Warum Aktienrückkäufe die Gemüter spalten

Aktienrückkäufe ausserhalb der USA waren auch 2023 viel weiter verbreitet als in der jüngeren Vergangenheit. Der Anteil grosser britischer Unternehmen, die ihre Aktien zurückkaufen, war im Vergleich zur Vergangenheit extrem hoch – wenngleich das Niveau von 2022 nicht erreicht wurde. Grosse japanische, französische und deutsche Unternehmen verzeichneten eine Zunahme der Rückkaufaktivitäten.

Die USA waren in Bezug auf Aktienrückkäufe anderen Ländern immer weit voraus. Diese Lücke verringert sich inzwischen. Aktienrückkäufe schwanken natürlich im Lauf der Zeit, und wir sollten die vergangenen beiden Jahre nicht unbedingt als Trend für die Zukunft ansehen. Da sie jedoch die Nachfrage nach Aktien ankurbeln und die Gewinnkennziffern je Aktie automatisch erhöhen, lohnt es sich, ihre zunehmende Beliebtheit ausserhalb der USA im Auge zu behalten.

Warum Aktienrückkäufe umstritten sind
Die Meinungen über Aktienrückkäufe sind geteilt. Einerseits stellen sie für die Unternehmensleitung eine Möglichkeit dar, überschüssige Liquidität an die Aktionäre zurückzugeben, und zwar auf eine langfristig weniger verbindliche Weise als durch eine Dividendenerhöhung. Zudem können sie für die Anleger steuerlich vorteilhafter sein, da Kapitalgewinne oft niedriger besteuert werden als Einkommen. Andererseits werden sie als anfällig für Manipulationen durch die Geschäftsleitung kritisiert. Der gleiche Gewinn, geteilt durch eine geringere Anzahl von Aktien, führt zu einem höheren Gewinn «pro Aktie». Wenn die Vergütung der Führungskräfte naiv an das Wachstum des Gewinns pro Aktie gekoppelt ist, kann dies zu einer Bereicherung der Geschäftsleitung führen, möglicherweise auf Kosten der Aktionäre.

Es wird auch argumentiert, dass Aktienrückkäufe eine Möglichkeit für die Geschäftsleitung darstellen, einen angeschlagenen Aktienkurs zu stützen.

Harry Goodacre, Strategist, Schroders Wealth Management

Es wird auch argumentiert, dass Aktienrückkäufe eine Möglichkeit für die Geschäftsleitung darstellen, einen angeschlagenen Aktienkurs zu stützen. Auch dies kann zu einer höheren Vergütung führen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der beste Zeitpunkt für einen Aktienrückkauf dann gegeben ist, wenn die Geschäftsleitung die eigenen Aktien für unterbewertet hält. Darüber hinaus kann eine Zunahme von Aktienrückkäufen auch darauf hindeuten, dass es dem betreffenden Unternehmen an Möglichkeiten mangelt, seine Mittel gewinnbringend zu investieren. Statt positiv können Aktienrückkäufe daher von Anlegern auch negativ interpretiert werden. Ein Beispiel dafür, wie kritisch diese gesehen werden, ist die in den USA eingeführte Steuer für Unternehmen auf Aktienrückkäufe in Höhe von 1%. Diese Steuer trat am 1. Januar 2023 in Kraft trat.

