Philipp Müller: «Ich bin der klassische Überzeugungstäter in Sachen Impact Investing.»
BlueOrchard darf zweifelsohne als ein Impact Investor der ersten Stunde bezeichnet werden. Ein Geschäftsmodell, das bis vor wenigen Jahren noch eine Nischendasein fristete, wird heute von der Investorengemeinde gefeiert. Nachhaltige Investments sind ein Gebot der Stunde und ein Megatrend, dem sich kein Asset Manager verschliessen kann. Wir haben mit Philipp Müller, dem CEO von BlueOrchard, gesprochen.
Philipp Müller, Sie arbeiten seit rund drei Jahren für BlueOrchard, ein auf Impact Investments spezialisiertes Finanzunternehmen – die letzten 14 Monate als deren CEO. Was treibt Sie an? Sind Sie in Sachen Impact Investment ein «Überzeugungstäter» oder setzen Sie einfach aus nüchternen Renditeüberlegungen auf den aktuellen Zeitgeist?
Philipp Müller: Ich bin der klassische Überzeugungstäter in Sachen Impact Investing. Nicht zuletzt als Vater von drei kleinen Kindern treibt mich die Frage an, wie wir eine positive Wirkung für unsere Gesellschaft, Umwelt und für zukünftige Generationen erzielen können. BlueOrchard ermöglicht es mir, meine Überzeugungen mit meinem Beruf zu vereinen.
Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht ethisch vertretbar, Gewinne mit Ihrem Geschäftsmodell zu erwirtschaften? Wo liegen in Ihrem Geschäft die Grenzen der Gewinnmaximierung?
Bei dem Bestreben etwas Gutes für die Gesellschaft und unsere Umwelt zu tun, versuchen wir gleichzeitig für unsere Investoren einen Gewinn zu erzielen. Das schafft nachhaltiger Wert als eine klassische Spende, bei der das Geld nur in eine Richtung fliesst. Bei unserem Geschäftsmodell werden Gewinne oftmals neu in weitere Impact Investing-Projekte investiert und die Gewinnorientiertheit trägt stark zur Effizienz bei. Zudem mobilisiert unser Geschäftsmodell viel mehr privates Kapital, welches sonst nicht in solche Projekte geflossen wäre. Wir wissen, dass öffentliche Mittel nicht ausreichen werden, um die grossen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, wie etwa den Klimawandel oder die steigende Ungleichheit. Es braucht privates Kapital.
Philipp Müller, CEO BlueOrchardBis in zehn Jahren werden wir die Demokratisierung von Impact Investments weit vorangetrieben haben, so dass Impact Investing endlich allen Anlegern offensteht.
Mit Ihrem Amtsantritt haben Sie in Aussicht gestellt, Blue Orchard «in eine nächste Phase» zu führen? Wohin genau soll die Reise gehen? Wo steht BlueOrchard in zehn Jahren?
BlueOrchard wird auch in zehn Jahren der führende globale Impact Investment Manager sein. Unserer DNA und Impact Zielen bleiben wir treu. Als Pionier werden wir weiterhin auf Innovationen setzen, insbesondere wird die Digitalisierung neue Wege bereiten, um Millionen von Unternehmern in Schwellenländern mit Investoren zu verbinden. Aufstrebende Bereiche wie Green Bonds und Impact Bonds in Schwellenländer werden sich stark entwickeln. Einige unserer Märkte werden rasant wachsen, und unsere langfristigen Private Equity und Infrastrukturinvestments werden an Bedeutung gewinnen. Bis in zehn Jahren werden wir die «Demokratisierung» von Impact Investments weit vorangetrieben haben, so dass Impact Investing endlich allen Anlegern offensteht.
Nachhaltige Investments sind ein Gebot der Stunde und heute ein Mega-Trend in der Finanzindustrie, den BlueOrchard allerdings lange vor dem Mainstream erkannt hat. Ist diese Vorreiter-Rolle nicht auch eine unternehmerische Bürde? Wie gehen Sie damit um?
Wir empfinden unsere Pionierrolle als Ansporn. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, mit unserer Expertise und Erfahrung zur weiteren Etablierung und Entwicklung des Impact Investing beizutragen. Dies tun wir auf verschiedene Weisen, einerseits durch akademische Projekte im Rahmen der BlueOrchard Academy, andererseits durch unsere Vorreiterrolle z.B. bei Impact Management und Measurement-Systemen. Angesichts der Folgen der Covid-19 Pandemie auf KKMU in Entwicklungs- und Schwellenländern haben wir zudem beispielsweise unser grosses globales Netzwerk genutzt, um in Rekordzeit einen Rettungsschirm für 850’000 kleine und mittlere Unternehmen ins Leben zu rufen, mit dem Ziel 200 Millionen Jobs zu erhalten.
Impact Investment Managern haftet immer auch ein wenig die sympathische Aura von Altruisten an. 2019 wurde BlueOrchard vom britischen Asset-Management-Riesen Schroders übernommen. Wurde mit dieser Übernahme nicht auch die ursprüngliche Unternehmens-DNA verwässert? Oder anders gefragt: Welchen Stellenwert haben Mikrofinanzanlagen, das Ursprungsthema von BlueOrchard, heute noch für das Unternehmen, das Sie leiten?
An unserer Impact DNA hat sich nichts geändert, und auf der Anlageseite sind wir vollkommen unabhängig. Mikrofinanzanlagen stehen nach wie vor im Zentrum und machen den grössten Anteil unserer Investitionstätigkeit aus. Wir bauen unsere Plattform stetig aus und haben auch während der Covid-19 Pandemie unsere lokalen Teams verstärkt. Neben Mikrofinanzanlagen braucht es aber weitere Ansätze, um den Herausforderungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu begegnen, z.B. langfristige Private Equity Anlagen oder Klimaversicherungen, die Bauern und KMU im Falle von Naturkatastrophen unterstützen.
