Kreislaufwirtschaft: Warum man Müll nicht verschwenden sollte

Jedes Jahr werfen wir 300 Millionen Tonnen Plastik, 50 Millionen Tonnen Elektronikabfälle und 33 Prozent aller Lebensmittel weg – es ist erstaunlich, dass wir überhaupt noch Zeit haben, an etwas anderes als Abfall zu denken. Es lässt sich nicht verleugnen: Wir haben auf diesem Planeten ein Abfallproblem.

Schauen wir uns die schmutzige Wahrheit etwas genauer an, um einen besseren Eindruck des Problems zu bekommen, mit dem wir es zu tun haben. Laut Forschungsergebnissen, die erstmals am 9. Dezember 2020 in Nature veröffentlicht wurden, dürfte die Menge an Gegenständen, die Menschen aus Beton, Glas, Metall, Plastik, Textilien, Elektronik usw. hergestellt haben, vermutlich mehr als 1,1 Billionen Tonnen wiegen – das entspricht der Masse aller Lebewesen auf der Erde. Und durch das Bevölkerungswachstum sowie die industrielle und die technologische Revolution gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Wachstumsgeschwindigkeit menschengemachter Produkte verlangsamen wird.

Im Jahr 2020 wuchs die anthropogene Masse um 30 Milliarden Tonnen pro Jahr.

Alexis Deladerrière, Leiter International Developed Markets Equity, Goldman Sachs Asset Management

Zum Vergleich: Anfang des 20. Jahrhunderts betrug die Masse dessen, was von Menschen hergestellt wurde, etwa 3 Prozent der gesamten globalen Biomasse, nämlich 35 Milliarden Tonnen. Im Jahr 2020 wuchs die anthropogene Masse um 30 Milliarden Tonnen pro Jahr. Das entspricht in etwa der Masse, die entstehen würde, wenn jeder Mensch auf der Erde jede Woche mehr als sein Eigengewicht an Masse produzieren würde. Mehr Zeug bedeutet auch mehr Müll.

Auf die Grösse kommt es an – aber auch auf das Einkommen
Laut Weltbank entstehen jedes Jahr 2,01 Milliarden Tonnen an kommunalem Müll. Das heisst, dass rund 7 Prozent von allem, was wir jedes Jahr produzieren, zu Müll wird. Errechnet man den weltweiten Durchschnitt, dann beläuft sich die Pro-Kopf-Menge an erzeugtem Abfall auf etwa 270 kg pro Jahr. Es überrascht nicht, dass einkommensstärkere Länder, die nur etwa 16 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, den meisten Abfall erzeugen – 34 Prozent der weltweiten Gesamtmenge. Auch die Zusammensetzung des Abfalls hängt vom Einkommen ab. Länder mit niedrigem bis mittlerem Einkommen produzieren mehr Lebensmittel- und Grünabfall (57 beziehungsweise 53 Prozent), während einkommensstärkere Länder für etwa die Hälfte der «trockenen Abfälle»verantwortlich sind, wozu auch Abfall zählt, der recycelt werden kann, wie Plastik, Metall, Glas, Papier und Karton. Wie aus Grafik 1 hervorgeht, landet weltweit immer noch eine ganze Menge, nämlich 37 Prozent, auf Mülldeponien und nur 8 Prozent kommen in geordnete Mülldeponien mit Gaserfassungssystemen. Gerade einmal 20 Prozent werden durch Kompostierung und Recycling wiederverwendet, während 11 Prozent in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Das heisst, dass mehr als 30 Prozent auf offenen Müllhalden landen.

Weltweite Müllzusammensetzung und Abfallaufbereitungsmethoden Bildnachweis: Weltbank. Die Zahlen ergeben wegen Auf- bzw. Abrundung möglicherweise nicht 100 Prozent. Stand: 2018.