Aktienrückkäufe waren 2023 ausserhalb der USA immer noch weit verbreitet
Nach unseren Berechnungen haben 38 % der grossen US-Unternehmen im Jahr 2023 mindestens 1% ihrer Aktien zurückgekauft (nach Abzug der ausgegebenen Aktien). Dies ist ein niedrigerer Wert als im Jahr 2022 und liegt leicht unter dem Durchschnitt der drei Jahre vor der Pandemie (die Rückkaufaktivitäten gingen 2020 drastisch zurück, was Berechnungen, die diesen Zeitraum einschliessen, verzerrt). Für das zweite Jahr in Folge haben die britischen Unternehmen im vergangenen Jahr fast mit den US-Unternehmen gleichgezogen (Abbildung 1). Dies stellt eine deutliche Abkehr von der Vergangenheit dar. Bislang übertrafen die Aktienrückkäufe in den USA andere grosse Märkte bei weitem. Ausserdem ist der Anteil britischer Unternehmen, die grössere Aktienrückkäufe tätigen, sogar höher als in den USA. 13% der Large-Caps in Grossbritannien haben mindestens 5% ihrer Aktien im vergangenen Jahr zurückgekauft, verglichen mit 9% der Unternehmen in den USA. Der Trend zunehmender Aktienrückkäufe unter japanischen, französischen und deutschen Unternehmen, den wir seit einigen Jahren beobachten, setzte sich 2023 fort. Das Niveau ist niedriger, aber der Unterschied wird kleiner. In den Schwellenländern sind die Aktivitäten weiterhin verhalten. In Japan sind viele Unternehmen unter Buchwert bewertet und horten Barmittel. Da die Aufsichtsbehörden eine Verbesserung der Kapitaleffizienz der Unternehmen verlangen, können Rückkäufe eine effektive Einsatzmöglichkeit dieser Barmittel darstellen, insbesondere wenn Aktien zu einer günstigen Bewertung zurückgekauft werden können. Für US-Unternehmen bedeutet dies: Je mehr Aktienrückkäufe ausserhalb der USA getätigt werden, desto kleiner ist der Vorteil für US-Unternehmen im Vergleich zu anderen Regionen in Bezug auf die Aktiennachfrage und die Gewinnkennzahlen je Aktie.

Abbildung 1: Aktienrückkäufe waren 2023 ausserhalb der USA immer noch weit verbreitet

Anteil der Large-Caps, die die Anzahl ihrer Aktien um mindestens 1% reduziert haben Bildnachweis: LSEG Datastream und Berechnungen von Schroders

Aktienrückkäufe sind bei kleineren Unternehmen weniger verbreitet
Es mag auf der Hand liegen, dass kleinere Unternehmen seltener Aktien zurückkaufen und eher neue Aktien ausgeben als grössere Unternehmen. Kleinere Unternehmen wachsen in der Regel schneller und benötigen daher möglicherweise zusätzliches Kapital. Dies könnte auch erklären, warum Unternehmen aus Schwellenländern weniger geneigt sind, Aktien zurückzukaufen. Dies zeigt sich, wenn man den Anteil der Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung, die 1% ihrer Aktien zurückgekauft haben (nach Abzug aller Emissionen), mit dem Anteil am Gesamtmarkt vergleicht (Abbildung 2), und wenn man den Anteil der Unternehmen betrachtet, die ihre Aktienzahl um 1% erhöht haben. Beispielsweise umfasst der MSCI USA Index 609 Unternehmen, während der MSCI USA Investible Market Index 2.400 Unternehmen umfasst. Der letztgenannte Index enthält also zusätzliche 1’791 Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung, die 75% der Gesamtzahl ausmachen. In allen grossen Märkten überwiegt die Zahl der Small- und Mid-Caps die Zahl der Large-Caps bei weitem. Um beim Beispiel der USA zu bleiben: 38% der grossen US-Unternehmen haben 2023 mindestens 1% ihrer Aktien zurückgekauft, verglichen mit 28% des breiteren Unternehmensuniversums. Umgekehrt haben 17% der Large-Caps in den USA die Anzahl ihrer Aktien um mindestens 1 % erhöht, verglichen mit 31% der Unternehmen im breiteren Universum. Dieses unterschiedliche Verhalten von Large-Caps und dem Gesamtmarkt ist auch in anderen Märkten zu beobachten.

