2020: Ausnahmejahr für den SPI

2019 verbuchte der breite Schweizer Aktienindex (Swiss Performance Index) mit einer Gesamtrendite von über 30% (in CHF) sein zwölftbestes Jahr seit 1926, während 2018 mit einem Rückgang von fast 9% sehr schlecht abschnitt: Es gab nur 14 noch schlechtere Jahre. Oberflächlich betrachtet mag der Gesamtertrag 2020 mit rund 4% im Vergleich zu der annualisierten Durchschnittsrendite des SPI seit 1926 von 7,8% enttäuschend aussehen. Dies ist jedoch irreführend: 2020 überhaupt eine positive Rendite zu erzielen, war angesichts der durch die Pandemie verursachten Marktturbulenzen eine grosse Leistung.

Anleger, die zum schlechtesten Zeitpunkt investierten (am 19. Februar, als der SPI seinen Höchststand vor der Pandemie erreichte) und auch zum schlechtesten Zeitpunkt wieder ausstiegen (am 16. März, als der SPI auf seinen tiefsten Stand fiel), machten 2020 einen Verlust von 26%. Das ist eine der schlechtesten fünf Wertentwicklungen der Schweizer Aktien seit 1926.

Die Performance des Schweizer Obligationenmarkts schwankte sehr viel weniger. 10-jährige eidgenössische Staatsanleihen erzielten 2020 schwache 0,55%. Seit 2016 liegen die Renditen im niedrigen ein- stelligen Bereich. Weil die Renditen in der Schweiz negativ sind, können Schweizer Obligationen nur dann positive Renditen verbuchen, wenn ein weiterer Renditerückgang zu einer Kurssteigerung führt, die den negativen Coupon mehr als ausgleicht. Bemerkenswert ist die Entwicklung der Schweizer Staatsanleihen während des Aktienrückgangs 2020. In der Vergangenheit wurde das Aktienrisiko üblicherweise über langfristige Staatsanleihen von Kernländern gemindert, die tendenziell eine positive Rendite erzielen, wenn Aktien sich negativ entwickeln. Im März 2020 war dies jedoch nicht der Fall, denn 10-jährige Schweizer Staatsanleihen verzeichneten eine leicht negative Rendite, als die Aktienmärkte einbrachen.

Schweizer Konjunkturaussichten 2021
Wie Schweizer Aktien zeigte sich auch die Schweizer Wirtschaft im Jahr 2020 widerstandsfähig: Sie kam besser durch die Pandemie als andere europäische Länder oder die USA. Es gibt mehrere Erklärungen für die vergleichsweise Stärke der Schweiz. Die erste ist die Zusammensetzung der Wirtschaft. Die am stärksten von der Pandemie betroffenen Sektoren haben in der Schweiz tendenziell einen geringeren Anteil am BIP als anderswo. So machen Beherbergung und Lebensmitteldienstleistungen nur 2% der Schweizer Wertschöpfung aus. Pharma und Chemieprodukte, die in der Regel von der Pandemie profitierten, entsprechen dagegen einem verhältnismässig grossen Teil der Schweizer Exporte. Auch der bedeutende Rostoffhandel hat der Schweizer Wirtschaft geholfen, der Krise zu trotzen. Die zweite Erklärung ist, dass die Ausgangsbeschränkungen, die im Frühjahr in der Schweiz eingeführt wurden, weniger streng und kürzer als in den Nachbarländern waren. Und drittens halfen die von der Regierung und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) rasch eingeleiteten Stützungsmassnahmen den Unternehmen zweifellos, die Umsatzeinbussen zu überbrücken.

Obwohl wir noch fünf Jahre warten müssen, bis wir über Daten eines ganzen Jahrhunderts verfügen, ist die Chance gross, dass der Schweizer Aktienmarkt in den letzten 100 Jahren aus einer anfänglichen Investition von Tausend Franken 1 Million CHF gemacht hat.

Nadia Gharbi, Pictet Wealth Management

Die BIP-Daten für das 4. Quartal waren bei Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht, aber wir gehen für 2020 insgesamt von einem Rückgang des Schweizer BIP um 3,3% aus – also eine stärkere Abnahme als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009, als das BIP um 2,1% schrumpfte. Unseres Erachtens dürfte das Schweizer BIP 2021 um 3,0% wachsen, wobei der Umfang der Wirtschaft bis Ende des Jahres wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehren dürfte. Der Umfang der Erholung hängt von der Entwicklung des Virus ab.

2020 ging die in der Schweiz bereits niedrige Inflation aufgrund der sinkenden Nachfrage und des durch die Pandemie verursachten Rückgangs der Ölpreise weiter zurück. Der Inflationsdruck dürfte 2021 sehr schwach bleiben, und wir erwarten eine durchschnittliche Gesamtinflation von 0,4% (nach -0,7% im Jahr 2020). Dementsprechend wird die SNB ihre extrem entgegenkommende Geldpolitik beibehalten. Sie beruht auf zwei Säulen: einem negativen Leitzins (derzeit -0,75%) und Interventionen am Devisenmarkt (FX), um den Schweizer Franken bei Bedarf zu schwächen. Wir gehen davon aus, dass die SNB sich 2021 jederzeit bereit hält und auf dem Devisenmarkt aktiv bleibt. Das Zinsgefälle (hauptsächlich gegenüber dem Euro) wird ein wichtiger Faktor ihrer Geldpolitik bleiben. Historisch gesehen sind die Zinssätze in der Schweiz niedriger als in der Eurozone. Daher dürfte die SNB weiterhin den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) im Auge behalten. Der Leitzins der SNB dürfte deshalb mindestens bis Ende 2021 auf seinem derzeitigen Niveau (-0,75 %) bleiben.

