Die nächsten 12 Monate bleiben knifflig

Insbesondere die EZB dürfte noch kräftiger an der Zinsschraube drehen, als viele erwarten. Kein einfaches Umfeld, wie neue strategische Prognosen zeigen.

Alan Greenspan, Vorsitzender der US-Notenbank von 1987 bis 2006, bemerkte einmal: «Wir können wirklich nicht so gut prognostizieren, und doch tun wir so, als könnten wir es, aber wir können es wirklich nicht.» Natürlich würde es zu kurz greifen, die menschliche Natur, geschweige denn die Fed-Politik, für die zahlreichen Fehlprognosen im bisherigen Jahresverlauf verantwortlich zu machen. Jetzt blicken dieses Wochenende wieder viele Marktteilnehmer auf das Treffen der Zentralbanken in Jackson Hole. Ein guter Zeitpunkt also um daran zu erinnern, wie schwierig Prognosen sind, selbst für Notenbanker. Letztes Jahr um diese Zeit tat die Fed, wie die meisten ihrer Pendants, die Inflation noch als «vorübergehend» ab. Um Weihnachten herum ging sie zu einer restriktiveren Haltung über, die seither die Märkte verunsichert.

Wirtschafts- und Marktprognosen von DWS:

In ihrer revidierten 12-Monats-Prognosen gehen die Anlage-Experten von DWS davon aus, dass die Notenbanken die geldpolitischen Zügel weiter aggressiver straffen werden, als viele Marktteilnehmer, insbesondere in Europa, erwarten. Einige der wichtigsten Auswirkungen dieses neuen Ausblicks sind in der obigen Grafik dargestellt. Kurz gesagt ist zu befürchten, dass das inflationsbereinigte – also reale – Wirtschaftswachstum weiterhin ins Stocken geraten wird. Dagegen dürfte die Inflation hartnäckig deutlich über zwei Prozent bleiben, und damit höher als es Zentralbanken recht sein kann. Sowohl die Fed als auch die EZB scheinen erpicht, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und die Inflationserwartungen fest im Zaum zu halten, selbst auf Kosten wirtschaftlicher Abschwünge. Das spricht für eine vorsichtige Haltung gegenüber Staatsanleihen. Zumindest kurzfristig trübt dies auch für andere festverzinsliche Anlagen die Aussichten. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl geopolitischer Risiken sind Rohstoffe, einschliesslich Edelmetalle wie Gold, hauptsächlich als Portfolio-Diversifikatoren attraktiv, weniger in Bezug auf ihr absolutes Potenzial.

Märkte machen sehr seltsame Dinge, weil sie darauf reagieren, wie sich Menschen verhalten, und manchmal sind die Menschen ein bisschen verrückt.

Alan Greenspan, Vorsitzender der US-Notenbank von 1987 bis 2006,

Bleiben also Aktien. Die leicht gestutzten Kursziele von DWS deuten nur auf ein begrenztes Aufwärtspotenzial auf 12-Monatssicht hin. Weitere volatile Episoden auf dem Weg dorthin würden nicht überraschen. Die vollen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung beginnen erst langsam in den Wirtschaftswachstumsraten der grossen Volkswirtschaften und bei den Unternehmensgewinnen sichtbar zu werden. DWS prognostiziert deshalb für die nächsten zwölf Monate nominale Gewinnsteigerungen von null bis fünf Prozent, also deutlich unter der Konsumentenpreisinflation. Der Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise hat die Herstellungskosten auf breiter Front erhöht. Damit verschieben sich auch die relativen Preise in der gesamten Weltwirtschaft. Arbeitskräftemangel und steigende Löhne könnten die Margen der Unternehmen zusätzlich belasten. Und nicht zuletzt schaffen sich ändernde Verbraucherpräferenzen zusätzliche Unsicherheiten bei unseren Gewinnschätzungen.

Zugegebenermassen sind die Bewertungen einigermassen attraktiv geworden, insbesondere in Europa. Es jedoch davon auszugehen, dass höhere Energiepreise, steigende Zinsen und ein sich verschlechterndes makroökonomisches Umfeld in den Wintermonaten durchaus weitere Tücken bieten könnten. Auf Sektor-Ebene nimmt DWS keine Änderungen vor und bleibt bei einem Übergewicht von Gesundheits- und Energietiteln, während Immobilien untergewichtet werden. Die Auswahl auf Einzeltitelebene und eine gründliche Analyse der mittelfristigen Gewinnwachstumsaussichten, die Preissetzungsmacht und Kostenkontrolle widerspiegeln, werden in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung sein. Eine solche Analyse kann sich als unschätzbar erweisen, insbesondere in einem äusserst unsicheren Umfeld, um etwaige Einstiegsgelegenheiten richtig und zeitnah zu identifizieren. Wie es Greenspan im oben bereits erwähnten Interview ausdrückte: «Märkte machen sehr seltsame Dinge, weil sie darauf reagieren, wie sich Menschen verhalten, und manchmal sind die Menschen ein bisschen verrückt.» Genau dann kann es sich am meisten auszahlen, wenn man bei der Aktienauswahl einen klaren Kopf behält.

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