändert. Mit einem Track Record, der sich über fast drei Jahrzehnte erstreckt, können wir nun eindeutig sagen, dass Infrastruktur als eigenständige Anlageklasse an Bedeutung gewonnen hat. Wir stellen ein verstärktes Interesse von Schweizer Investoren fest und ich gehe davon aus, dass der Anteil der Infrastrukturanlagen weiter zunehmen wird.

Wir stellen ein verstärktes Interesse von Schweizer Investoren fest und ich gehe davon aus, dass der Anteil der Infrastrukturanlagen weiter zunehmen wird.

Anna Demarmels, Country Head Switzerland, IFM Investors

Sie bezeichnen Infrastruktur-Investments als «fast perfekte» institutionelle Anlageklasse. Was fehlt für das Prädikat «perfekt»?

Keine Anlageklasse ist perfekt, aber mit einer Erfolgsbilanz, die sich über fast drei Jahrzehnte erstreckt, hat sich Infrastruktur als eigenständige Anlageklasse durchgesetzt. Im Gegensatz zu Aktien und Obligationen sind die zugrundeliegenden Renditequellen von nicht börsennotierten Infrastrukturanlagen in hohem Masse an regulatorische oder vertragliche Rahmenbedingungen gebunden, die mit der Natur dieser Anlagen als Versorger von unverzichtbaren kommunalen Dienstleistungen zusammenhängen. Die Inflation und die steigenden Zinsen der letzten Jahre haben die strategische Bedeutung eines Infrastruktur-Exposures aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit über Konjunkturzyklen hinweg und seiner Wirksamkeit als Inflationsabsicherung deutlich gemacht.

Wie verhalten sich Infrastruktur-Investments in einem ESG-Kontext?

Beim Kauf und der Verwaltung von Infrastrukturanlagen werden ökologische und soziale Überlegungen in den Investitionsplan einbezogen. Dies gilt sowohl aus Sicht des Risikomanagements als auch im Hinblick auf künftige Chancen. Alternde und unterinvestierte Infrastrukturanlagen erfordern kontinuierliche Investitionen, und wir unternehmen grosse Anstrengungen, um bestehende Infrastruktur zu dekarbonisieren und in bereits dekarbonisierte Anlagen zu investieren. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen beispielsweise die erneuerbaren Energien ihre derzeit hohen Wachstumsraten beibehalten, wobei sich die installierte Kapazität in Nordamerika bis 2030 verfünffachen und in Europa verdreifachen soll. Regierungen auf der ganzen Welt haben dies erkannt, und Infrastruktur-Investitionsprogramme wie der «Inflation Reduction Act» in den USA, «RePowerEU» in der EU und «Build Back Better» in Grossbritannien stellen Hunderte von Milliarden Dollar zur Unterstützung von Dekarbonisierungsbemühungen, einschliesslich Klimaanpassung, bereit.


Welche makroökonomischen Trends begünstigen Infrastruktur-Investments?

In einem makroökonomischen Umfeld von Inflations- und Zinsschwankungen und einem schwachen BIP-Wachstum können Infrastruktur-Investitionen langfristig orientierten Anlegern eine Reihe von Vorteilen bieten, darunter Portfolio-Diversifizierung, Ertragsstabilität, geringe Volatilität und Inflationsschutz. Die Vorteile in Bezug auf die Diversifizierung ergeben sich aus ihrer Fähigkeit, BIP-Schwankungen zu überstehen. Hohe Marktzutrittsschranken und die Nachfrageelastizität von Infrastrukturanlagen tragen zu dieser Eigenschaft bei und positionieren Infrastrukturanlagen als weniger anfällig für wirtschaftliche Abschwünge aufgrund ihrer vertraglich festgelegten Einnahmen und monopolistischen Eigenschaften, die zu einer stabilen Nachfrage beitragen. Was die Inflation betrifft, so profitieren Infrastrukturanlagen in der Regel sowohl vom Preis- als auch vom Mengenwachstum, wobei häufig Mechanismen wie inflationsgebundene Tarifanpassungen und regulierte reale Renditen zum Einsatz kommen. Die Preisgestaltung für Mautstrassen beispielsweise ist durch Vorschriften, Konzessionsvereinbarungen oder Verträge an die Inflation gekoppelt und bietet eine natürliche Absicherung gegen die negativen Auswirkungen steigender Zinssätze.

Wie widerstandsfähig gegenüber Konjunkturzyklen sind Infrastruktur-Investments?

Private Infrastruktur hat sich als besonders widerstandsfähig erwiesen, da sie eine geringere Volatilität der Renditen und eine niedrigere Anfälligkeit für Marktschwankungen aufweist und daher eine wichtige Rolle bei der Portfolio-Allokation spielt. Diese Widerstandsfähigkeit wird durch Investitionen in essenzielle Anlagen unterstrichen, die eine natürliche Inflationsabsicherung und einen höheren Schutz vor Zinsschwankungen bieten als der breitere Markt. Im Allgemeinen sind die meisten wesentlichen Infrastrukturanlagen mit direkt an die Inflation gekoppelten Renditen verbunden oder verfügen über eine Form des indirekten Inflationsschutzes.

Und wie verhalten sich Infrastruktur-Investments im Umfeld eines wirtschaftlichen Abschwungs, den wir gerade erleben?

Die Renditen haben sich in den letzten zwei Jahren als widerstandsfähig erwiesen, da mit dem Ende der Pandemie nicht nur die Zinssätze, sondern auch die Inflation rasch angestiegen ist. Dies ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von nicht börsennotierten Infrastrukturanlagen im Vergleich zu ihren börsennotierten Pendants sowie zu Immobilien.

Noch ein Wort zum Rendite-Potenzial von Infrastruktur-Investments: Wie schätzen Sie dieses ein?

Die Rendite hängt stark davon ab, in welchem Bereich des Risiko-Ertrags-Spektrums ein Anleger bereit ist, zu investieren. Ein gut diversifiziertes und aktiv verwaltetes privates Infrastruktur-Portfolio weist attraktive Risiko-Rendite-Merkmale auf und im Portfolio-Kontext kann die Beimischung von Infrastruktur die Portfolio-Rendite steigern und gleichzeitig das Risiko senken.