Wie die Schweiz vom Forschungsriesen zum Venture-Champion werden kann
Die Schweiz zählt zu den weltweit führenden Forschungs- und Innovationszentren und hat das Potenzial, auch zu einem erstklassigen Venture-Capital-Hub zu werden. Der Ausbau heimischer Kapitalquellen könnte der Schlüssel zur Erschliessung dieses Potenzials sein.
Basierend auf der Studie von Schroders Capital und unter Heranziehung von Massachusetts als Benchmark hat die Schweiz das Potenzial, durch den Ausbau ihres lokalen Venture-Ökosystems das jährliche Volumen an Risikokapitalfinanzierungen von 2,4 auf 11 Milliarden Franken mehr als zu vervierfachen.
Nils Rode, Chief Investment Officer, Schroders CapitalEin strukturierter Ausbau des lokalen Venture-Kapitals wäre der nächste logische Schritt, um das Innovationspotenzial voll auszuschöpfen und die Schweiz als führenden Venture-Hub Europas zu etablieren.
Die Schweiz behauptet ihre Stellung als weltweiter Innovationsleader eindrücklich: Im Global Innovation Index (GII) der WIPO belegt sie zum 14. Mal in Folge den ersten Platz. Auch in europäischen Rankings steht sie an der Spitze. Grundlage dieses Erfolgs ist ein hoch effizientes Innovationsökosystem. Mit einer F&E-Quote von rund 3,4% des BIP lag die Schweiz 2023 klar über dem OECD-Schnitt von 2,7%. Besonders ausgeprägt sind die Investitionen in Life Sciences und Spitzentechnologien. Im internationalen Vergleich zählt die Schweiz zu den Spitzenreitern bei Patenten, wissenschaftlichen Publikationen und hochtechnologischen Exporten pro Kopf.
Offenheit für globale Talente und wissenschaftliche Kooperationen sowie prägende Institutionen wie ETH Zürich und EPFL stärken das Ökosystem zusätzlich. Diese Rahmenbedingungen machen die Schweiz zu einem attraktiven Standort für Forschung und Innovation – vergleichbar mit den führenden Regionen in Grossbritannien, Deutschland und Frankreich.
Zurückhaltend im Wagniskapital
Trotz aller Stärken bleibt der Venture-Capital-Sektor noch hinter dem Innovationspotenzial zurück. Im Vergleich etwa mit Massachusetts, dem «Biotech-Herz» der USA, zeigt sich eine erhebliche Lücke: Während Massachusetts 2024 Risikokapital in Höhe von rund 6,9 Milliarden Franken mobilisierte, lag die Schweiz mit 2,4 Milliarden Franken deutlich dahinter. Pro Einwohner investieren Start-ups in Massachusetts im Schnitt rund 1’115 US-Dollar, in der Schweiz hingegen etwa 270 Franken. Das entspricht einer fast viermal geringeren Risikokapitalintensität. Diese Differenz spiegelt sich auch in den «Unicorns» wider: Zwischen 2018 und 2025 entstanden in der Schweiz zehn Start-ups mit Milliardenbewertung, während in Massachusetts 64 «Unicorns» gezählt wurden. Ein wesentlicher Grund ist das schwächer ausgeprägte lokale Venture-Capital-Ökosystem in der Schweiz. In Massachusetts stellten 2024 lokale Akteure bei 85% der grössten Finanzierungsrunden das Kapital; in der Schweiz lag dieser Anteil lediglich bei 40%. Studien zufolge vervielfacht ein starker inländischer Investorenkreis das total mobilisierte Risikokapital: Historisch gesehen flossen in der Schweiz auf jeden lokal eingesammelten Franken rund 3,2 zusätzliche Franken aus dem Ausland in den Markt. Das zeigt, wie entscheidend eine starke einheimische Risikokapital-Basis ist, um internationales Kapital anzuziehen.
Zudem bringt der Mangel an Schweizer VC-Kapital praktische Nachteile. Wer auf ausländische Investoren angewiesen ist, muss häufig aufwändig in internationalen Finanzzentren pitchen, juristische Strukturen anpassen und zeitintensive Reisen in Kauf nehmen – alles Faktoren, die das Wachstum lokaler Start-ups bremsen. Ein Blick auf den Benchmark Massachusetts zeigt, dass die jährlichen Venture-Finanzierungen in der Schweiz theoretisch auf 11 Milliarden Franken steigen könnten – das Vierfache des heutigen Niveaus. Im Pro-Kopf-Vergleich entspräche dies etwa 1’500 Franken pro Einwohner und wäre mit der aktuellen F&E-Ausgabenstruktur kompatibel, die bereits etwa 43% des US-Benchmarks erreicht.
Der Weg zum globalen Venture-Hub
Schweizer Exzellenz bei Grundlagenforschung und Innovation ist längst global anerkannt. Ein strukturierter Ausbau des lokalen Venture-Kapitals wäre der nächste logische Schritt, um das Innovationspotenzial voll auszuschöpfen und die Schweiz als führenden Venture-Hub Europas zu etablieren. Mehr inländisches Kapital würde ausländische Investitionen anziehen, mehr Risikobereitschaft ermöglichen und so die Transformation von Forschungsergebnissen in erfolgreiche, international skalierende Unternehmen katalysieren. Ein gestärkter Venture-Markt wirkt als Hebel für zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung – und damit als Motor für künftige Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.