Fünf strukturelle Impulse für Krypto
Die Krypto-Märkte sind mit neuer Entschlossenheit in den Herbst 2025 gestartet. Nach einem turbulenten Jahresauftakt – geprägt von geopolitischen Entwicklungen, Handelskriegen und sich wandelnden makroökonomischen Narrativen – zeigen digitale Assets Anzeichen einer fortwährenden Dynamik.
Bitcoin bewegt sich weiterhin nahe seinem neu erreichten Allzeithoch von gut 124‘000 US-Dollar, die institutionellen Zuflüsse steigen und Altcoins mit realem Nutzen nehmen eine immer wichtigere Rolle ein. Hinter den Schlagzeilen vollzieht sich jedoch ein tiefgreifender Wandel. Die Marktstruktur reift, die regulatorischen Rahmenbedingungen werden klarer und Krypto etabliert sich in einem bisher ungekannten Ausmaß in der Realwirtschaft. Für Anleger ist es entscheidend, die strukturellen Faktoren zu erkennen, die Kapitalflüsse und die langfristige Akzeptanz beeinflussen werden. Hier sind fünf Kräfte, die das nächste Kapitel von Krypto vorantreiben, und ihre Auswirkungen für Anleger.
Dovile Silenskyte, Director, Digital Assets Research, WisdomTreeUnser Basisszenario geht davon aus, dass Bitcoin bei fortgesetzter geldpolitischer Expansion bis 2030 ein Niveau von 250‘000 US-Dollar erreichen könnte.
1. Die institutionelle Akzeptanz verstärkt sich selbst
Krypto ist heute alles andere als nur ein Randphänomen der Finanzwelt. Es ist inzwischen fester Bestandteil der Portfolios von Staaten, Vermögensverwaltern, Unternehmen und Hedgefonds. Die Zuflüsse in physisch unterlegte börsengehandelte Bitcoin-Produkte (ETPs) haben im vergangenen Jahr mehr als 37 Milliarden US-Dollar erreicht, wodurch sich das weltweit verwaltete Vermögen (AUM) auf knapp 148 Milliarden US-Dollar erhöht hat. Börsennotierte Unternehmen besitzen mittlerweile fast 5% der im Umlauf befindlichen Bitcoin-Menge. Die Hedgefonds-Aktivitäten boomen: Der Open Interest bei Bitcoin-Futures beträgt 45 Milliarden US-Dollar und bei Optionen 43 Milliarden US-Dollar.
Abbildung 1: Open Interest bei Bitcoin-Futures und Optionen

Durch diese Nutzung entsteht eine Eigendynamik: Mit steigender Nachfrage verbessert sich der Zugang, und mit besserem Zugang wächst die Nachfrage weiter. Selbst die britische Finanzaufsichtsbehörde (FCA) öffnet die Tür für den Zugang von Privatanlegern zu Bitcoin-ETPs.
Auswirkungen für Anleger – Die institutionelle Akzeptanz ist nun eine Marktrealität. Sie verändert die Liquidität, dämpft die Volatilität und verankert Krypto in der Mainstream-Allokation. Verzögerungen bergen das Risiko, später in einen überfüllten, weniger asymmetrischen Markt einzutreten
2. Ein günstiges Makroumfeld für Wertspeicher
Das Wiederaufleben von Krypto steht im Einklang mit allgemeinen makroökonomischen Kräften. Das US-Defizit beträgt mehr als 6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP), und die Staatsverschuldung beläuft sich auf über 34 Billionen US-Dollar und steigt weiter. Das Congressional Budget Office prognostiziert einen Anstieg der Schuldenquote auf 156% im Jahr 2025. Die Risiken einer Dollarabwertung nehmen aufgrund der expansiven Haushaltspolitik und wiederkehrender Pattsituationen hinsichtlich der Schuldenobergrenze zu. Weltweit beschleunigt sich die Entdollarisierung – China, Russland und andere Länder wickeln ihren Handel in alternativen Währungen ab und horten Gold. Vor diesem Hintergrund sticht das unpolitische, transparente Emissionsmodell von Bitcoin hervor. Unser Basisszenario geht davon aus, dass Bitcoin bei fortgesetzter geldpolitischer Expansion bis 2030 ein Niveau von 250‘000 US-Dollar erreichen könnte.
Auswirkungen für Anleger – Bitcoin vereint sowohl die Eigenschaften eines Wertspeichers (wie Gold) als auch das Aufwärtspotenzial von Wachstumswerten (wie Technologie und künstliche Intelligenz). Nur wenige Anlagen decken beide Bereiche so effektiv ab.
