Wenn steigende Zinsen durchschlagen
Ich schreibe diesen Artikel nach einem für die Märkte turbulenten Monat, in dem der Bankensektor wieder einmal im Zentrum des Sturms stand.
Zu Recht wurden Vergleiche mit früheren Zeiten gezogen, etwa mit der globalen Finanzkrise 2008 und der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende, die ich selbst miterleben durfte. Das erinnert mich an das viel zitierte Zitat des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain: «Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.» Die Erfahrungen der Vergangenheit helfen sicherlich, den Reim zu finden. Aber um die Besonderheiten der heutigen Märkte zu erkennen, ist es hilfreich, sie mit einem frischen Blick zu betrachten. Wir können sicherlich einige Lehren aus früheren Zyklen ziehen. Dazu gehört die Erkenntnis, dass steigende Zinsen in der Regel Probleme für Wirtschaft und Märkte mit sich bringen.
Johanna Kyrklund, Group Chief Investment Officer, SchrodersHöhere Zinsen werden Leichtsinn und Spekulation offenbaren.
Es ist ungewiss, mit welcher Verzögerung sich geldpolitische Veränderungen auf die Wirtschaft auswirken. Eines ist jedoch ziemlich sicher: Höhere Zinsen werden Leichtsinn und Spekulation offenbaren. Dies führt zu einer Abkühlung der Stimmung, niedrigeren Marktbewertungen und einer allgemeinen Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivität. Zuerst stürzten Wachstumsaktien und Kryptowährungen ab, dann kam die Krise der britischen Staatsanleihen 2022. Das jüngste Opfer des Zinsanstiegs ist der einstige Liebling der Tech-Start-ups, die Silicon Valley Bank. Durch den Abzug von Einlagen war die Bank gezwungen, die Verluste aus ihrem Anleiheportfolio zu realisieren. Und während ich diese Zeilen schreibe, wirkt sich die Unsicherheit über die Finanzierungskosten der Banken sowohl auf den amerikanischen als auch auf den europäischen Bankensektor aus. Was bei steigenden Zinsen ebenfalls häufig vorkommt, ist, dass scheinbar unternehmensspezifische Probleme einen Dominoeffekt auslösen können, da die Anleger die Risiken in ihren Portfolios genauer unter die Lupe nehmen. So führten die Probleme der Silicon Valley Bank zu einer Neubewertung des Risikos bei allen US-Regionalbanken und in der Folge auch bei der Credit Suisse. Was diese Banken gemeinsam hatten, war der Rückgang der Einlagen. Dies weckt Erinnerungen an die Jahre 2007 und 2008, auch wenn die Grossbanken im Vergleich zu damals konservativer sind und über deutlich mehr Eigenkapital verfügen. Dennoch sehen wir all dies als Beleg dafür, dass die höheren Zinsen zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen führen und die Belastung der US-Regionalbanken wahrscheinlich anhalten wird. Daher bevorzugen wir im Multi-Asset-Team Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit höherer Bonität, da wir davon ausgehen, dass sich die US-Wirtschaft in diesem Jahr verlangsamen und in eine Rezession abgleiten wird. Bei Aktien bleiben wir vorsichtig. Die Bewertungen haben sich zwar verbessert, aber an der Konjunkturfront ziehen dunkle Wolken auf.
Johanna KyrklundWir gehen davon aus, dass sich die US-Wirtschaft in diesem Jahr verlangsamen und in eine Rezession abgleiten wird.
Was die historischen Parallelen betrifft, bin ich nach wie vor der Meinung, dass es sich lohnt, einen Blick auf die Zeit zwischen 2000 und 2003 zu werfen. Damals gab es eine Blase bei Wachstumsaktien, die aufgrund steigender Zinsen platzte. In der ersten Phase der Baisse (2000 bis 2001) kam es auf allen Märkten zu Kursverlusten, da die Bewertungen an die höheren Zinsen angepasst wurden. Die zweite und letzte Phase im Jahr 2002 war eher unternehmensspezifisch: Der Betrug bei Enron beispielsweise führte zu Unsicherheit über die Höhe der Unternehmensgewinne und zu einer weiteren Schwäche der Märkte. Wie heisst es so schön: «Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt geschwommen ist.» Gemeint ist, dass ein Abschwung diejenigen entlarvt, die in guten Zeiten zu hohe Risiken eingegangen sind.
Das aktuelle Marktumfeld erinnert mich an den Sommer 2002. Die Erwartungen an die Unternehmensgewinne und die Aktienbewertungen müssen meines Erachtens noch etwas angepasst werden. Andererseits sind die Kurse bereits etwas gesunken. Aber wir müssen auch daran denken, dass jeder Zyklus anders ist. Ich habe im CIO Lens viel über den Strukturwandel gesprochen und darüber, dass wir darüber nachdenken müssen, was wir in den 2010er Jahren getan haben. Und jetzt das Gegenteil tun sollten. In den 26 Jahren, in denen ich die Märkte analysiere, habe ich noch nie ein so hartnäckiges Inflationsproblem gesehen, und die US-Notenbank Fed wird möglicherweise nicht in der Lage sein, ihren Kurs so schnell zu ändern, wie es die Märkte derzeit einpreisen. An dieser Front würden Anzeichen einer Abschwächung am US-Arbeitsmarkt den Anlegern die Gewissheit geben, dass die Federal Reserve bald wieder sehr nahe an ihre Ziele herankommt. Damit würde ein wesentlicher Belastungsfaktor für die Märkte wegfallen.
All dies zeigt, wie wichtig Investitionserfahrung ist. Entscheidend ist aber auch eine integrative Unternehmenskultur, in der jüngere und ältere Anlageexperten unterschiedliche Perspektiven einbringen, um die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu meistern.