Warum die Risikoprämie für Investitionen in China steigen dürften

China hat sich gewandelt. 2020 noch klar eine Lokomotive für die Konjunktur und damit interessant für Investoren, ist das Land nun zu einem belastenden Faktor für die Börsen geworden. Welches sind die Ursachen für den Kurswechsel der kommunistischen Regierung?

Niemand weiss genau, welchen Plan das chinesische Regime verfolgt, doch es scheint, dass hinter all den sichtbaren Veränderungen ein effektiver Kurswechsel steht. Dieser könnte für eine höhere Volatilität nicht nur bei chinesischen Aktien, sondern auch bei der globalen Konjunktur sorgen. Investoren werden nun mit mehr Unsicherheit leben müssen. Eine für China höhere Risikoprämie scheint daher angemessen.

Es ist noch nicht lange her, da war allgemein das Credo, dass China die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft sei. Entsprechend wurden chinesische Aktien favorisiert, was sich letztes Jahr in einer überdurchschnittlichen Performance manifestierte: Der MSCI China Aktienindex zeigte 2020 einen Gesamtertrag von 28 Prozent gegenüber 17 Prozent für den Welt-Aktienindex MSCI World. Dieses Jahr sind chinesische Aktien hingegen eine Enttäuschung und laufen rund 25 Prozent schlechter als der Welt-Aktienindex. Was steckt dahinter?

Der zweistellige Kursverlust basiert auf einer Kombination verschiedener Faktoren, welche die Zuversicht der Investoren belastet. Dieses Jahr ist es Peking nicht gelungen, die Ausbreitung des Coronavirus so gut einzudämmen wie 2020. Dieser Faktor führte nicht nur zu mehr Bewegungseinschränkungen in bedeutenden Provinzen und Städten – betroffen waren auch wichtige Exporthäfen. Gleichzeitig nimmt die Vorsicht der Bevölkerung zu. Dies führt zu einem Rückgang des Konsums, was sich in einem rückläufigen Einzelhandelswachstum im Juli zeigt. Doch nicht nur dieser wichtige Konjunkturindikator enttäuschte den Marktkonsens: Auch die Geschäftsumfragen in der verarbeitenden Industrie und in den Dienstleistungsbranchen fallen seit einigen Monaten schlechter aus. Zudem scheint die chinesische Regierung im Gegensatz zu anderen Ländern bisher nicht gewillt, eine deutliche Wirtschaftsstimulierung durchzuführen. Während die USA und Europa sowohl auf eine expansive Geld- und Fiskalpolitik setzen, als auch mit Staatsausgaben ihre Konjunktur unterstützen, bremst Peking bewusst das Wirtschaftswachstum ab. Unter anderem wohl, um die Verschuldung im Immobiliensektor und bei den Unternehmen zu reduzieren. Der dafür gezahlte Preis ist ein zunehmend enttäuschendes Wirtschafts- und Aktienwachstum.

Die Regulierungen verschiedener Sektoren kam überraschend schnell und unerwartet massiv.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Märki & Baumann

Zusätzlich hat sich der Fokus der kommunistischen Führung klar verändert. Früher standen Wachstum und eine günstige Finanzierung der Unternehmen, besonders aus dem Internet-Bereich, im Vordergrund – auch durch ausländische, oftmals amerikanische Investoren via Kotierung an US-Börsen. Nun scheint der Abbau der ausufernden sozialen Ungleichheit in einer zunehmend weniger homogenen chinesischen Bevölkerung mit inzwischen vielen «Internet-Milliardären» oberste Priorität zu haben. Deren Einfluss will die kommunistische Partei reduzieren, sei es über neue Steuerlasten oder Regulierungen. Gegenüber der Bevölkerung wird der Kurswechsel damit begründet, dass es dringend nötig sei, die «allgemeinen» Einkommen zu erhöhen und die Internet-Gewinne zu verteilen. Zudem sollen die monopolartigen Strukturen der wenigen Plattform-Firmen aufgebrochen werden, was deren Gewinnwachstum schmälern kann. Auch sollen die IT-Firmen Löhne und Sozialleistungen anheben, was höhere Kosten nach sich zieht.

Im Weiteren möchte die kommunistische Führung Chinas den amerikanischen Einfluss reduzieren, auch im Namen der nationalen Sicherheit. Ebenso soll die Datensicherheit in China besser werden. Umgekehrt haben die USA ihre Anstrengungen verstärkt, um die Finanzierung chinesischer Technologie-Firmen, die der Militärmacht Chinas dienen, durch US-Aktieninvestoren einzuschränken. Somit wird die Kotierung chinesischer Firmen aktuell diskutiert. Die politischen Spannungen zwischen den USA und China haben unter dem US-Präsidenten Joseph Biden entgegen den allgemeinen Markterwartungen nicht abgenommen.

China zeigt eine Abschwächung des Gewinnwachstums seiner Firmen sowie eine klar sichtbare Abkühlung des Wirtschaftswachstums. Diese steht nicht nur im Zusammenhang mit der ansteckenderen Variante des Coronavirus, sondern ist auch im Kontext der nun begonnenen neuen Regulierungen zu sehen. Es darf nie vergessen werden, dass es der kommunistischen Führung Chinas mehr um politische Kontrolle als um Profite der Unternehmen geht, was keine Überraschung sein sollte: China hat eine kommunistische und nicht eine Kapitalismus- bzw. Aktionär-orientierte politische Führung. Die Regulierungen verschiedener Sektoren kam überraschend schnell und unerwartet massiv. Weil unklar ist, wie es weitergeht, dürfte nun China mit einer höheren Risikoprämie gehandelt werden als in früheren Jahren.

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