Hat das internationale Währungssystem – und damit die Vormachtstellung des US-Dollars – ausgedient?

Die letzten drei Jahre sind durch abrupte Veränderungen in der Weltwirtschaft, wirtschaftspolitische Reaktionen und geopolitische Auseinandersetzungen geprägt. Erwartungsgemäss löste dies heftige Reaktionen auf den Finanzmärkten aus – einschliesslich der Anleihen- und Devisenmärkte.

Wie bereits in früheren Phasen wirtschaftlicher und geopolitischer Turbulenzen wird immer wieder die Frage laut, ob das internationale Währungssystem einen längerfristigen und grundlegenden Wandel durchlaufen wird. Obwohl dies mitunter Einfluss auf die Vorherrschaft des US-Dollars als weltweite Handels- und Reservewährung hat, scheint eine Abkehr von der Leitwährung nicht unmittelbar bevorzustehen.

Trotz widerstandsfähigem, US-Dollar-zentriertem Währungsregime – Systemwandel rückt näher
Seit der offiziellen Einführung im Rahmen der Konferenz von Bretton Woods im Jahr 1944 hat das vom US-Dollar dominierte Währungssystem grundlegende Veränderungen durchlaufen, in der Regel als Reaktion auf Systemkrisen. Allerdings verschärfen geldpolitische Kurswechsel in den USA noch immer den Verlauf von Konjunkturzyklen in anderen Ländern und lösen sogar Krisen aus. Während die US-Notenbank in Zusammenarbeit mit anderen Zentralbanken Instrumente entwickelt hat, um die Auswirkungen zu begrenzen, bestehen weiterhin Forderungen nach einem Systemwandel.

Das Schicksal des US-Dollars als Leitwährung hängt von verschiedenen Faktoren ab – entscheidend ist vor allem, ob die USA in der Lage sind, makroökonomische Stabilität und das Vertrauen gegenüber anderen bedeutsamen Ländern zu bewahren.

Nannette Hechler-Fayd’herbe, Chief Investment Officer der Region EMEA, Credit Suisse

Makroökonomische Ungleichgewichte und geopolitische Konflikte belasten Nimbus des US-Dollars
Wie andere Länder kämpfen die Vereinigten Staaten derzeit gegen einen Inflationsschub, während sich die Wirtschaft abschwächt. Die fiskalischen und aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichte haben sich erheblich verschärft. Die Situation erinnert an die 1970er-Jahre, als das Vertrauen in den US-Dollar erheblich erschüttert war. Darüber hinaus sind die geopolitischen Spannungen so intensiv wie seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, ob der US-Dollar seinen Leitwährungsstatus verlieren könnte.

Umdenken bezüglich Devisenreserven scheint unausweichlich
Der Anteil des US-Dollars an den weltweiten Devisenreserven ist nach wie vor ein Indikator für die «Vormachtstellung» der Währung. Allerdings wird die Notwendigkeit von Devisenreserven durch variable Wechselkurse, eine bessere makroökonomische Politik in vielen Schwellenländern und die Verfügbarkeit von Swap-Linien zwischen Zentralbanken verringert. Hohe Devisenreserven waren häufig darauf zurückzuführen, dass die Zentralbanken damit versuchten, der Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar entgegenzuwirken. Inzwischen gibt es jedoch einige Anzeichen dafür, dass sich die grossen Zentralbanken aus Diversifizierungsgründen vom US-Dollar und von US-Treasuries abwenden. So investieren einige der Banken mit den grössten Reservebeständen stattdessen in Realwerte.

Wie sich das Währungssystem weiterentwickeln könnte
Derzeit gibt es keine offensichtlichen Kandidaten, welche den US-Dollar in absehbarer Zeit als Leitwährung ablösen könnten. Und die Einführung einer Globalwährung ist angesichts der aktuellen geopolitischen Verwerfungen unwahrscheinlich. Der zunehmende Handel zwischen wichtigen Schwellenländern und die Vertiefung ihrer Kapitalmärkte stärken den Stellenwert von Schwellenländer-Währungen. Darüber hinaus deuten gemeinsame Absicherungsmassnahmen zum Schutz vor US-Dollar-Schwankungen und Schritte hin zur Entwicklung eines alternativen Zahlungssystems auf eine stärker multipolar geprägte Währungsordnung hin.

Der aktuelle Bericht der Credit Suisse über die Zukunft des Währungssystems findet sich hier.

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