Unabhängige Nachhaltigkeitsratings gewinnen zunehmend an Bedeutung. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass drei etablierte Rating-Agenturen in nur 11 von 235 analysierten Unternehmen übereinstimmen. Was Nachhaltigkeit im Einzelnen bedeutet, definiert offenbar jeder Rating-Anbieter anders. Wie messen Sie den «greifbaren sozialen und ökologischen Impact», den Sie gemäss eigenen Angaben anstreben?
Im Bereich ESG-Ratings bestehen in der Tat Unschärfen, welche auf unterschiedliche Ansätze und Datenmodelle zurückzuführen sind. Bei Impact Investments ist dies klarer, da viel direkter gemessen werden kann und es gibt inzwischen sehr anspruchsvolle Messmethoden. Ganz grundsätzlich gesprochen geht es um 1) ein konkretes Wirkungsziel, und darauf aufbauend, 2) das Ableiten von Metriken und Sammeln von Daten, 3) die Messung und Analyse basierend auf den erhobenen Daten und 4) Bewertung des Impacts.
Die Asset Management-Industrie kann oder will sich offenbar nicht auf einheitliche Nachhaltigkeitsstandards verständigen – die Politik muss eingreifen und eine übergeordnete Taxonomie durchsetzen. Weshalb zeigt sich Ihre Branche dermassen zögerlich, wenn es darum geht, Transparenz und Vertrauen zu schaffen?
Es ist zu begrüssen, dass Regulierung dort greift wo es darauf ankommt. Die Politik spielt eine wichtige Rolle, um gewisse Entwicklungen zu beschleunigen und Teilnehmer an einen Tisch zu bringen – umso wichtiger für den Überbegriff «Nachhaltigkeit», welcher ein breites Spektrum abdeckt. Für Impact Investing ist Transparenz ein zentrales Anliegen und es wurden bereits einheitliche Standards geschaffen. Ein Beispiel sind z.B. die Operating Principles for Impact Management der Weltbank.
Das Konzept des Impact Investing gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wohl auch, weil ESG weitgehend in die Finanzmärkte integriert ist. Wie reagieren Institutionelle Investoren auf diese Entwicklung?
Sehr positiv. Immer mehr institutionelle Investoren erkennen, dass sie mit Impact Investments sowohl eine attraktive Rendite erwirtschaften als auch eine nachhaltig positive Wirkung für Umwelt und Gesellschaft erzielen können. Viele für Impact Investing wichtige Anlageklassen wie Private Equity und Infrastruktur eignen sich besonders für institutionelle Investoren. Im Gegensatz zu ESG-Ansätzen, welche die von Ihnen genannten Unschärfen bei Nachhaltigkeit-Ratings aufweisen, ist bei Impact Investments von vornherein klar, welche Wirkung erzielt werden soll.
Philipp MüllerLabels können ähnlich wie im Supermarkt ein Differenzierungsfaktor sein und die Entscheidungsfindung vereinfachen, sollten aber nicht die Due Diligence ersetzen.
Wo liegen die grössten unternehmerischen Herausforderungen für einen Impact Investment Manager? Wie gehen Sie beispielsweise mit der Korruptionsthematik in Schwellenländern um, die es institutionellen Anlegern oftmals verunmöglicht, in diesem Bereich aktiv zu werden?
Die grösste unternehmerische Herausforderung besteht darin, dass gewisse Impact Anlagestrategien sehr aufwändig sind und nicht unbeschränkt wachsen können, zum Beispiel im Bereich Bildung. In Bezug auf Schwellenländer sehen wir jedoch keine Berührungsängste, viele institutionelle Anleger sind in diesen Märkten bereits sehr aktiv und sehen die immensen Chancen, in Bezug auf Wachstum und Entwicklungspotential.
Was halten Sie von einem Nachhaltigkeitslabel, welches «grüne» Finanzprodukte bzw. deren Wirkung klassifiziert? Weshalb sperrt sich Ihre Branche dagegen?
Labels können ähnlich wie im Supermarkt ein Differenzierungsfaktor sein und die Entscheidungsfindung vereinfachen, sollten aber nicht die Due Diligence ersetzen. BlueOrchard hat viele Anlagelösungen, welche über Labels und sogar die externe Zertifizierung der Operating Principles for Impact Management verfügen. Wir sehen dies als wichtiges Instrument um «Greenwashing» entgegenzuwirken, und der Aufwand hält sich in Grenzen. Warum sich gerade unsere Branche dagegen sperren sollte ist mir nicht klar. Was jedoch niemandem etwas nützt ist ein Label-Wildwuchs, d.h. Labels sollten transparent und von möglichst neutraler Stelle (z.B. dem IFC) vergeben werden und nicht erkauft werden können.
Ist die vielgepriesene E-Mobilität in einem Nachhaltigkeits-Kontext ein Fluch oder ein Segen? Und auf welches Antriebskonzept setzten Sie ganz persönlich? Was für ein Automodell fahren Sie?
E-Mobilität ist ein wichtiger Innovationstreiber und wird neben anderen Massnahmen dazu beitragen, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Technologie entwickelt sich gerade rasant und wird in Zukunft auch hoffentlich ohne seltene Erden zurechtkommen. Persönlich setze ich vor allem auf mein E-Bike und fahre ein Elektrofahrzeug.
Sind Sie auch als Privatanleger ein Impact Investor?
Ja, auf jeden Fall. Wie viele andere Anleger habe auch ich den Anspruch, dass meine Investitionen im Einklang mit meinen Werten stehen.