Schweizer Aktienprognosen für 2021
Der breite Schweizer Aktienindex ist auf einige Mega Caps im Gesundheits- und Lebensmittelbereich ausgerichtet. Diese Unternehmen sind international diversifiziert und Teil unseres strukturellen Wachstumsthemas. Sie können über lange Zeiträume ein stetiges Gewinnwachstum verzeichnen. Dieses Thema funktionierte 2019 und im 1. Halbjahr 2020 insgesamt gut und trug zu erfreulichen Ergebnissen bei Schweizer Aktien bei. Trotz der neuen Ausgangsbeschränkungen in vielen Ländern, vor allem in Europa, haben weltweit Massenimpfungen begonnen, und 2021 steht voraussichtlich eine Gewinnerholung an. Doch die relativ widerstandsfähigen Gewinne im Jahr 2020 bedeuten, dass der Gewinnbasiseffekt für in der Schweiz notierte Unternehmen kleiner ist als für Unternehmen anderswo. Die Gewinne Die Gewinne im SMI dürften nach dem Rückgang um 7% 2020 im Jahr 2021 um 16% steigen. In den USA dürften sie 2021 um 23% zulegen, in der Eurozone um 36% und in Japan um 46%. In jedem dieser Märkte sind die Gewinne 2020 stärker zurückgegangen als in der Schweiz. Wir bleiben für 2021 optimistisch in Bezug auf Schweizer Aktien, gehen aber von niedrigeren Renditen aus als an den Aktienmärkten anderer Industrieländer. Dennoch nimmt im Rahmen der aktuellen Umorientierung Richtung Value- und zyklischer Sektoren die Attraktivität der Schweizer Small Caps zu.

Aktienmarkt: Timen oder nicht timen?
Die alte Weisheit, wonach sich der Markt nicht timen lässt, ist heute immer noch so aktuell wie eh und je. Tatsächlich folgte auf den schweren einmonatigen Bärenmarkt eine mehrmonatige starke Erholung, die alle Verluste wieder ausglich. Genau wie Extremwerte bei jährlichen Renditen sind auch starke Einbrüche gefolgt von einem Aufschwung im selben Jahr stets möglich. Wie schon in früheren Beiträgen angemerkt, sollten langfristig orientierte Anleger mit entsprechender Risikobereitschaft einen hohen Anteil Sachanlagen in ihren Portfolios halten. Interessant ist auch folgende Beobachtung: Es gab zwar eine Reihe von 5-Jahres-Anlageperioden, in denen der Schweizer Aktienmarkt Verluste verzeichnete, aber deutlich weniger 10-Jahres-Perioden mit Verlusten. Unsere Analyse der historischen Renditen zeigt, dass Schweizer Aktien bei Anlagezeiträumen von mehr als 13 Jahren in den letzten 95 Jahren keine Verluste einfuhren (mit Ausnahme des Crash von 1929). Wenn im ersten Jahr Verluste gemacht werden, liegt die mediane Dauer bis zum Break-even- Point zwischen fünf und sechs Jahren.

Fazit: Weiter wie gehabt
Die grösste Gefahr für Anleger besteht darin, das (vermeintliche) Portfoliorisiko drastisch zu reduzieren, weil die Entwicklung der Kapitalmärkte nicht ihrer Risikotoleranz entspricht, und dann den anschliessenden Marktaufschwung zu verpassen. Die letzten drei Jahre sind das perfekte Beispiel dafür. Verluste auszusitzen setzt zugegebenermassen ein gewisses Mass an (subjektiver) Risikobereitschaft voraus. Insofern wiederholen wir an dieser Stelle unseren Ratschlag der letzten Jahre: Anleger sollten viel Zeit und Überlegung in die Definition einer langfristigen, robusten und tragfähigen Anlagestrategie und deren Umsetzung stecken. Nur allzu oft rückt diese extrem wichtige Fragestellung zugunsten von nur vermeintlich wichtigen Fragestellungen (Kosten der Vermögensverwaltung; Kosten der Beratung; Kosten der Analyse) in den Hintergrund. Der durchschnittliche jährliche (annualisierte) Wertzuwachs einer Anlage am Schweizer Aktienmarkt lag im Zeitraum von Anfang 1926 bis Ende 2020 bei ca. 7,8%. Unsere Analysen zeigen, dass ein Anleger, der zu Beginn des Jahres 1926 CHF 1000 in Aktien investiert hätte, diesen Betrag Ende des Jahres 2020 auf CHF 1 276 000 vermehrt hätte. Bei einer durchschnittlichen Kostenquote von 0,5% pro Jahr wären in den gleichen 95 Jahren Kosten in Höhe von ca. CHF 462 000 entstanden, sodass der Nettogewinn bei CHF 814 000 liegen würde. Obwohl wir noch fünf Jahre warten müssen, bis wir über Daten eines ganzen Jahrhunderts verfügen, ist die Chance gross, dass der Schweizer Aktienmarkt in den letzten 100 Jahren aus einer anfänglichen Investition von 1 000 CHF 1 Million CHF gemacht hat. Eine Anlage in Schweizer Obligationen hätte über denselben Zeitraum von 1926 bis 2020 sehr viel weniger eingebracht. Aus den anfänglich investierten CHF 1000 wären (vor Gebühren) CHF 50 000 geworden. Ein Ertrag, der nach Inflationsbereinigung kaum positiv geblieben wäre. Aufgrund der weltweit sehr niedrigen Zinsen dürfte sich daran auch in Zukunft nichts ändern.