Jerome Powell: So glaubwürdig wie ein Gebrauchtwagenhändler

Der historische Einbruch am Rentenmarkt ist auch seinem Profil geschuldet: lange Laufzeiten und niedrige Kupons. Letzteres hat sich geändert, das öffnet Chancen.

Vor rund einem Jahr fragte der scheidende Senator von Pennsylvania, Pat Toomey, den Vorsitzenden der Federal Reserve (Fed), Jerome Powell frech: «Wie lange muss die Inflation noch über ihr Ziel steigen, bevor die Fed entscheidet, dass sie vielleicht nicht so vorübergehend ist?» Als Antwort räumte Powell ein, dass der November 2021 «wahrscheinlich ein guter Zeitpunkt» sei, das Wort «vorübergehend» in Zukunft zu vermeiden und «klarer zu erklären, was wir meinen».

Die Inflation und ihre tatsächlichen Auswirkungen auf Haushalte zu prognostizieren war immer schon um einiges schwieriger, als glaubwürdig klingende Marktnarrative zu entwickeln.

Christian Scherrmann, US-Ökonom, DWS

Ein Jahr später ist das Wort zurück und damit auch ein Teil der Verwirrung, das es bei Anlegern zu verursachen pflegt. Nehmen wir die US-Gebrauchtwagenpreise, die 2021 in die Höhe schnellten. Wie die untenstehende Grafik von DWS zeigt, sind die Grosshandelspreise jetzt im Jahresvergleich rückläufig. Das passt zur Idee, dass der Aufwärtsdruck auf die Preise langlebiger Güter im Allgemeinen nun endlich nachlassen sollte, je mehr der Covid-Schock – zumindest ausserhalb Chinas – und die damit verbundenen Unterbrechungen der globalen Lieferketten in die Vergangenheit rückt. Wie die Grafik zudem zeigt, läuft der MUVVI der Gebrauchtwagen-Komponente des US-Verbraucherpreisindex (CPI) typischerweise um etwa zwei Monate voraus. Nach den überraschend moderaten CPI-Werten vom Oktober scheint der MUVVI für die kommenden Monate weiter Positives zu verheissen.

Die Grosshandelspreise für Gebrauchtwagen sind endlich rückläufig, aber diese gute Nachricht sollte mit Blick auf die allgemeinen US-Inflationszahlen auch nicht überinterpretiert werden:

Zugegebenermassen machen Gebrauchtwagen etwa vier Prozent des CPI-Warenkorbs aus. Die Preise für Neuwagen, die ungefähr die gleiche Gewichtung haben, steigen im Jahresvergleich immer noch um 9,6 Prozent, was teilweise auf höhere Rohstoffkosten zurückzuführen ist. Mit einer Kernrate – nach Ausklammerung der volatilen Lebensmittel- und Energiepreise – von 6,3 Prozent bleibt der Preisdruck jedoch viel zu hoch. Zumindest in den USA und auf der Kernebene kann der diesjährige Inflationsanstieg auch nicht allein auf Wladimir Putins Invasion in der Ukraine im Februar und die anhaltende Störung der globalen Energie- und Lebensmittelmärkte zurückgeführt werden.

Ein genauerer Blick auf die Grafik zeigt ausserdem, dass die Vorhersagekraft des MUVVI für die Gebrauchtwagenpreise des CPI auf längere Sicht gar nicht immer so zuverlässig war. Das überrascht auch nicht, da historische Korrelationen – sei es bei der Prognose von Autopreisen oder Mietkosten – kein Ersatz dafür sind, sich gründlich mit der zugrunde liegenden mikroökonomischen Dynamik der betreffenden Ware oder Dienstleistung zu befassen. Wie hartnäckig werden sich beispielsweise Änderungen im Fahrverhalten der Haushalte erweisen, wenn es darum geht, öffentliche Verkehrsmittel wie während der Pandemie zu meiden und in ländliche Gebiete zu ziehen? Welche längerfristigen Auswirkungen auf die Gebrauchtwagenpreise werden die Produktionsentscheidungen vieler Autohersteller während der Pandemie haben, knappe Chips vorzugsweise für teurere statt für günstige Fahrzeuge zu verwenden?

Schliesslich sind CPIs kein besonders gutes Mittel, um das volle Ausmass steigender Kosten für ärmere Haushalte abzuschätzen. Insbesondere, wenn es sich um lebensnotwendige Konsumgüter handelt, für die es keine Substitute gibt. «Die Inflation und ihre tatsächlichen Auswirkungen auf Haushalte zu prognostizieren war immer schon um einiges schwieriger, als glaubwürdig klingende Marktnarrative zu entwickeln. Die zahlreichen Schocks, die wir seit 2020 erlebt haben, haben das noch viel schwieriger gemacht», betont Christian Scherrmann, US-Ökonom bei DWS.

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