Wenn Zinsen fallen und Trends bleiben: Das stille Revival grüner Energie

Thematische Investments können eine Herausforderung sein, wenn der Markt gegen Sie läuft. Wenn der zugrunde liegende strukturelle Trend bestehen bleibt, verleiht das Anlegern den Mut, an ihren Überzeugungen festzuhalten – in der Hoffnung, dass die Märkte letztendlich darauf reagieren werden.

Genau das ist offenbar im Bereich der erneuerbaren Energien geschehen. Nach einigen schwierigen Jahren erfreut sich das Thema 2025 wieder grosser Beliebtheit. Bei Betrachtung der zugrunde liegenden Trends könnte man sich fragen, was die Märkte eigentlich dazu veranlasst hat, wegzuschauen.

In der ersten Hälfte des Jahres 2025 beliefen sich die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien auf 386 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2024 entspricht.

Mobeen Tahir, Macroeconomic Research, WisdomTree

In diesem Beitrag möchte ich beleuchten, warum erneuerbare Energien wieder einen Aufschwung verzeichnen und warum die Märkte dies aufmerksam verfolgen.

Die Welt setzt rasch auf erneuerbare Energien
Das sind die strukturellen Rückenwindfaktoren, auf die es ankommt. Laut dem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) über erneuerbare Energien vom Oktober 2025 wird sich die weltweite Kapazität an erneuerbaren Energien bis 2030 voraussichtlich verdoppeln. Für einen Markt, der in den letzten zehn Jahren bereits erheblich expandiert ist, ist das ein beträchtlicher Zuwachs. Solarenergie dürfte rund 80% des Anstiegs ausmachen, gefolgt von Windkraft (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Weltweite Kapazitätserweiterung im Bereich erneuerbare Energien

Quellen: Bloomberg New Energy Finance. Hinweis: «Sonstige» umfasst Biomasse und Abfall, Kleinwasserkraft und Meeresenergie, August 2025

Zu den wichtigsten Faktoren, die die IEA für diesen raschen Anstieg – insbesondere im Solarbereich – nennt, gehören sinkende Kosten, schnellere Genehmigungsverfahren und eine wachsende gesellschaftliche Akzeptanz. Windkraft stand aufgrund von höheren Kosten angesichts der Kapitalintensität der Projekte vor Herausforderungen, verzeichnete aber trotzdem ein bedeutendes Wachstum. Jetzt, da die Zentralbanken die Zinsen senken und die Finanzierungskosten abnehmen, lassen einige dieser Gegenwinde nach. Niedrigere Zinsen haben sich in diesem Jahr als wichtiger Katalysator für die Wiederbelebung des Themas erwiesen.

Die Finanzierung erneuerbarer Energien bleibt robust
Trotz des Drucks durch hohe Zinsen und erhebliche Finanzierungskosten für kapitalintensive Projekte sind die Finanzmittel für erneuerbare Energien weiter gestiegen. Ein Grossteil dieser Stärke resultiert aus der Solarenergie, die sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich zunehmend genutzt wird. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 beliefen sich die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien auf 386 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2024 entspricht. Dieses Wachstum erfolgte trotz nachlassender US-Investitionen und verdeutlicht, dass andere Regionen, insbesondere China und Europa, an Dynamik gewonnen haben. Auch hier stehen die Daten in starkem Kontrast zu der schwachen Marktentwicklung der beiden Vorjahre. Vielleicht waren es die ersten Anzeichen sinkender Zinsen, die das Vertrauen in die Nachhaltigkeit von Investitionen in erneuerbare Energien wiederhergestellt haben, und dieser Wandel zeichnet sich nun deutlich ab.

Abbildung 2: Globale Investitionen in erneuerbare Energien in Milliarden US-Dollar

Quellen: Bloomberg New Energy Finance. Hinweis: «Sonstige» umfasst Biomasse und Abfall, Kleinwasserkraft und Meeresenergie, August 2025.

Das Narrativ der Rechenzentren setzt sich durch
Die Welt baut derzeit in rasantem Tempo ein riesiges Netzwerk von Rechenzentren auf, die enorme Mengen an Energie benötigen. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Anlagen nachhaltig mit unterbrechungsfreiem Strom zu versorgen, der weder die Umwelt belastet noch die Kosten in die Höhe treibt. Lokale Quellen für ständig verfügbare Energie werden zunehmend bevorzugt, um weniger stark auf das öffentliche Stromnetz angewiesen zu sein und Rechenzentren die benötigte Energieunabhängigkeit zu verschaffen. Im letzten Jahr gab es zahlreiche fortschrittliche Ankündigungen von Technologieunternehmen, die sich Kernenergie für ihre Rechenzentren sichern wollten. Atomkraft könnte zwar eine zentrale Lösung darstellen, wird jedoch wahrscheinlich durch andere Innovationen wie Wasserstoff-Brennstoffzellen ergänzt werden. Die Bloom Energy Corp schloss im Februar 2025 einen Vertrag mit Equinix, einem globalen Rechenzentrumsentwickler, über die Installation von Brennstoffzellen an mehr als 19 Standorten mit einer Gesamtleistung von über 100 MW. Diese Brennstoffzellen bieten nahezu emissionsfreien Strom rund um die Uhr – eine sauberere und zuverlässigere Alternative zu Dieselgeneratoren. Ihr modularer Aufbau ermöglicht zudem eine einfache Konfiguration und Skalierung je nach Bedarf. Seit der Ankündigung ist der Aktienkurs von Bloom Energy kräftig gestiegen, was ein Zeichen dafür ist, dass die Märkte die Verbindung zwischen Rechenzentren und Wasserstoff-Brennstoffzellen begrüssen. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass erneuerbare Energien nicht nur auf Solar- und Windenergie beschränkt betrachtet werden sollten, sondern als ein umfassenderes Ökosystem, das auch neue Technologien umfasst, mit denen die digitale Welt nachhaltig mit Energie versorgt werden kann.

