Wo liegen die neuen Gravitationszentren der Märkte?
In Zeiten hoher Marktvolatilität und Unsicherheit sollten Anleger investiert bleiben und nach neuen Diversifikationsquellen suchen.
Mehr als 100 Tage nach Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident haben viele Anleger das Gefühl, dass seine Massnahmen die Finanzmärkte auf den Kopf gestellt haben. Von immensen Zöllen gegen China bis hin zur Kritik am Fed-Vorsitzenden – Trumps Vorgehen hat die vermeintliche Stabilität der USA und ihrer Finanzwerte ins Wanken gebracht. US-Aktien, der US-Dollar und US-Staatsanleihen waren in den letzten Wochen von Volatilität betroffen. Innerhalb unserer Multi-Asset-Portfolios haben wir weitere Teile unserer Aktienanlagen von den USA in andere Teile der Welt umgeschichtet. Die jüngste Volatilität hat gezeigt, welche Risiken der stark konzentrierte US-Aktienmarkt birgt: Zehn Unternehmen machen dort etwa die Hälfte des Risikos des Large-Cap-Aktienmarktes aus. Unserer Ansicht nach könnte es jedoch aus mehreren Gründen ein Fehler sein, wenn Anleger ihr Finanzmarkt-Engagement insgesamt zurückfahren.
Investiert bleiben und diversifizieren
Erstens sind die bisherigen Marktbewegungen nicht ungewöhnlich: Zwar kann es einige Zeit dauern, bis sich die Märkte beruhigen, die ermutigende Nachricht jedoch ist, dass die aktuellen Marktbewegungen durchaus denen früherer Korrekturen entsprechen.
Greg Hirt, Global CIO Multi Asset, AllianzGIDas Ziel von Donald Trump, niedrigere Zinsen, einen schwächeren Dollar und eine stärkere Wirtschaft zu erreichen, ist unserer Ansicht nach unrealistisch.
Zweitens könnte eine Erholung in Sicht sein. In der Vergangenheit fiel häufig selbst nach starken Abverkäufen an den Märkten die anschliessende Erholung kräftig aus. So erzielten die weltweiten Aktienmärkte nach der globalen Finanzkrise im Jahr 2009 in den folgenden drei Jahren eine kumulierte Rendite von mehr als 100 Prozent.
Drittens birgt ein Ausstieg aus den Märkten Kaufkraftrisiken. Bei unruhigen Märkten mag es auf den ersten Blick klug erscheinen, an der Seitenlinie zu bleiben. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass die Vermögen der Anleger inflationsbedingte Kaufkraftverluste erleiden. Da der Preisauftrieb derzeit vielerorts überdurchschnittlich hoch ist – und das Risiko besteht, dass er weiter steigt – kann nicht angelegtes Geld an Kaufkraft verlieren.
Ein stärker umsichtiger, langfristiger Ansatz dürfte daher im aktuellen Umfeld darin bestehen, das Portfolio umzustrukturieren und neu zu positionieren. Bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren gibt es durchaus fairer bewertete Alternativen, welche Anleger aufgrund ihrer Kosten in der Vergangenheit übersehen haben.
Vier Opportunitäten ausserhalb der USA
Wo können derartige Opportunitäten in einem neuen Gleichgewicht liegen? In den kommenden Monaten dürfte die grösste Herausforderung für Anleger darin bestehen, eine allmähliche Verlagerung des Marktgeschehens weg von den USA zu bewältigen. Während des Einbruchs an den Aktienmärkten Anfang April stiegen die Renditen von US-Staatsanleihen, deren Kurse fielen also. Diese Entwicklung erschreckte viele Marktteilnehmer, da sie der historisch negativen Korrelation von Anleihen und Aktien zuwiderlief. Denn normalerweise gewinnen US-Staatsanleihen an Wert, wenn US-Aktien fallen, sodass sie bei Marktturbulenzen eine potenziell sichere Wahl sind. In letzter Zeit haben sich beide jedoch parallel entwickelt. Vor diesem stärker unberechenbaren Hintergrund suchen Anleger nach einer Diversifizierung weg von den USA. Wir sehen vier Opportunitäten. Erstens haben wir in Multi-Asset-Portfolios das Engagement im S&P 500 reduziert und stehen den europäischen Märkten positiver gegenüber. Dabei bevorzugen wir den britischen FTSE 100. Ausserhalb Europas erscheint auch der japanische Topix-Index einen Blick wert. In der Breite bevorzugen wir bei Aktien Value- gegenüber Growth-Titeln, da erstere mit einem attraktiven Abschlag zum fairen Wert gehandelt werden. Angesichts des unter Druck stehenden US-Dollars hat sich – zweitens – an den Währungsmärkten der japanische Yen als starke Diversifikationsmöglichkeit erwiesen. Infolge stetig steigender Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen beginnen immer mehr Anleger des Landes, von US-Treasuries in japanische Vermögenswerte umzuschichten, was den Yen stärkt. Drittens bevorzugen wir angesichts der jüngsten Entwicklungen an den US-Rentenmärkten europäische Anleihen. Und viertens schliesslich bleiben wir Gold gegenüber positiv eingestellt, operieren dabei aber taktisch. In den kommenden Monaten wird sich die Marktstimmung weiterhin an politischen Ankündigungen in den USA sowie an Wirtschaftsdaten orientieren. Das Ziel von Donald Trump, niedrigere Zinsen, einen schwächeren Dollar und eine stärkere Wirtschaft zu erreichen, ist unserer Ansicht nach unrealistisch.
Konservativer Risikoansatz mit breiter Streuung
Anleger müssen daher mit erneuten Volatilitätsschüben rechnen und sollten einen konservativen Risikoansatz zu verfolgen. Wenn sich die Märkte jedoch anfangen zu beruhigen und Anleger sukzessive wieder Risikopositionen aufbauen möchten, sollten sie sich möglicherweise eher für Aktien als für Hochzinsanleihen entscheiden. Denn bei letzteren könnte es sich als schwierig erweisen, im Falle einer Rezession aus den Positionen auszusteigen. Mit Blick auf Schwellenländeranleihen haben wir aufgrund von Liquiditätsrisiken und angesichts der Unsicherheit über die US-Wirtschaft das Engagement reduziert. Wir wären aber bereit, ausgewählte Positionen hinzuzufügen, sobald sich die Aussichten für einzelne Länder verbessern. Insgesamt betrachtet sollten Anleger bei einer hohen – und möglicherweise weiter zunehmenden – Volatilität mit einer breiten Streuung am besten liegen, um auf jede Veränderung der Marktbedingungen vorzubereitet zu sein.