Die ersten Nutzer von Digital Assets sind die wahren passiven Anleger
In Digital Assets investieren oder nicht, das ist hier die Frage! Man könnte zumindest meinen, dass dies die Frage ist, wenn man irgendetwas über den jüngsten Einbruch bei den Digital Assets gelesen hat. Bei einer solchen Frage wird die Wahl klar Schwarzweiss dargestellt: als ob es nur zwei Möglichkeiten gäbe, nämlich blindes Vertrauen oder völliges Misstrauen, und nichts dazwischen. Es gibt eine weitaus relevantere Frage, die jedoch eine differenziertere Betrachtungsweise erfordert.
Diese Haltung steht im Gegensatz zu den jüngsten Diskussionen über die aktuellen Kursverluste an den Aktienmärkten und die potenzielle Gefahr einer Rezession, die nie in Schwarzweiss dargestellt werden. Von einem vollständigen Ausstieg aus Aktien ist nicht die Rede. In ihren Perspektiven oder Anlagekommentaren erörtern die Vermögensverwalter: Untergewichtung von Aktien, Umschichtung von zyklischen in defensive Aktien, Konzentration auf qualitativ hochwertige Unternehmen. Alles nuancierte und durchdachte Strategien, die es erlauben, die Situation und ihre zahlreichen Unwägbarkeiten zu erfassen.
Pierre Debru, Head of Quantitative Research, WisdomTreeDie Marktkapitalisierung von Digital Assets erreichte im November 2021 bis zu 3 Billionen US-Dollar.
Investitionen, ob in Digital oder andere Assets, sind keine Wissenschaft nur für Hochbegabte. Investoren handeln nie in absoluten Zahlen. Es geht hier um Szenarien und Wahrscheinlichkeiten. Warum sollte das bei einer Investition in Digital Assets anders sein? Warum sollten Anleger nicht den gleichen nuancierten Ansatz bei ihren Investitionen in Digital Assets anwenden? Unabhängig davon, ob man einen Marktportfolio-Ansatz verfolgt, der die Gewichtung von Digital Assets von 1 Prozent unter allen Anlageklassen widerspiegelt, oder ob man einen längerfristigen Ansatz verfolgt, um von den Auswirkungen von Digital Assets auf die Sharpe Ratio zu profitieren, gibt es viele Möglichkeiten, eine Allokation vorzunehmen, die die Risiken und Chancen dieser aufstrebenden Anlageklasse ausgleicht.
Ein Prozent in Digital Assets – eine vernünftige Entscheidung?
Nicht in Digital Assets zu investieren, ist in der Tat eine aktive Entscheidung. Möglicherweise spiegelt sich darin die Überzeugung wider, dass der Raum für Digital Assets mit der Zeit vollständig verschwinden wird. Diese Ansicht könnte ein ehrgeiziger Standpunkt sein. Die Marktkapitalisierung von Digital Assets erreichte im November 2021 bis zu 3 Billionen US-Dollar. Trotz des derzeitigen Rückgangs in den letzten Monaten sind das Ökosystem und die Zahl der Anwendungsfälle seit über einem Jahrzehnt stetig gewachsen. Die Grösse von Digital Assets ist immer noch vergleichbar mit Small Caps aus Schwellenländern, börsennotierten Real Estate Investment Trusts (REITS) oder globalen Hochzinsanleihen: Vermögenswerte, die Teil der meisten Vermögensallokationen und Portfolios sind. Abbildung 1 zeigt das aktuelle Marktportfolio, d.h. die verschiedenen börsennotierten Assets, die den Anlegern zur Verfügung stehen, gewichtet nach ihrer gesamten Marktkapitalisierung. Nach dem jüngsten Rückgang der risikobehafteten Anlagen beläuft sich der Gesamtmarkt auf rund 160 Billionen US-Dollar, und Digital Assets machen davon etwa ein Prozent aus. Um diese Abweichung vom hypothetischen Marktportfolio zu minimieren, sollte ein passiver Anleger oder ein uninformierter Anleger theoretisch etwa ein Prozent in Digital Assets investieren. Dies ist die rationale Entscheidung, wenn es keine Aussicht oder zusätzliche Informationen gibt. Es handelt sich um eine sichere Position, die es ermöglicht, in positiven Szenarien vom anhaltenden Wachstum des Marktes zu profitieren und in negativen Szenarien die Verluste (bei einem Prozent) zu begrenzen.