Fortschritte in der Batterietechnologie unterstützen die Nutzung erneuerbarer Energien
Die Verbreitung erneuerbarer Energien ist untrennbar mit dem Fortschritt in der Batterietechnologie verbunden. Denn was passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Durch bessere Speichermöglichkeiten lässt sich erneuerbare Energie in grösserem Umfang und zuverlässiger nutzen. Es gibt drei besonders interessante Entwicklungen auf dem Gebiet der Batterietechnologie. Zunächst einmal Festkörperbatterien. QuantumScape, ein führender Hersteller von Festkörperbatterien, hat in diesem Jahr mit bemerkenswerten Fortschritten bei der Demonstration der Wirksamkeit seiner Technologie Aufmerksamkeit erregt. Bei einer Festkörperbatterie wird der flüssige Elektrolyt einer Lithium-Ionen-Zelle durch einen festen Elektrolyten ersetzt, wodurch sie eine höhere Energiedichte aufweist. Obwohl diese Technologie ursprünglich für Elektroautos entwickelt wurde, um eine grössere Reichweite und kürzere Ladezeiten zu ermöglichen, könnte sie letztlich viel breitere Anwendungsmöglichkeiten für die Speicherung haben. Im Moment trägt die Begeisterung über die Durchbrüche bei Festkörperbatterien dazu bei, die Stimmung im gesamten Bereich der sauberen Energien zu heben.

Zweitens verwenden LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat) Eisenphosphat als Kathodenmaterial anstelle von Nickel oder Kobalt, wodurch sie sicherer, langlebiger und kostengünstiger sind, wenn auch mit einer etwas geringeren Energiedichte. LFP spielen aufgrund ihrer Stabilität und Kosteneffizienz sowohl für Elektrofahrzeuge als auch für die Speicherung im Stromnetz eine immer wichtigere Rolle. Innovationen verbessern ihre Leistungsfähigkeit und Dichte, wobei EVE Energy, Guoxuan High-Tech und Farasis Energy zu den führenden Unternehmen gehören, die die Entwicklung vorantreiben.

Drittens: Lithium-Ionen-Systeme im industriellen Massstab. Unternehmen wie GS Yuasa entwickeln gross angelegte, leistungsstarke Energiespeichersysteme für Fabriken, Rechenzentren und Standorte für erneuerbare Energien. Diese Systeme bieten eine schnelle Reaktion, eine lange Lebensdauer und eine stabile Leistung, um Stromnetze auszugleichen und Notstrom zu liefern. Fortschritte bei Sicherheit, Wärmemanagement und modularer Skalierbarkeit treiben nun die Einführung in Industrie- und Versorgungssektoren weltweit voran.

Chinesische Aktien auf dem Vormarsch
China ist zweifellos sowohl im Bereich der erneuerbaren Energien als auch bei der Batterietechnologie ein Vorreiter. Jede Anlagestrategie, die die gesamte Dynamik dieser Märkte erfassen möchte, wird naturgemäss ein bedeutendes Engagement in China aufweisen.

Abbildung 3: Veränderung des Energiebedarfs in ausgewählten Regionen

Quelle: IEA (2025), Veränderung des Energiebedarfs in ausgewählten Regionen, 2023 bis 2024

Der allgemeine Aufschwung an den chinesischen Aktienmärkten in diesem Jahr hat sicherlich einen Beitrag geleistet. Zusätzliche Impulse gehen jedoch von Pekings erneuten Bemühungen um saubere Energie aus – darunter umfangreiche Investitionen in die Modernisierung des Stromnetzes und in Energiespeicher – sowie von der weltweiten Nachfrage nach kostengünstigen Solarmodulen, die zum Grossteil von chinesischen Unternehmen hergestellt werden.

Fazit
Erneuerbare Energien entwickelten sich weiter und der weltweite Einsatz hielt an, auch wenn die Märkte sich abwandten. In diesem Jahr haben sinkende Zinsen Rekordfinanzierungen ermöglicht, die Debatte über den Energiebedarf von Rechenzentren hat an Fahrt aufgenommen, Innovationen im Bereich der Speicherung sind in den Mittelpunkt gerückt und chinesische Aktien haben wieder zugelegt, wodurch erneuerbare Energien erneut ins Rampenlicht getreten sind. Für Anleger, die das Interesse verloren hatten, könnte jetzt der richtige Zeitpunkt sein, sich erneut mit diesem Thema zu befassen.

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