Credit Suisse: Reden ist Silber – Rechtzeitig reden ist Gold
Die Ereignisse überschlagen sich zunehmend. Nachdem über das vergangene Wochenende in den sozialen Medien intensiv über die Prämie für Absicherungspapiere gegen einen Konkurs der Schweizer Grossbank – die sogenannten Credit Default Swaps – debattiert wurde, verlieren Marktbeobachter und Investoren zunehmend die Geduld. Der Titel der CS-Aktie ist im freien Fall.
Nichts scheint derzeit zu helfen. Weder die Pressemitteilung von vergangener Woche an die Financial Community mit der Botschaft «Die Strategie-Review ist auf Kurs» noch die interne CEO-Kommunikation an die Belegschaft mit Verweis auf eine «starke Kapital- und Liquiditätsbasis» vermochten die aufgewühlten Gemüter zu beruhigen. Die Frage, die vor diesem Hintergrund auch schon in anderen Medien gestellt wurde, lautet: Wie lange können Chairman Axel P. Lehman und CEO Ulrich Körner angesichts der wilden Spekulationen noch schweigen?
Ulrich Körner, CEO der Credit Suisse, in einem internen Memo an die BelegschaftIch weiss, dass es nicht leicht ist, bei den vielen Stories, die Sie in den Medien lesen, konzentriert zu bleiben – vor allem, wenn man bedenkt, wie viele sachlich unrichtige Aussagen gemacht werden. Ich hoffe jedoch, dass Sie unsere tägliche Aktienkursentwicklung nicht mit der starken Kapital- und Liquiditätsposition der Bank verwechseln.
Am 27. Oktober 2022 will die Credit Suisse ihre Umstrukturierungspläne kommunizieren. Ob sich dieser Termin halten lässt, bleibt angesichts der derzeitigen Hysterie und der grossen Unsicherheit, die im Markt herrscht, abzuwarten. Einzelne Marktbeobachter und Analysten gehen davon aus, dass die Kommunikation vorgezogen werden muss. Zu gross ist die Gefahr, dass sich Gerüchte und Halbwahrheiten in den verbleibenden rund drei Wochen noch mehr verselbständigen und sich die Abwärtsspirale weiter akzentuiert. Sollte die Credit Suisse aber tatsächlich gewisse Unternehmensteile veräussern wollen, wie sie selber eingeräumt hat, dürfte sie mitten in Verkaufsverhandlungen stehen, die sie nicht mit einer vorgezogenen Kommunikation torpedieren kann. Die Zeitnot der Bank werden mögliche Kaufinteressen wiederum zum eigenen Vorteil nutzen und auf tiefer Basis verhandeln. Der Faktor Zeit ist also sowohl für die erfolgreichen Verhandlungen mit Drittparteien als auch für die Finanzmarkt-Kommunikation von entscheidender Bedeutung – allerdings auf einer entgegengesetzten Zeitachse. Die Credit Suisse steckt damit in einem Dilemma.
Unabhängig vom genauen Datum der Kommunikation werden von Ulrich Körner schmerzliche Eingriffe, namentlich im Investment Banking der Credit Suisse, erwartet. Die zahlreichen Kommentatoren überbieten sich (auch) hier gegenseitig mit wilden Vermutungen und Spekulationen, die von punktuellen Korrekturen bis hin zu einer Radikallösung reichen. Ein weiteres grosses Thema betrifft die Frage, ob es nun zu einer Kapitalerhöhung kommt oder nicht. Sie hängt auch davon ab ob es gelingt, einzelne Unternehmensteile unter dem erwähnten Zeitdruck möglichst teuer zu veräussern und so die Verwässerung der Aktie über eine Kapitalerhöhung abzuwenden. Die Spitze der Credit Suisse verneinte diese Option bis dato immer vehement – zuletzt in der Schweizer Sonntagspresse. Klar ist, dass ausser den Entscheidungsträgern innerhalb der Bank derzeit niemand genau weiss, welchen Weg die Credit Suisse gehen wird. Und genau das macht die Situation unkalkulierbar, um nicht zu sagen gefährlich für die Bank. Märkte agieren irrational. Das gleiche gilt für Investoren. Wenn es dem Chairman und dem CEO der Credit Suisse nicht gelingt, die aufgewühlte Stimmungslage zu beruhigen und zeitnah Klarheit zu schaffen, laufen sie Gefahr, das Momentum für eine glaubwürdige Kommunikation der bevorstehenden Neuausrichtung zu verpassen. Im Driver Seat sitzen die Verantwortlichen der Credit Suisse sowieso nur noch bedingt. Wenn sie den Anschluss nicht ganz verpassen wollen, brechen sie ihr selbstverordnetes Schweigen lieber früher als später.