Der Euro wird wieder zu einem Problem

Der Euro ist zum Franken unter die Marke von 1.05 gefallen. Mitte September musste noch 1.09 Franken für einen Euro bezahlt werden. Der US-Dollar blieb zum Franken dagegen stabil. Nach einer zwischenzeitlichen Schwäche hat er sich wieder auf das alte Niveau von knapp 0.93 Franken gesteigert.

Die Bewegung im CHF/EUR-Wechselkurs hat nur wenig mit einer Stärke des Frankens zu tun. Vielmehr ist es der Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem Euro. Das hilft der Schweizer Wirtschaft wenig. Trotz der Stabilität des US-Dollars ist der Franken handelsgewichtet in zwei Monaten mehr als 3% teurer geworden, da für den Aussenwert des Frankens die Relation zum Euro dominiert. Kurzfristige Bewegungen bei den Devisenkursen sind aber nicht entscheidend. Sie können sich wieder umdrehen und mit einem guten Management der Währungsrisiken geglättet werden. Problematischer ist, dass auch die mittel- und langfristigen Aussichten für den Euro nicht gut sind.

Von der Euphorie nach der Lancierung des mit 750 Mrd. Euro dotierten EU-Aufbaufonds «NextGenerationEU» und dem Hype um die wirtschaftliche Auferstehung Italiens unter Mario Draghi ist nicht mehr viel übrig.

Thomas Stucki, CIO St.Galler Kantonalbank

Von der Euphorie nach der Lancierung des mit 750 Mrd. Euro dotierten EU-Aufbaufonds «NextGenerationEU» und dem Hype um die wirtschaftliche Auferstehung Italiens unter Mario Draghi ist nicht mehr viel übrig. Die neuen Corona-Einschränkungen in verschiedenen Euroländern haben die Wachstumsaussichten getrübt. Das wird jedoch nur einen vorübergehenden Effekt haben, wie die Erfahrungen aus den letzten Teillockdowns zeigte. Stärker wirkt sich der starke Anstieg der Inflation in Deutschland auf 4.5% und in der gesamten Eurozone auf 4.1% aus. Mit hohen Inflationsraten steht die Eurozone nicht allein da. In den USA und in Grossbritannien steigen die Konsumentenpreise noch stärker. In diesen Ländern hinterlassen die Zentralbanken aber den Eindruck, dass sie das Steuer im Griff haben und bei Bedarf die nötigen geldpolitischen Schritte bis hin zu Zinser-höhungen umsetzen werden. Das kann von der EZB nicht behauptet werden.

Wie weiter bei der EZB?
Die EZB und ihre Präsidentin Lagarde scheinen vom raschen Anstieg der Inflationsraten überrascht worden zu sein. Das ging den anderen Notenbanken und den meisten Akteuren an den Finanzmärkten nicht anders. Der Anstieg der Preise und die Gründe dafür gilt es zu akzeptieren und in die Beurteilung der weiteren Entwicklung einzubeziehen. Damit scheint die EZB Mühe zu haben. Anders kann man die schon fast trotzige Aussage von Frau Lagarde, im nächsten Jahr die Zinsen sicher nicht zu erhöhen, nicht interpretieren. Wenn dann noch dazukommt, dass die schon beschlossene sachte Reduktion der Anleihenkaufprogramme zurückgenommen wird, passt das nicht ins aktuelle monetäre Umfeld. Die zusätzlichen Gelder der Anleihenkäufe sind für die Wirtschaft der Eurozone zu gering, als dass sie wirklich stimulierend wirken. Sie sind aber für die Finanzierung der schwächeren Euroländer essenziell, was das nächste und noch grössere Problem der EZB aufzeigt. Sie hat sich mit der Umgestaltung ihrer Kaufprogramme als Garant für die Schulden Italiens und der anderen finanz-schwachen Euroländer hingestellt. Diese Rolle wird sie so schnell nicht mehr los, was die Handlungsfähigkeit der EZB arg beschränkt. Die letzten Auftritte von Frau Lagarde haben diesen Eindruck leider bestätigt. Das untergräbt das Vertrauen in den Euro und macht ihn an den Devisenmärkten verletzlich.

Wenig Spielraum für die SNB
Wir sind nicht in einer Eurokrise wie zwischen 2010/11, als der Euro zum Franken von 1.50 auf 1.05 sank und die SNB den Euromindestkurs einführen musste. Aber solange die EZB das Vertrauen der Märkte nicht zurückgewinnt, wird der Euro immer wieder unter Druck geraten, was auch die Handlungsfreiheit der SNB einschränkt. Sie wird versuchen, die Aufwertung des Frankens so gut es geht zu steuern. Damit war sie in den letzten Jahren erfolgreich, ohne dass sie die gleichen Summen einsetzen musste wie früher. Bleibt der Euro unter Druck, wird es für die SNB jedoch schwierig sein, wieder eine eigenständige Zinspolitik zu führen und beispielsweise im nächsten Jahr im Schlepptau der Fed auch in der Schweiz die ersten Schritte zur Reduktion der Negativzinsen zu machen.

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