Abbildung 1: Das heutige Markt-Portfolio in Milliarden US-Dollar:
Warum sind sechs Prozent pro Jahr genug, um eine Investition in Digital Assets zu rechtfertigen?
Die Hauptgründe, die Anleger von Investitionen in Digital Assets abhalten, sind in der Regel die Volatilität und das Risiko des Wertverlustes. Dabei werden jedoch zwei wichtige Tatsachen übersehen:
- Unabhängig von der Volatilität der Digital Assets beträgt der maximale Verlust ein Prozent, wenn ein Anleger nur ein Prozent in Digital Assets investiert. Im Rahmen eines Multi-Asset-Portfolios kann ein Verlust von einem Prozent aufgrund von Aktien oder anderen risikoreichen Assets mehrmals pro Monat auftreten.
- Die Rendite, die erforderlich ist, um eine mit Digital Assets vergleichbare Volatilität zu rechtfertigen, ist nicht so hoch, wie es die Anleger erwarten. Ein jährliches Wachstum der Digital Assets von über sechs Prozent würde ausreichen, um eine Investition in das hypothetische Portfolio zu rechtfertigen.
Pierre DebruWerden Digital Assets in Zukunft um mehr als sechs oder sieben Prozent wachsen? Wenn die Antwort ja lautet, dann verdienen sie es, für eine Allokation in Betracht gezogen zu werden.
In der kürzlich veröffentlichten Studie «WisdomTree Insights – A New Asset Class: Investing in the Digital Asset Ecosystem» verwenden wir verschiedene Allokationstechniken für die Ermittlung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses, das einem langfristigen Anleger in Digital Assets geboten wird. Abbildung 2 zeigt beispielsweise den Unterschied in der Sharpe Ratio eines Portfolios, das ein Prozent in Digital Assets investiert, im Vergleich zu einem Portfolio ohne Digital Assets. Das Beispielportfolio investiert konsequent in:
- 59 Prozent im MSCI All Country World
- 40 Prozent im Bloomberg EUR Agg
- 1 Prozent in Digital Assets
Die Performance und das Risiko von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren werden anhand der Long-Term Capital Market Assumptions (LTCMAs) 2022 von J.P. Morgan Asset Management geschätzt. Diese Annahmen zielen darauf ab, Renditen, Volatilität und Korrelation für die nächsten zehn Jahre zu schätzen. Es wird die historische Korrelation von Digital Assets mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren verwendet. Wir variieren die annualisierte Performance und Volatilität von Digital Assets von 0 bis 100 Prozent, um die Auswirkungen auf das Beispielportfolio zu untersuchen.
Abbildung 2: Die künftige Volatilität und Rendite von Digital Assets – berechnet in EUR auf Basis monatlicher Erträge – müsste sich drastisch ändern, damit ein Multi-Asset-Portfolio nicht davon profitiert:
Es ist klar, dass bei den meisten Volatilitäts- und Renditeniveaus von Digital Assets die Sharpe Ratio des Portfolios von deren Einbeziehung profitiert («grün» in Abbildung 2). In den letzten sieben Jahren erzielten Digital Assets eine jährliche Rendite von 99,2 Prozent bei einer Volatilität von 97 Prozent. Es ist fraglich, ob sich Digital Assets in den nächsten zehn Jahren so entwickeln können, aber unter der Annahme, dass die Volatilität gleichbleibt (99 Prozent), wird die Sharpe Ratio eines 60/40-Portfolios durch die Aufnahme von Digital Assets verbessert, solange sie mindestens sechs Prozent pro Jahr abwerfen.
Angesichts dieser Analyse könnten Anleger schliesslich argumentieren, dass es zu spät ist, in Digital Assets zu investieren und dass das exponentielle Wachstum hinter uns liegt. Dies ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Vermögensallokation nicht so relevant. Wenn man sich Abbildung 2 betrachtet, so stellt sich nicht die Shakespeare'sche Frage «in Digital Assets investieren oder nicht investieren», sondern die einzig relevante Frage: Werden Digital Assets in Zukunft um mehr als sechs oder sieben Prozent wachsen? Wenn die Antwort «ja» lautet, dann verdienen sie es, für eine Allokation in Betracht gezogen zu werden.