Opfer des US-Handelskrieges sind in erster Linie die amerikanischen Kosumenten
Trotz jüngster Anzeichen einer Deeskalation dürften die Handelsunsicherheit und die erwarteten Preissteigerungen die US-Wirtschaft belasten.
«Der Kunde hat immer Recht» ist nicht nur ein altbewährtes Mantra vieler Dienstleister. In Bezug auf Zölle gilt dies auch für amerikanische Konsumenten und Unternehmenskunden, die Investitionsgüter kaufen. Jüngste Umfragen deuten auf einen starken Rückgang des Geschäftsklimas und des Konsumentenvertrauens hin und zeigen gleichzeitig einen deutlichen Anstieg der Inflationserwartungen für die USA.
Christian Scherrmann, US-Ökonom, DWSJüngste Umfragen deuten auf einen starken Rückgang des Geschäftsklimas und des Konsumentenvertrauens hin und zeigen gleichzeitig einen deutlichen Anstieg der Inflationserwartungen für die USA.
Die Experten von DWS gehen davon aus, dass sich diese Einschätzungen als richtig erweisen. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass im Fall des ersten Handelskriegs 2018 die Zölle fast vollständig auf die Inlandspreise abgewälzt wurden, sodass im Wesentlichen die US-Konsumenten für den Konsum ausländischer Waren zur Kasse gebeten wurden. Kein Wunder also, dass die Aussicht auf Zölle von bis zu 145 Prozent für viele Importe aus China beunruhigend war. Trotz der jüngsten Anzeichen einer Deeskalation würden die von DWS erwarteten durchschnittlichen Gesamtzölle der USA in Höhe von 14 bis 15 Prozent deutlich über den üblichen Niveaus in der Geschichte der USA seit dem amerikanischen Bürgerkrieg liegen. Wie der untenstehende Chart zeigt, müsste man bis in die 1930er Jahre zurückgehen, um etwas Vergleichbares zu finden.
Dies und die Aussicht auf gleichzeitige Steuersenkungen und Deregulierungsmassnahmen machen eine Einschätzung der wahrscheinlichen Auswirkungen – selbst, wenn die politischen Massnahmen klarer werden – sehr schwierig. Einerseits unterscheiden sich die Volkswirtschaften und insbesondere die Lieferketten stark von denen vor einem Jahrhundert. Andererseits sind einige sehr reale und oft hohe Kosten protektionistischer Massnahmen, wie zum Beispiel eine geringere Auswahl für Verbraucher, weniger Wettbewerb und in vielen Fällen historisch gesehen ein Verlust an Innovationskraft, in Wirtschaftsstatistiken nur schwer direkt zu verfolgen und zu messen.
Im Schnitt dürften effektive US-Gesamtzölle auf ein seit Jahrzehnten nicht gesehenes Niveau steigen

Sie beeinträchtigen umso mehr die Leistung einer Volkswirtschaft im Lauf der Zeit. Allerdings war die US-Wirtschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert auch eines von sehr wenigen Beispielen in der weltweiten Wirtschaftsgeschichte, dass es einer relativ geschlossenen Volkswirtschaft gelingen kann, massenhaft produzierte, weltweit führende Innovationen wie die Glühbirne hervorzubringen. Trotz Handelsbarrieren und dank seines grossen Binnenmarkts, seiner kulturellen Normen und Institutionen, die auf die Förderung von Unternehmertum und Wettbewerb ausgerichtet waren, verstand es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Kraft des Wettbewerbs auch ohne ausländische Konkurrenz zu nutzen. «Insgesamt halten wir es für wichtig, sowohl die kurz- als auch die langfristigen Auswirkungen der jüngsten Änderungen der US-Wirtschaftspolitik, einschliesslich möglicher gegenläufiger politischer Massnahmen, zu berücksichtigen», argumentiert Christian Scherrmann, US-Ökonom bei DWS. «Kurzfristig sehen wir durchaus weiter das Risiko einer (leichten) Rezession. Was die längerfristigen Auswirkungen angeht, ist es jedoch noch viel zu früh, um eine Aussage zu treffen».