Infrastruktur ist nicht gleich Infrastruktur

Die in der Finanzwelt oft rezitierten sicheren Häfen sind gefragt, die Inflation ist zurück. Finden sie als Basis-Infrastruktur den Weg in Anlage-Portfolios, können sie als Inflationsschutz dienen.

Die Anzeichen verdichten sich, dass uns die Inflation länger begleiten wird als zunächst angenommen. In den USA beispielsweise erreichte sie im März dieses Jahres mit 8,5 Prozent den höchsten Stand seit 40 Jahren. Für Investoren wird damit die Frage nach einem geeigneten Inflationsschutz für ihr Anlage-Portfolio immer drängender. Als eines der Instrumente, die wirksamen Schutz vor Inflation bieten, gelten gemeinhin Aktien. Anders als Anleihen bieten sie eine unmittelbare Beteiligung an Unternehmen und somit an ihrer Wertschöpfung. Sie sind damit als eine Art Sachwert zu verstehen. Diese Argumentation ist jedoch löchrig, weil sich einige Industriesektoren in Zeiten erhöhter Inflation erheblichen Problemen gegenübersehen – beispielsweise Wachstumsunternehmen oder wettbewerbsintensive Branchen, in denen sich Preissteigerungen nicht unmittelbar und in vollem Umfang an Kunden durchreichen lassen.

Inflation als Rückenwind
Womöglich können Anleger dieses Problem lösen, indem sie über verschiedene Länder und Branchen hinweg investieren, etwa in ETFs auf breite Aktienindizes. So hat etwa der MSCI World seit 1999 eine Wertentwicklung von 6,9 Prozent per annum erzielt, immerhin rund fünf Prozentpunkte oberhalb der durchschnittlichen Inflationsrate, gemessen am US Consumer Price Index. Besser entwickelten sich jedoch Infrastrukturaktien. Gemessen am NMX Infrastructure Composite Index legte die Infrastruktur-Anlageklasse um 10,0 Prozent per annum zu – etwa acht Prozentpunkte mehr als die durchschnittliche Teuerungsrate. Interessanterweise zeigt sich, dass Infrastrukturaktien ihre volle Stärke erst in Zeiten deutlich erhöhter Inflation ausspielen. Liegt die durchschnittliche jährliche Inflationsrate beispielsweise oberhalb von drei Prozent, beträgt die durchschnittliche Überrendite von Infrastrukturaktien gegenüber dem MSCI World 7,2 Prozentpunkte. Bei Inflationsraten zwischen zwei und drei Prozent sind es gar immer noch 3,7 Prozentpunkte Outperformance pro Jahr. Das macht Infrastrukturaktien als wirksame Absicherung gegen hohe Teuerungsraten gerade im aktuellen Umfeld interessant.

Infrastruktur ist nicht gleich Infrastruktur
Um von den spezifischen Vorteilen einer Infrastruktur-Investition zu profitieren, sollten Anleger eine möglichst strenge Definition des Infrastrukturbegriffs wählen. Hierzu eignet sich das Konzept der Basis-Infrastruktur. Darunter versteht man alle (zusammenhängenden) Infrastrukturnetzwerke der Sektoren Energie, Transport, Wasser und Kommunikation. Alle Erscheinungsformen dieser Art von Infrastruktur haben gemeinsam, dass sie diese sechs Kriterien erfüllen: Infrastrukturanlagen sind

Die Risiko- und Renditeeigenschaften von Basis-Infrastruktur und infrastrukturverwandten Dienstleistungen unterscheiden sich grundlegend.

Robin Jakob, Geschäftsführer LPX AG

vergleichsweise kapitalintensiv, auf Nachfrageänderungen reagieren sie mit grosser zeitlicher Verzögerung, sie werden mit einem langen Betriebshorizont – meist über 30 Jahren – installiert, sie sind örtlich gebunden, zweckgebunden und bieten eine grundlegende Dienstleistung für das Funktionieren einer Volkswirtschaft. Zahlreiche Finanzprodukte mit dem Stempel «Infrastruktur» erfüllen diese Kriterien jedoch nicht. In ihren Portfolios finden sich oftmals zum Grossteil «infrastrukturverwandte Dienstleistungen». So gehört zum Beispiel ein Mautstrassenbetreiber zur Basis-Infrastruktur, während ein Logistikunternehmen – als Nutzer dieser Strassen – als infrastrukturverwandte Dienstleistung klassifiziert werden kann. Ein weiteres klassisches Beispiel für Basis-Infrastruktur sind Stromnetzbetreiber im Gegensatz zu Stromerzeugern.

Die Risiko- und Renditeeigenschaften von Basis-Infrastruktur und infrastrukturverwandten Dienstleistungen unterscheiden sich grundlegend. Für Anleger ist die trennscharfe Unterscheidung wichtig, weil Unternehmen der Basis-Infrastruktur besondere ökonomische Charakteristika aufweisen, die Firmen der anderen Kategorie fehlen oder weniger stark ausgeprägt sind. Dazu gehören etwa hohe Markteintrittsbarrieren, positive Skaleneffekte und eine natürliche Monopolstellung sowie in hohem Masse prognostizierbare Cashflows, da die wesentlichen Dienstleistungen eine vergleichsweise stabile Nachfrage aufweisen.Ein weiterer positiver Nebeneffekt sind die im Durchschnitt höheren Bonitätsratings und niedrigeren Ausfallquoten von Firmen der Basis-Infrastruktur. Das hat sich auch während der Covid-19-Pandemie gezeigt, als sich Betreiber von Stromnetzen oder Funkmasten deutlich besser geschlagen haben als zum Beispiel Stromproduzenten.

Angeborener Inflationsschutz
Der vielleicht wertvollste Vorteil von Basis-Infrastruktur ist allerdings der natürliche Inflationsschutz. In vielen Subsektoren sind die Preismodelle beziehungsweise Konzessionsverträge stark reguliert und oftmals mit einer Kopplung an die Teuerungsrate versehen. Preissteigerungen können damit vertraglich durchgereicht werden. Wer angesichts der anhaltend hohen Inflation in Sorge ist, findet somit bei Infrastrukturaktien wirksamen Schutz – vorausgesetzt, es handelt sich um Basis-Infrastruktur.

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