Was das Inflationsgeschehen für Ihre Anlage bedeutet

Die Weltwirtschaft erholt sich zwar langsam von der Covid-19-Epidemie, doch Angebot und Nachfrage haben ihr Gleichgewicht längst noch nicht wiedergefunden. Die angestaute Nachfrage einerseits und Angebotsengpässe andererseits haben die Inflationszahlen in der ersten Jahreshälfte 2021 in wichtigen Märkten nach oben getrieben. Einige Anleger befürchten nun womöglich, dass die Inflation sich negativ auf ihre Obligationenallokation auswirkt.

Es gibt jedoch zwei Gründe, warum diese Sorge fehl am Platze sein könnte. Zum einen zeigen unsere Studien, dass Staatsanleihen auch dann eine wichtige Rolle in einem ausgewogenen Portfolio spielen, wenn die Rendite gedämpft ist. Zum anderen glauben wir nicht, dass die erhöhte Inflation von Dauer ist. In den USA ist die Teuerungskurve zuletzt schon abgeflacht, und wir rechnen im Euroraum in den kommenden Monaten mit einer ähnlichen Entwicklung.

Pandemie-Effekte haben Inflation angefacht
In der ersten Jahreshälfte sind die Preise rund um den Globus gestiegen, da sich die Nachfrage normalisierte, während bei Waren, Dienstleistungen und sogar Arbeitskräften weiterhin ein Mangel herrschte. Die Verbraucherpreise in den USA schossen auf über fünf Prozent. Jüngst schwächte sich die Teuerung jedoch gemäss den Erwartungen unserer Ökonomen deutlich ab. Im Euroraum stieg die Inflation im August auf drei Prozent an. Wir rechnen damit, dass diese noch etwas weiter steigen wird, erwarten jedoch, dass sie in der zweiten Jahreshälfte 2021 einen Höhepunkt irgendwo zwischen drei und 3,5 Prozent erreicht.

Im Euroraum stieg die Inflation im August auf drei Prozent an. Wir rechnen damit, dass diese noch etwas weiter steigen wird, erwarten jedoch, dass sie in der zweiten Jahrehälfte 2021 einen Höhepunkt irgendwo zwischen drei und 3,5 Prozent erreicht.

Giulio Renzi-Ricci, Senior Investment Strategist, Vanguard

Die Triebkräfte hinter der Preisentwicklung sind im Euroraum und den USA ganz ähnlich: höhere Energiepreise, Engpässe bei Zwischenprodukten und eine Erholung der Nachfrage durch die Lockerung der Infektionsschuztmassnahmen. Wir rechnen jedoch damit, dass die Inflationsrate bis Ende 2022 wieder auf rund 1,5 Prozent fällt. Bis dahin verschwinden Steuereffekte aus dem Vorjahresvergleich, und die Steigerung der Einkaufspreise sollte an Fahrt verlieren.

Was das für Investoren bedeutet
Inflation nagt nicht nur am Nennwert einer Obligation. Sie veranlasst Zentralbanken allenfalls auch dazu, ihre Geldpolitik enger zu fassen und die Zinsen anzuheben, was wiederum die Renditen von Obligationen nach oben treibt. Das könnte Anlegern mit einer Staatsanleihen-Position im Depot Sorgen machen, denn steigt das Zinsniveau, fallen die Preise von Obligationen. Die Hauptaufgabe von Staatsanleihen in einem langfristig ausgerichteten Mischportfolio ist es jedoch, Schwankungen in der Aktienposition abzufedern. Staatsanleihen sind nicht da, um für Rendite zu sorgen. Unsere Analyse der Marktentwicklungen der vergangenen 20 Jahre bestätigt, dass zwischen Aktien und Obligationen eine negative Korrelation besteht. Je länger die Aktienmärkte fallen, desto eher spielen Obligationen zudem eine stabilisierende Rolle in einem Portfolio1. Das trifft ganz unabhängig vom Zinsniveau zu.

In einigen Fällen fallen Obligationen und Aktien auch gleichzeitig. Zuletzt war das beim «Covid-Abverkauf» im März 2020 der Fall. Unsere Studien zeigen, dass die beiden Anlageklassen rund 30 Prozent der Zeit gleichzeitig fallen, in der Regel jedoch aufgrund kurzlebiger Faktoren. Sobald die Märkte die Gelegenheit hatten, die geldpolitische Reaktion auf ein Marktereignis einzupreisen, wurde die negative Korrelation wiederhergestellt. Ausserdem konnten wir bei unseren Untersuchungen im festverzinslichen Bereich keine bessere Alternative zu Staatsanleihen finden, wenn es darum geht, ein Portfolio zu einem gewissen Grad von Aktienrisiken zu schützen. Obligationen mit höheren Renditen bergen meist auch höhere Risiken und weisen oft auch eine höhere Korrelation mit Aktien auf.

Eine ausgewogene Anlagestrategie sollte eine angemessene Mischung aus Renditechancen und Schutz vor Risiken bieten, und das über verschiedene Marktphasen hinweg. Stossdämpfer wie Staatsanleihen spielen eine ebenso wichtige Rolle in einem Portfolio wie Renditetreiber. Mit einer diversifizierten Obligationenposition, etwa in Form eines Indexfonds, können Anleger ihr Portfolio zudem besonders gut stabilisieren, da Risiken breit gestreut werden. Die Prinzipien einer umsichtigen Portfoliostrukturierung aufzugeben ist das letzte, was Anleger tun sollten.

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