Die wichtigsten Blockchain-Anwendungsszenarien für die Finanzbranche

Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, neue, digitale Geschäfts- und Anlagemodelle zu schaffen. Im Zentrum stehen dabei digitale Tokens, die ganz unterschiedliche Arten von Vermögenswerten – traditionelle, alternative sowie komplett neue – oder auch Nutzungsrechte repräsentieren können. Im Idealfall liegen sowohl das Investitionsobjekt als auch das Zahlungsmittel in digitaler Form auf der Blockchain vor, um Effizienzen zu heben. In den folgenden drei Anwendungsbereichen gibt die Blockchain-Technologie bereits eine Antwort auf bestehende oder aufkommende Herausforderungen.

Neben Kryptowährungen umfassen digitale Assets auch digitale Repräsentationen von alternativen Anlagen der Finanzwelt. Die Komplexität digitaler Assets stellt ein nicht zu unterschätzendes Hemmnis dar. So gilt es nicht nur, die Natur und Eigenschaften der unterliegenden Assets zu vermitteln, sondern auch für die Kryptotechnologie selbst müssen Finanzinstitute erst ein grundlegendes Verständnis bei ihren Kunden schaffen, um Vertrauen herzustellen. Neue technologische Lösungen erlauben es, Finanzinstitute das Feld der digitalen Vermögenswerte mit geringem Aufwand zu erschliessen und ihren Kunden neue Investitionsmöglichkeiten sowie Optionen zur Portfoliodiversifikation zu bieten. Gleichzeitig erhalten Finanzinstitute durch die effizienten Stückelungsoptionen, die digitale Assets eröffnen, die Möglichkeit, neue Kundensegmente zu bearbeiten.

Tokenisierung von illiquiden Vermögenswerten
Dank Blockchain-Technologie ist es möglich, beispielsweise Kunstwerke, exklusive Immobilien und Wertgegenstände oder Oldtimersammlungen, in Form von tokenisierten Vermögenswerten anzubieten. Solche illiquiden Vermögenswerte (non-bankable Assets = nbA) machen derzeit rund ein Drittel aller weltweiten Vermögenswerte aus. Eintrittsbarrieren wie etwa Mindestinvestitionen sinken durch diese Technologie und es entstehen liquide Märkte. So wird die Demokratisierung der Vermögensverwaltung vorangetrieben und alternative Anlageklassen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

Das Potenzial des nBA-Markts ist immens. Experten rechnen bis im Jahr 2027 mit einem Marktvolumen von rund 24 Billionen US-Dollar.

Nils Bulling, Leiter Digitale Strategie & Innovation, Avaloq

Es können Bruchteile eines Picasso-Gemäldes wie traditionelle Assets gehandelt werden. Das dürfte eine steigende Nachfrage nach nBAs und nach neuen Beratungsdienstleistungen zur Folge haben. Im Falle eines tokenisierten Picassos könnten beispielsweise ein Eigentumsnachweis erforderlich sein sowie eine Gewährleistung, dass der physische Vermögenswert gut verwahrt und versichert ist. Beides könnte künftig zum Leistungsportfolio von Finanzinstituten gehören. Das Potenzial des nBA-Markts ist immens. Experten rechnen bis im Jahr 2027 mit einem Marktvolumen von rund 24 Billionen US-Dollar.

Decentralized Finance (DeFi)
Die dezentrale Finanzwirtschaft (DeFi) ist ein Ansatz, der den zentral organisierten Finanzdienstleistungen ein dezentrales Modell entgegensetzt. Ein Peer-to-Peer-Ansatz ersetzt den Intermediär. Die Blockchain-Technologie erlaubt eine Dezentralisierung von Finanzdienstleistungen – in Gestalt von Smart Contracts, die nicht nur Transaktionsdaten im Distributed Ledger speichern, sondern gleich auch die Regeln für Transaktionen. DeFi eröffnet für das gesamte wirtschaftliche Leben grosse Möglichkeiten. Besonders auch, weil es die Menschen auf der Welt, die bislang keinen Zugang zu Bankdienstleistungen haben, finanziell inkludieren kann. Auch wenn DeFi angetreten ist, Vermittler überflüssig zu machen und die Inklusion zu steigern, können sich Finanzinstitute im DeFi-Kontext durchaus neue Geschäftsmodelle erschliessen: ob es um die sichere Verwahrung von Private Keys geht, um innovative Versicherungslösungen oder um die automatisierte Verifikation von Identitäten.

Nils Bulling arbeitet seit 2019 als Head Digital Strategy & Innovation bei Avaloq, dem Schweizer Anbieter von digitalen Banking-Lösungen, Kernbankensoftware und Vermögensverwaltungstechnologie (www.avaloq.com). Der habilitierte Computer-Wissenschaftler war zuvor als Berater bei der Boston Consulting Group und Capgemini in Deutschland tätig. Bildnachweis: Avaloq
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