E-Commerce Südostasien: Einen Gang höher geschaltet

Die COVID-19-Pandemie hat die Verbreitung des Internets in Südostasien beschleunigt. Ähnlich hatte sich vor mehr als zehn Jahren auch der Ausbruch des SARS1-Virus auf die Digitalisierung in China ausgewirkt. Südostasien ist reif für die E-Transformation.

Zu den Faktoren, die den Internetdiensten in der Region Auftrieb verleihen, zählen die Präferenz junger Menschen für mobile Technologien, die immer besseren Kommunikationsnetze sowie erschwingliche Smartphones. Die sechs grössten Volkswirtschaften der Region (Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) verzeichneten allein im Jahr 2020 40 Millionen neue Internetnutzer. Die Gesamtzahl der Nutzer wuchs damit auf 400 Millionen, was einem Anstieg um elf Prozent gegenüber 2019 entspricht. Die Menschen, die neue digitale Dienste zum ersten Mal ausprobierten, gaben zu 94 Prozent an, mindestens einen der Dienste nach der Pandemie weiter nutzen zu wollen.

Die sechs grössten Volkswirtschaften der Region verzeichneten allein im Jahr 2020 40 Millionen neue Internetnutzer. Die Gesamtzahl der Nutzer wuchs damit auf 400 Millionen, was einem Anstieg um elf Prozent gegenüber 2019 entspricht.

Claus Born, Investmentstratege, Franklin Templeton

Zur Analyse des Digitalisierungspfads von Südostasien schauen die Anleger nach China. Dort markierte der Ausbruch des SARS-Virus im Jahr 2003 den Beginn der Erfolgsgeschichte des E-Commerce und anderer Internetdienste. Beispielsweise führte die in China ansässige Alibaba Group ihre Online-Einkaufsplattform Taobao während der SARS-Epidemie ein. Letztes Jahr erzielten Taobao und andere Plattformen von Alibaba allein bei der jährlich stattfindenden Shopping-Aktion namens «Singles’ Day» einen Umsatz von 74,1 Mrd. US-Dollar. Schon vor COVID-19 nahm die Internetnutzung in Südostasien zu. Gründe für die digitale Revolution, die über den Desktop- und Laptop-Bereich hinausgeht, sind die bessere Internetanbindung, die immer erschwinglicheren modernen Smartphones sowie die Präferenz von immer mehr jungen Menschen für mobile Technologien.

E-Commerce ist eines der ersten und am stärksten umkämpften Schlachtfelder in der südostasiatischen Internetbranche.

Claus Born

In unseren Augen bietet die digitale Wirtschaft Südostasiens enorme Chancen. Diese Region besteht aus ganz unterschiedlichen Ländern, die sich auf verschiedenen Entwicklungsstufen befinden. Der riesige Zielmarkt mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von insgesamt rund 3 Billionen US-Dollar ist etwas grösser als Indien. Ungefähr 585 Millionen Menschen leben in der Region, und die wachsende Mittelschicht wartet nur darauf, ihr Geld auszugeben.

E-Commerce: Mehr Konsumgelegenheiten
Der E-Commerce ist eines der ersten und am stärksten umkämpften Schlachtfelder in der südostasiatischen Internetbranche. Der Bruttowarenwert in der Region stieg im Jahr 2020 sprunghaft auf 62 Milliarden US-Dollar an und wird laut Prognosen bis 2025 auf 172 Milliarden US-Dollar anwachsen. Bislang wirkt die Durchdringungsrate des E-Commerce in Südostasien noch niedrig. Im Jahr 2020 betrug sie rund sechs Prozent, während China bereits die 20-Prozent-Marke durchbrochen hatte.

Die E-Commerce-Welle hat den Einzelhandel bereits verändert und viele etablierte Anbieter vor Probleme gestellt. Einzelhandelsgeschäfte vor Ort verlieren Marktanteile. Multinationale Unternehmen, die traditionelle Vertriebskanäle nutzen, um den privaten Konsum zu dominieren, erhalten zunehmend Konkurrenz von kleinen, flexiblen lokalen Unternehmen, die die Online-Nachfrage bedienen.

Doch auch innerhalb des E-Commerce-Segments kommt es zu Veränderungen, und verschiedene neue Geschäftsmodelle sind auf dem Vormarsch. Neben herkömmlichen Shopping-Plattformen wie Lazada und Shopee (von Alibaba bzw. Sea Limited) entwickeln sich Livestreams und andere Kanäle von sozialen Medien zu neuen Instrumenten der Umsatzgenerierung. Zugleich gibt es das Modell, bei dem der Komfort von Online-Diensten mit Offline-Angeboten vor Ort verknüpft wird. Dieses Modell ist besonders für weniger urbanisierte Gegenden und für weniger technikaffine demografische Gruppen von Bedeutung. Zum Beispiel kooperieren in Indonesien Akteure aus dem E-Commerce mit kleinen Familienunternehmen (sogenannten «Warungs»), um digitale Dienstleistungen wie das Aufladen von Mobilfunk-Guthaben oder die Zahlung von Rechnungen anzubieten.