Hinzu kommt, dass eine Menge Müll in den Weltmeeren landet. Einige Wissenschaftler glauben, dass bis 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren sein könnte. Und wenn man von den globalen Wirtschaftstrends ausgeht, wird der weltweit jährlich erzeugte Abfall voraussichtlich mehr als doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung wachsen und bis 2050 3,4 Milliarden Tonnen erreichen. In einkommensstarken Ländern wird die Müllproduktion vermutlich um 19 Prozent steigen, während die Wachstumsraten in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen infolge ihres Wirtschaftswachstums auf 40 Prozent oder sogar noch mehr geschätzt werden. Auch die soziale Gerechtigkeit ist von diesem Problem betroffen. Der Müll und die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen (TGE) können zwar die Gesundheit und Sicherheit aller gefährden, doch junge Menschen und einkommensschwache Länder werden voraussichtlich am meisten darunter leiden. Laut der Weltbank werden einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen vermutlich am meisten durch das weltweite Müllproblem beeinträchtigt werden, weil angemessene Abfallaufbereitungs- und ‑entsorgungstechnologien fast nur in Ländern mit mittleren und hohen Einkommen verfügbar sind. Zudem gibt es in einkommensschwächeren Ländern meist offene Müllhalden; 93 Prozent des Mülls in einkommensschwachen Ländern landet dort, in einkommensstarken Ländern sind es dagegen nur 2 Prozent.

Prognostizierte Müllproduktion nach Region Bildnachweis: Quelle: Weltbank. Stand: 2018.

Lösungen für eine Kreislaufwirtschaft: Müll in Bares verwandeln
Das Müllproblem auf unserem Planeten ist zwar riesig und wächst weiter, aber es besteht die Hoffnung auf einen Wandel der derzeitigen Wegwerf-Mentalität – und gerade hier können Unternehmen der Kreislaufwirtschaft unserer Ansicht nach eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir zum Beispiel Kunststoffe, die rund 12 Prozent des weltweiten Abfalls darstellen, aber zu den wichtigsten Ursachen der Umweltverschmutzung auf der Erde und ganz besonders in den Meeren zählen. Kompostierbare Biokunststoffe können statt petrochemischer Kunststoffe verwendet werden, um ein breites Spektrum an Produkten herzustellen, von Strohhalmen, Bechern und Flaschen bis hin zu Einkaufstaschen, Spielwaren, Windelfolie und mehr. Auch Recycling (mechanisch und chemisch) sowie eine effektivere Entsorgung (Plastik durch ein chemisches Verfahren in Kraftstoff umwandeln) gehören zu den Lösungen. Durch eine Umsetzung solcher Lösungen in grossem Massstab könnte sich der Anteil von «verschwendetem» Plastik reduzieren.

Plastik ist aber nicht das einzige Problem. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das bezaubernde Abendkleid von heute schon morgen zum Weltmüll gehört. Durch zunehmend übermässiges Konsumverhalten sind Millionen Tonnen an Textilabfall entstanden, denn etwa 80 Prozent der weggeworfenen Kleidung füllen fast 5 Prozent der Deponiekapazitäten in Industrieländern. Und noch ein Fakt, der vielleicht nicht ganz so glamourös ist: Die Mode-/Bekleidungs-/Textilbranche ist für rund 10 Prozent der menschlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Aber – um es im Modejargon auszudrücken – was, wenn Müll das neue «Schwarz» wäre? Wir verfügen heute bereits über Technologien, um Textilabfall in einen löslichen Zellstoff zu verwandeln, der in Ballen gepresst und als Ersatz für Stoffe wie Baumwolle, Öl, Wolle und andere Materialien auf Erdölbasis wie Polyester verwendet werden kann. Das ist wichtig, denn durch jedes Kilo an Bekleidung, das recycelt wird, reduzieren sich die Landnutzung, die Abfallerzeugung, die Plastikverschmutzung sowie die CO2- und Chemikalienemissionen.

Nicht nur für den Planeten sind diese Technologien ein gutes Zeichen. Sie bieten zudem Anlegern die Chance, Anlagemöglichkeiten im Bereich neuer und innovativer Technologien zu nutzen, die den Wandel zu einer echten Kreislaufwirtschaft beschleunigen können. Aber es geht nicht nur darum, aus Müll Bares zu machen. Unserer Ansicht nach gehört eine aktive Investmentstrategie, die die wesentlichen Faktoren Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) berücksichtigt, zu den besten Möglichkeiten, die Umwelt positiv zu beeinflussen. Denn, wie wir alle wissen, gibt es keinen Planeten B – zumindest jetzt noch nicht.

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