Wachstumsprognose für China angehoben

Die BIP-Wachstumsprognose für China wurde von einer grossen U.S. Investmentbank für 2024 auf 4,9% (praktisch das Regierungsziel von 5%) und für 2025 auf 4,7% angehoben, was auf die jüngste Runde von Konjunkturmassnahmen zurückzuführen ist. Dies zeigt deutlich, dass die politischen Entscheidungsträger eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik vollzogen haben und die Wirtschaft stärker in den Mittelpunkt rücken.

Auch wenn es in der letzten Ministry of Finance Pressekonferenz in China keine spezifischen Massnahmen zur direkten Unterstützung des Verbrauchs gab, hat das unerwartet umfangreiche Konjunkturpaket Chinas das Vertrauen der Anleger in die angeschlagene chinesische Wirtschaft erheblich gestärkt. Die angekündigten Massnahmen, darunter neue Instrumente, mit denen die chinesische Zentralbank Unternehmen beim Rückkauf von Aktien über refinanzierte Bankkredite unterstützt, veranlassten die Anleger am letzten Freitag im September zu einem Ansturm auf chinesische Aktien. Die Aktien an der Shanghaier Börse stiegen – in der ersten Handelsstunde kletterte der Umschlag auf 101 Milliarden US-Dollar. Anfangs hatte die Börse mit Pannen bei der Auftragsabwicklung und Verzögerungen zu kämpfen, bevor Aktien in China am letzten Septembertag schliesslich den besten Tag seit 16 Jahren verzeichneten.

Nach den neuerlichen Leitzinssenkungen Chinas sehen wir nun, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt möglicherweise einen gezielteren Weg zur wirtschaftlichen Wiederbelebung einschlagen wird.

Marcus Weyerer, ETF Investment Strategist, Franklin Templeton

Nach den neuerlichen Leitzinssenkungen Chinas sehen wir nun, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt möglicherweise einen gezielteren Weg zur wirtschaftlichen Wiederbelebung einschlagen wird. Die erneuten Bemühungen des Landes sollen Wertpapierfirmen, Versicherer und andere institutionelle Anleger bei der Mittelbeschaffung unterstützen, indem sie ihre Bilanzen aufbessern. Wir betrachten die unmittelbare Marktreaktion auf diese Schritte als einen starken Indikator – nicht nur für den Appetit der Anleger auf Value, sondern auch für eine FOMO-Stimmung (die Angst, etwas zu verpassen), die unseres Erachtens die Marktrallye weiter anheizen könnte. Auch das Glattstellen von Shortpositionen dürfte eine Rolle gespielt haben. Händler, die schwere Verluste erlitten haben, sind vielleicht nicht bereit bzw. in der Lage, in nächster Zeit erneut gegen die Regierung zu wetten, was der derzeitigen Rallye Stabilität verleihen könnte. Da jedoch der schwache Binnenkonsum, der angeschlagene Immobiliensektor und andere strukturelle Probleme die chinesische Wirtschaft weiterhin belasten könnten, scheinen schnelle Lösungen unrealistisch. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen. Das Signal, das diese Massnahmen dem Markt geben, ist allerdings so stark wie seit mindestens drei Jahren nicht mehr und hat den Grundstein für eine bessere Wahrnehmung des chinesischen Aktienmarktes gelegt.

Abbildung 1: Inhalte des Überraschungspakets Chinas

Externe geopolitische Risiken erzeugen weiterhin Unsicherheit, insbesondere im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen. Auch das Gerede über einen möglichen Handelskrieg zwischen den USA und China hält an. Analysten debattieren über die Auswirkungen einer Präsidentschaft von Kamala Harris gegenüber einer zweiten Amtszeit von Donald Trump im Weissen Haus. Aktuelle Umfragen zu den US-Wahlen zeigen ein knappes Rennen auf vielen Ebenen der gewählten Regierung. Anleger können sich vielleicht damit trösten, dass die USA wie in den letzten Jahrzehnten wahrscheinlich nach wie vor einen gespaltenen Kongress haben werden – das kann weitreichende Gesetzesänderungen in Grenzen halten.

All das soll nicht heissen, dass wir durch die neue Entschlossenheit, mit der die chinesische Führung die Märkte stabilisieren will, nicht ermutigt sind. In der Tat haben die Massnahmen die Aktien der Schwellenländer bereits auf Höchststände steigen lassen, die seit mehr als zwei Jahren nicht mehr zu beobachten waren. Die Aktienmärkte Brasiliens und Südkoreas, die beide im August ihre bisherigen Jahrestiefststände erreicht haben, sind seither wieder im Aufwind. Das Gleiche gilt für den mexikanischen Markt, dessen Aktien nach einem Einbruch Anfang September wieder angezogen haben. Das kann jedoch eine Erinnerung daran sein, dass es langfristige globale Marktchancen gibt.

Abbildung 2: Asien und asiatische Schwellenländer: Eine heterogene Gruppe

Asien und asiatische Schwellenländer: LTM-KGV über 10 Jahre, Stand: 31. August 2024

Fazit
Auch wenn der Marktfokus in dieser Woche auf China liegen mag und sich die langfristigen Argumente für eine Allokation in chinesische Aktien mit den jüngsten Ankündigungen wahrscheinlich verbessert haben, können wir nicht genug betonen, wie wichtig die Diversifizierung ist. Asien und asiatische Schwellenländer weisen eine zunehmende Zweiteilung auf – ein Trend, der sich unserer Einschätzung nach fortsetzen wird. Da der globale Zinszyklus, die US-Wahlen und die geopolitische Fragmentierung allesamt Fragen sind, die die Komplexität verstärken, sollten Anleger in diesem Wirtschaftsklima unserer Auffassung nach Flexibilität und Beweglichkeit den Vorrang geben. Wir halten Chinas konzertierte Comeback-Bemühungen auf den globalen Märkten für ein positives Signal für das Land und die breitere Region. Unserer Meinung nach bieten langfristige Trends wie Technologieführerschaft, attraktive Bewertungen und die Ausweitung der Produktionskapazitäten reichlich Chancen für Anleger entlang des Risikospektrums. Der weitere Weg wird sicher nicht glatt verlaufen, aber das grösste Risiko für Anleger könnte in der Tat darin bestehen, asiatische Märkte bei ihren Allokationsentscheidungen zu vernachlässigen.

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