Für eine Europäische Transformation muss nachhaltiges Investieren leichter werden

Europa hat sich in Zeiten der Krise immer wieder verändert. Aktuell sehen wir allerdings eine massive Ballung konjunktureller und struktureller Herausforderungen – der Angriffskrieg in der Ukraine, der Klimawandel, die Alterung der Bevölkerung, die Gesundheits- und Energiekrise und die strategische Abhängigkeit von Asien bei wichtigen Rohstoffen. Dadurch ist das Fundament des europäischen Wohlstands und der Sicherheit nicht länger zukunftsfähig.

Europäische Unternehmen müssen die vor ihnen liegenden strukturellen Herausforderungen, die durch ein stagflationäres Umfeld mit steigenden Zinssätzen noch verschärft werden, erst noch vollends realisieren und in Angriff nehmen. Auch Anlegern kommt bei der Bewältigung dieser vielfältigen Herausforderungen eine wichtige Rolle zu. Die meisten geben an, einen langfristigen Anlagehorizont zu verfolgen. An börsennotierten Märkten sind die Anreize jedoch eher auf die kurzfristige, relative finanzielle Performanz ausgerichtet. Die immensen Sparguthaben in Europa fliessen eher nicht in produktive, nachhaltige und transformative Aktivitäten und erzielen obendrein Renditen unterhalb der Inflationsrate. Die europäische Finanzregulierung als wichtige Stellschraube ist zudem von der Erkenntnis getrieben, dass Kapital schädliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft hat.

Die immensen Sparguthaben in Europa fliessen eher nicht in produktive, nachhaltige und transformative Aktivitäten und erzielen obendrein Renditen unterhalb der Inflationsrate.

Francesco Curto, Global Head of Research, DWS

Darüber hinaus werden Anleger, die mit ihrem Kapital eine nachhaltige, transformative Rolle in der Gesellschaft spielen wollen, benachteiligt, da sie im Vergleich zu traditionellen Investmentfonds höhere Kosten zu tragen haben. Viele nachhaltige Produkte veräussern kohlenstoffintensive Unternehmen oder erwerben Immobilien, die bereits vergleichsweise umweltfreundlich sind, anstatt das Kapital und ihren Einfluss als Aktionär zu nutzen, um reale soziale und ökologische Verbesserungen zu erreichen.

Wenn Europa das gleiche (oder idealerweise ein höheres) Niveau an nachhaltigem Wohlstand wie in den letzten Jahrzehnten erhalten will, ist jetzt ein tiefgreifender Wandel seitens der politischen Entscheidungsträger, Finanzinstitute und Unternehmen erforderlich. Insbesondere erfordert dies einen Rahmen, der den nachhaltigen Investor in Europa dem klassischen Finanzinvestor mindestens ebenbürtig macht. Dazu empfehlen wir beispielsweise, dass sich Infrastruktur- und Immobilieninvestitionen an steuerlich effizienten Finanzierungsstrukturen orientieren, wie sie in den Vereinigten Staaten häufig verwendet werden.

Investoren und Unternehmen sollten sich nicht hinter der Regulierung verstecken.

Francesco Curto

Investoren und Unternehmen sollten sich jedoch nicht hinter der Regulierung verstecken. Um ein hohes Mass an nachhaltigem Wohlstand zu gewährleisten, muss Europa 2023 aktiv seine wirtschaftliche, finanzielle und politische Handlungsfähigkeit verbessern, um sich für die Zukunft fit zu machen. Die Umgestaltung Europas mag politisch erscheinen. Man darf jedoch nicht die Rolle unterschätzen, welche Investoren bei dieser Transformation spielen bzw. einnehmen müssen.

Hauptbildnachweis: Freepik