Aktionärs-Aktivismus wird in der Schweiz in den Jahren 2023 und 2024 zunehmen

Das Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal (A&M) hat die Ergebnisse seiner neuesten Analyse und Vorhersage über Aktionärs-Aktivismus in Europa für die nächsten 18 Monaten veröffentlicht, den «A&M Activist Alert».

Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern hat die Schweiz in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 einen Anstieg aktivistischer Kampagnen verzeichnet. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass aktivistische Fonds wie Petrus Advisers und Third Point Partners entweder neu oder wieder in den Schweizer Markt eingestiegen sind. Die Autoren des Berichts haben 12 börsenkotierte Unternehmen identifiziert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen November 2022 und Mai 2024 Ziel aktivistischer Angriffe werden könnten – dies gegenüber 11 Unternehmen im letzten Bericht, der im April 2022 veröffentlicht wurde.

Die Anzahl von aktivistischen Fonds in Europa nimmt stetig zu
Der Bericht hat im gesamten europäischen Markt 144 Unternehmen identifiziert, welche bis Mitte 2024 mit hoher Wahrscheinlichkeit für aktivistische Angriffe anfällig sind. Im letzten Bericht waren dies noch 155 Unternehmen. Dieser Rückgang kann durch eine Kombination aus Inflation, Rezession sowie der energie- und geopolitischen Krise erklärt werden. Die Autoren der Studie gehen jedoch davon aus, dass der Aktionärs-Aktivismus wieder zunehmen wird, sobald sich die wirtschaftlichen Unsicherheiten gelegt haben. Dies wird zum Teil auf die ständig steigende Anzahl von Fonds zurückzuführen sein, die aktivistische Strategien in Europa anwenden. A&M stellt derzeit 96 solcher Fonds fest, gegenüber 93 im Jahr 2021 und 89 im Jahr 2020. Aktivistische Fonds und ihre Taktiken werden vermehrt von Shareholdern europäischer Unternehmen akzeptiert, da ihre Herangehensweise als konstruktiv wahrgenommen wird und sie sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Diese neuen aktivistischen Investoren kommen vor allem aus Europa, in erster Linie aus Grossbritannien, was einen Rückgang von aktivistischen Akteuren aus den USA bedeutet. Die Autoren stellen zudem fest, dass eine kleine, aber wachsende Zahl von Fonds mit Sitz im asiatisch-pazifischen Raum neu europäische Unternehmen ins Visier nehmen.

Unternehmen stehen vermehrt unter Druck die Rendite auf das investierte Kapital zu erhöhen. Sollten sie dies nicht erreichen, könnte von ihnen gefordert werden, leistungsschwache Unternehmensteile zu veräussern und/oder Kapital an die Aktionäre zurückzugeben.

«A&M Activist Alert» von Alvarez & Marsal

Das neue Schweizer Gesellschaftsrecht kommt Aktivisten entgegen
Im Durchschnitt haben die in der Schweiz börsenkotierten Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Konkurrenten in Bezug auf die Rendite des eingesetzten Kapitals, des Kapitalumschlags (Asset Turnover) und den Gewinn je Aktie, gut abgeschnitten. Sie sind aber weniger erfolgreich bei der Maximierung der Aktionärsrendite und der Erhöhung der Betriebs- und Cashflow-Margen gewesen. Diese Bereiche werden wahrscheinlich im Mittelpunkt des Interesses aktivistischer Investoren stehen. Auch die Reform des Schweizer Gesellschaftsrechts, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, wird die Rechte der Aktionäre stärken und die Schweiz zu einem attraktiveren Markt für Aktivisten machen. Zu den Änderungen im Rahmen des neuen Gesetzes gehören die Senkung des Schwellenwerts für die Einberufung einer Aktionärsversammlung von 10% auf 5% der Stimmrechtsanteile, die Senkung des erforderlichen Quorums für die Aufnahme eines Tagesordnungspunkts in die Aktionärsversammlung, die Stärkung der Informationsrechte und die Einführung des Erfordernisses der Zustimmung der Aktionäre für eine Dekotierung.

Umwelt- und sozialpolitische Kampagnen nehmen nicht ab
Die Kampagnen mit Schwerpunkt Umwelt und Soziales werden voraussichtlich bis Ende 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 22% bzw. 14% zunehmen. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne von Bluebell Capital Partners, die Glencore dazu bringen soll, seine Braunkohleanlagen zu veräussern. A&M prognostiziert, dass die Anzahl der Umwelt- und sozialpolitischen Kampagnen in den Jahren 2023 und 2024, weiter steigen wird.

Europäische Konsumgüter- und Industrieunternehmen stehen im Fokus
In der Schweiz werden sich die Kampagnen hauptsächlich auf Industrie-, Technologie-, Konsumgüter-, Gesundheits- und Materialunternehmen konzentrieren und zwar in dieser Reihenfolge. Im gesamten europäischen Markt wird erwartet, dass Konsumgüterunternehmen weiterhin ihre Attraktivität behalten und neu Industrieunternehmen unter Druck stehen werden, denn Letztere verzeichneten einen Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit und stehen ebenfalls vor steigenden Kapitalkosten. In anderen Ländern könnten zudem einige Technologie- und Gesundheitsunternehmen unter Druck geraten, ihre Kosten zu senken und ihre Leistung zu verbessern. Unternehmen stehen vermehrt unter Druck die Rendite auf das investierte Kapital zu erhöhen. Sollten sie dies nicht erreichen, könnte von ihnen gefordert werden, leistungsschwache Unternehmensteile zu veräussern und/oder Kapital an die Aktionäre zurückzugeben. Für interessierte Käufer sind die höheren Kreditkosten allerdings auch eine Herausforderung.

Der detaillierte «A&M Activist Alert» von Alvarez & Marsal findet sich hier.

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