3. Altcoins wandeln sich von Spekulationsobjekten zu Nutzobjekten der Realwirtschaft
Die Zeiten, in denen der Anstieg des Bitcoin-Kurses alle Altcoins gleichermassen beflügelte, sind vorbei. Heute verlangen Anleger eine Integration in die reale Welt. Solana hat sich erneut als führende Blockchain für alltägliche Nutzer etabliert. Die Infrastruktur unterstützt Anwendungen, die digitale Anreize mit realer Infrastruktur (wie Funk- oder Sensornetzwerken) verbinden, Anwendungen für den Einzelhandel und Blockchain-basierte Gaming-Plattformen. Ethereum bleibt das Rückgrat für die institutionelle Akzeptanz. Das Netzwerk bildet die Grundlage für mehr als die Hälfte der im Umlauf befindlichen Stablecoins und ist führend bei der Umwandlung traditioneller Vermögenswerte wie Anleihen oder Staatsanleihen in Blockchain-basierte Token. XRP ist inzwischen ein einsatzbereites System für schnelle und kostengünstige internationale Zahlungen. Mit zunehmender Verbreitung gilt die Kryptowährung zunehmend als praktische Alternative zum traditionellen SWIFT-Netzwerk für grenzüberschreitende Überweisungen. Unterdessen werden Projekte, die keine Substanz haben, neu bewertet. Das Kapital konzentriert sich dort, wo die Akzeptanz greifbar ist.
Auswirkungen für Anleger – Es kommt auf Präzision an. Altcoins müssen anhand der Integration ihrer Anwendungsfälle bewertet werden und nicht als homogene High-Beta-Wetten auf Bitcoin.
4. Regulatorische Klarheit bringt institutionelle Kapitalflüsse in Gang
Nach Jahren der Unsicherheit hat das Jahr 2025 wichtige regulatorische Fortschritte gebracht – und zwar in Form des «US Genius Act», ein neues Gesetz, das klare Regeln für Stablecoins (digitale Token, die an traditionelle Währungen gekoppelt sind) festlegt. Das ist ein Schritt in Richtung der Integration digitaler Assets in das etablierte Finanzsystem. Europas MiCA Regelwerk, jetzt in Kraft getreten, schafft ein einheitliches Regelwerk für die EU, das Börsen, Stablecoins und Dienstleister abdeckt und so für mehr Konsistenz und Vorhersehbarkeit für Anleger sorgt. Globale Drehkreuze: Verschiedene Länder – wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die Schweiz – konkurrieren um die Führungsposition bei Krypto, indem sie regulierte Rahmenbedingungen, sichere Verwahrdienste und Zulassungen für ETPs anbieten.
Auswirkungen für Anleger – Durch regulatorische Klarheit wird das grösste Hindernis für den institutionellen Einstieg beseitigt. Der Kapitaleinsatz wird nun beschleunigt, jedoch selektiv erfolgen.
5. Die Zunahme von Tokenisierung und DeFi 2.0
Die Utility-Ebene von Krypto verzeichnet eine Renaissance.s
Abbildung 2: Die drei führenden Blockchains nach Total Value Locked

Das dezentrale Finanzwesen (DeFi) hat sich stark erholt und verfügt nun über rund 150 Milliarden US-Dollar, die in Kredit-, Handels- und Anlagepools aktiv sind. Diese Plattformen nutzen zunehmend regulierte Strukturen, Identitätsprüfungen und genehmigte Systeme, um Mainstream-Anleger anzuziehen. Es entsteht ein 28 Milliarden US-Dollar schwerer Markt für tokenisierte reale Vermögenswerte (RWAs), da Anleihen, Staatsanleihen, Private Credit und sogar Rohstoffe auf der Blockchain ausgegeben und gehandelt werden. Dadurch werden traditionelle Vermögenswerte in ein digitales Format gebracht, das leichter übertragen und programmiert werden kann. An traditionelle Währungen gekoppelte digitale Token – auch als Stablecoins bekannt – fungieren als Brücke zwischen traditioneller Finanzwirtschaft und dezentralem Finanzwesen. Sie bieten die Stabilität und Liquidität, die eine reibungslose Interaktion der Krypto-Märkte mit Banken und Zahlungssystemen ermöglichen. Zusammen kennzeichnen diese Trends den Einzug von Krypto in die Realwirtschaft.
Auswirkungen für Anleger – Das Anlageuniversum umfasst nun auch renditestarke, cashflowgebundene Instrumente. Frühe Investoren in tokenisierte Vermögenswerte und genehmigte dezentrale Finanzdienstleistungen könnten neue Renditequellen erschliessen, die in traditionellen Märkten nicht verfügbar sind.
Das Ganze in Kombination
Diese fünf strukturellen Impulse – institutionelle Akzeptanz, makroökonomische Unterstützung, nutzungsorientierte Altcoins, regulatorische Klarheit und Tokenisierung/DeFi 2.0 – treiben Krypto gemeinsam in die bislang transformativste Phase. Krypto entwickelt sich weit über seine Ursprünge als Absicherung oder Spekulationsobjekt hinaus. Es wird schnell zu einem mehrere Billionen Dollar schweren Eckpfeiler des globalen Finanzsystems. In den nächsten zehn Jahren wird es nicht darum gehen, ob Kryptowährungen überleben. Es wird darum gehen, wie schnell sie die globale Finanzwelt umgestalten.