Stimmungsumschwung auf den chinesischen Aktienmärkten
Chinesische Aktien könnten zwar kurzfristig konsolidieren, die Erholung ist aber seit dem Tiefpunkt im März 2022 weiterhin auf Kurs.
Während viele Industrieländermärkte in den letzten Wochen neue Tiefststände erreichten und zunehmend mit Rezessionsängsten zu kämpfen haben, hat China in aller Stille einen Weg zur Erholung eingeschlagen – zumindest vorerst. Untersucht man frühere Rückgänge, stellt man fest, dass die jüngste Episode zwar schwerwiegend, aber auch nicht beispiellos war. In der Zwischenzeit hat der FTSE China 30/18 Capped Net Index angesichts einiger ermutigender Daten, darunter nachlassende Coronasorgen und Hoffnungen auf weitere fiskalische Anreize, um rund 18% zugelegt und übertrifft damit seit Jahresbeginn die globalen, US-amerikanischen, europäischen und breiten Schwellenländermärkte. Dies stellt einen erheblichen Stimmungsumschwung innerhalb der letzten drei Monate dar. Natürlich sind wir noch nicht über den Berg. Kurzfristig gesehen verlangsamt sich die Konjunktur in China immer noch, und die Anleger sehen sich weiterhin mit unsystematischen Risiken konfrontiert, die auf anderen Märkten nicht zu finden sind, vor allem mit unkontrollierter Regulierung und dem Zero-Covid-Ansatz.
Chinesische Aktien haben eine beachtliche Rally hingelegt
Der bisherige Tiefpunkt war am 15. März 2022 erreicht. Von diesem Tag bis heute, haben chinesische Aktien rund 26% zugelegt. Das ist eine beachtliche Rally und wirft die Frage auf, wie viel Dampf unabhängig von den Fundamentaldaten noch übrig ist? Während der globalen Finanzkrise 2008 verloren chinesische Aktien 75,4% vom Höchststand bis zum Tiefststand. Um dies wieder auszugleichen, mussten sie also um fast 307% zulegen. Die Rückgänge in den Jahren 2016 und 2018 betrugen -41,6 % und -31,6% und erforderten daher Gewinne von 71,2% bzw. 46,2%, um die alten Höchststände zu erreichen. Die Zeitrahmen waren sehr unterschiedlich, aber letztendlich wurden diese Höchststände erreicht, und dann übertroffen.
Marcus Weyerer, ETF Investment Strategist EMEA, Franklin TempletonChina übertrifft nun die meisten grossen Märkte im Jahresvergleich – ein deutlicher Stimmungsumschwung gegenüber den letzten drei Monaten.
Unter der Annahme, dass die Zukunft die Vergangenheit in irgendeiner Form wiederholen wird, bedeutet dies, dass der Drawdown 2021 bis 2022 einen Anstieg von 110% gegenüber dem Tiefpunkt erfordert, um ein neues Allzeithoch zu erreichen. Wir befinden uns derzeit am Tag 76 der Erholung (d. h. nach dem Tiefpunkt). Zu diesem Zeitpunkt können wir feststellen, dass chinesische Aktien nur knapp ein Viertel des «erforderlichen» Weges zurückgelegt haben (26%/110% = 24%). Das ist weniger als nach dem Tief von 2018 (33,5 %), aber mehr als nach den Rückgängen von 2008 und 2016 (18% bzw. 21%). Dies deutet darauf hin, dass der Markt zumindest kurzfristig ein wenig Luft holen dürfte, bevor er seine Erholung fortsetzen kann. Etwas weiter in die Zukunft blickend zeigt sich dann aber, dass der Markt während früherer Erholungsphasen ein Jahr bzw. 262 Handelstage nach dem Tiefpunkt jeweils bereits zwischen 40 und 56% des Weges zurückgelegt hatte.
Markt hat schlechte Nachrichten bereits eingepreist
Wenn das Tief vom 15. März tatsächlich der Tiefpunkt war, kann man sagen, dass die Erholung auf Kurs ist und mit früheren Episoden im Einklang verläuft. Die gute Nachricht ist, dass die Entwicklungen der letzten drei Monate das Vertrauen gestärkt haben, dass der Markt gerade dabei ist, einen dauerhaften Boden zu bilden. Die Risiken sind nach wie vor hoch und reichen von geopolitischen bis hin zu wirtschaftlichen und gesundheitlichen Unsicherheiten, aber die Bewertungen in China sind weiterhin attraktiv und deuten darauf hin, dass ein gewisses Mass an schlechten Nachrichten bereits eingepreist ist.
Auch wenn der Markt derzeit vielleicht etwas zu schnell gestiegen ist, scheinen die Aussichten angesichts der Lehren aus der Vergangenheit vielversprechend. Wenn die fundamentalen Nachrichten weiterhin von negativ auf neutral und vielleicht sogar positiv umschlagen, könnten die Aussichten für chinesische Portfolios in starkem Kontrast zu den Portfolios der Industrieländer stehen, die zunehmend das Risiko einer US-Rezession einpreisen. China scheint sich an einem ganz anderen Punkt des Zyklus zu befinden.