Zahme FINMA in der Angelegenheit Boris Collardi
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat die Verantwortung von Einzelpersonen für schwere Mängel in der Geldwäschereibekämpfung bei der Bank Julius Bär abgeklärt und ihre Entscheide in einer Medienmitteilung vom 21. Januar 2021 bekannt gegeben. Eine kurze Nachbetrachtung.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat ihre Untersuchung gegen ehemalige Manager der Bank Julius Bär, insbesondere im Zusammenhang mit den Korruptionsfällen in Venezuela, abgeschlossen und dabei deren Verantwortlichkeit abgeklärt. Sie hat entschieden, ein Verfahren gegen den Länderverantwortlichen zu eröffnen und nach einer Verzichtserklärung (auf weitere Bankaktivitäten) in einem weiteren Fall von einer Verfahrenseröffnung abzusehen. Die obersten zwei Personen, namentlich den vormaligen CEO der Bank, hat die Aufsichtsbehörde lediglich schriftlich gerügt.
Sanktionierungspflicht bei fehlbarem Verhalten
Die FINMA verlangt von den von ihr beaufsichtigten Instituten unter anderem klare Vorgaben im Sanktionierungswesen. Fehlbare Mitarbeitende sind zu sanktionieren. Der arbeitsrechtliche Katalog reicht von leichten (Abmahnung) bis hin zu weitreichenden Massnahmen (z.B. Kündigung). In der Feststellung vom 20. Februar letzten Jahres hat die FINMA die Bank Julius Bär im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung ausdrücklich dazu verpflichtet, ihre Sanktionspolitik anzupassen, d.h. zu verschärfen. Die Bank ist dieser Vorgabe gefolgt und hat sich auf tieferer Stufe von verschiedenen Mitarbeitenden getrennt.
Der vormalige CEO Boris Collardi und heutige Partner der Genfer Privatbank Pictet hatte die Bank zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen, weshalb arbeitsrechtliche Sanktionen von Vornherein nur beschränkt möglich waren. Darüber hinaus werden Sanktionen gegenüber dem obersten Management generell meist nur zögerlich, falls überhaupt, an die Hand genommen, und man belässt es in der Regel bei Massnahmen auf subalterner Stufe. Das System vertraut darauf, dass in diesen Fällen nicht zuletzt die Aufsichtsbehörde angemessene Sanktionen oder Anordnungen trifft.
FINMA sieht keine Grundlage für ein Berufsverbot
In ihrer Mitteilung hält die FINMA folgendes fest: «Für ein Berufsverbot muss die FINMA einer Person eine direkte, individuelle und kausale Verantwortung für die schwere Verletzung von Aufsichtsrecht nachweisen können. Es braucht erwiesene Pflichtwidrigkeiten, die konkret zu diesen Verletzungen geführt haben. Es genügt aufsichtsrechtlich hingegen nicht, eine Verantwortung für Gesetzesverletzungen allein aus der hierarchischen Stufe oder Position oder von strategischen Richtungsentscheiden einer Person abzuleiten. Im Falle der zwei gerügten Führungspersonen ist es zwar zu Fehlern gekommen, genügende Hinweise für eine direkte, kausale Verantwortung für die schwere Verletzung von Aufsichtsrecht liegen aber nicht vor.» Die FINMA hat aus diesen Gründen kein Berufsverbot für Boris Collardi ausgesprochen.
Breiter Massnahmenkatalog der FINMA
Die juristische Erklärung ist soweit nachvollziehbar. Im Rahmen der Untersuchung sind offenbar keine Dokumente (Mails, Unterlagen usw.) oder andere Beweise zu Tage getreten, die den ehemaligen CEO der Bank Julius Bär direkt belasten. Abgesehen von einem Berufsverbot für Gewährsträger sieht der aufsichtsrechtliche Massnahmenkatalog allerdings auch andere, weniger weitgehende Sanktionen vor. So kann die FINMA beispielsweise den Gewinn (z.B. Bonus oder Teile davon) einziehen, den eine verantwortliche Person in leitender Stellung aufgrund einer Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen erzielt hat. Von einem solchen Schritt hat die FINMA ebenfalls abgesehen.
Neue Chance, neues Glück
Das Ergebnis ist unbefriedigend und führt dazu, dass die Angelegenheit für Boris Collardi – als Nutzniesser eines von Wachstum getriebenen Vergütungssystems und trotz weiterer regulatorischer Verstösse während seiner Amtszeit (u.a. Petrobras, FIFA) – auch finanziell ohne Nachteile bleibt. Ganz nach dem Motto: Neue Chance, neues Glück (bei Pictet).