Abbildung 2: Kleinere Unternehmen kaufen seltener Aktien zurück und geben eher neue Aktien aus

Links: Anteil der Large-Caps, die die Anzahl ihrer Aktien 2023 um mindestens 1% reduziert haben, Rechts: Anteil der Large-Caps, die die Anzahl ihrer Aktien 2023 um mindestens 1% erhöht haben Bildnachweis: LSEG Datastream und Berechnungen von Schroders

Aktienrückkäufe und «De-Equitisation»
In den letzten Jahren wurde viel darüber gesprochen, dass die Zahl der Aktien, in die an der Börse investiert werden kann, zurückgeht. Tatsächlich verliessen mehr Unternehmen den Markt durch Delisting (hauptsächlich aufgrund von Fusionen und Übernahmen) als durch Neunotierungen/Börsengänge (IPOs) hinzukamen. Aber auch Aktienrückkäufe ziehen Aktien aus den Aktienmärkten ab. Wenn wir eine ähnliche Berechnung wie oben durchführen, sie aber auf den Aktienmarkt und nicht auf einzelne Unternehmen anwenden, erhalten wir einen Eindruck vom Ausmass dieses Trends hin zur «De-Equitisation». Im Gegensatz zur obigen Analyse, die sich nur auf die Nettorückkäufe konzentrierte, wird hier der kombinierte Effekt von Nettorückkäufen und Neueinführungen/Delistings berücksichtigt. Wir bezeichnen dies als «Nettoangebot an Aktien». Unsere Analyse basiert auf dem breiten Aktienmarkt mit grossen, mittleren und kleinen Unternehmen in jedem Land, um Verzerrungen durch Unternehmen auszuschliessen, die von einem Grössensegment in ein anderes auf- oder absteigen. Aus dem gleichen Grund konzentrieren wir uns auf einzelne Länder und nicht auf Regionen. Ziel ist es, nur tatsächliche Veränderungen im Aktienangebot zu erfassen. In den zwölf Monaten bis Dezember 2023 hat sich das Nettoangebot an Aktien in den USA, Grossbritannien, Japan, Frankreich und Deutschland negativ entwickelt (Abbildung 3). Am auffälligsten ist jedoch, dass das Tempo der De-Equitisation in den Märkten ausserhalb der USA zuletzt höher war als in den USA. Dies lässt sich zum Teil durch Fusionen und Übernahmen erklären. So werden britische Unternehmen mit einem Abschlag gegenüber US-Unternehmen gehandelt, was sie zu attraktiven Übernahmezielen sowohl für US-Unternehmen als auch für Private Equity macht. Da Unternehmen ausserhalb der USA nach wie vor mit hohen Abschlägen gegenüber ihren US-Konkurrenten bewertet werden, dürfte ihre Attraktivität als Übernahmeziel nicht abnehmen.

Abbildung 3: Die implizite Anzahl der Aktien ist in allen wichtigen Aktienmärkten der Industrieländer zurückgegangen

Veränderungen der impliziten Anzahl der Aktien im Umlauf über rollierende 12-Monatszeiträume Bildnachweis: LSEG Datastream und Berechnungen von Schroders

Fazit
Während die Aufmerksamkeit vor allem auf den Rückgang der Zahl der börsennotierten Unternehmen gerichtet war, sollte der Beitrag von Aktienrückkäufen zum Trend der De-Equitisation nicht übersehen werden. Aktienrückkäufen ausserhalb der USA sind das zweite Jahr in Folge wesentlich weiter verbreitet als in der Vergangenheit – und das trotz eines höheren Zinsumfelds. Die Frage ist, ob diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren anhalten wird. Da die Rückkehr zu einem Extremniedrigzinsumfeld als unwahrscheinlich gilt und die Wachstumsaussichten weiterhin verhalten sind, haben die Unternehmen viel zu bedenken. Sie müssen sich fragen, wie sie überschüssige Liquidität verwenden können, ob ihre Aktienkurse günstig sind und ob Aktienrückkäufe angesichts ihrer Flexibilität in einem unsicheren Umfeld attraktiver sind als Dividendenzahlungen. Aktienkäufe durch Unternehmen, sei es durch den Rückkauf eigener Aktien oder durch Fusionen und Übernahmen, können die Aktienkurse stützen. Die zunehmende Beliebtheit von Rückkäufen ausserhalb der USA ist ein Trend, den die Anleger im Auge behalten sollten. Und solange Unternehmen ausserhalb der USA im Vergleich zu ihren US-Konkurrenten mit einem erheblichen Bewertungsabschlag gehandelt werden, dürften sie ganz oben auf der Liste potenzieller Übernahmeziele stehen.

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