Der geopolitischen Risiken sind viele, interessieren tun die wenigsten
Seit Monaten wird vor den geopolitischen Risiken gewarnt. Der Krieg in der Ukraine ist aus den Schlagzeilen, nicht aber aus der Realität verschwunden. Die Lage im Nahen Osten wird immer verworrener und explosiver. Die Schiffe nach Europa meiden aus Sicherheitsgründen das Rote Meer und nehmen den Umweg um Afrika in Kauf. Der militärische Druck Chinas auf Taiwan wird nach den Wahlen auf der Insel nicht kleiner werden. Donald Trump will zurück ins Weisse Haus und hat dabei gute Chancen.
Die Liste liesse sich problemlos verlängern und dennoch schreiten die Aktienmärkte von Höchst zu Höchst, zumindest in den USA und im rezessions- und streikgeplagten Deutschland. Politische Ereignisse bringen immer wieder Unruhe und Nervosität an die Finanzmärkte. Sie haben das Potenzial, negative Reaktionen an den Aktienmärkten auszulösen. Der Klassiker war der Kurssturz nach dem Ja zum Brexit in Grossbritannien. Auch der Angriff der Hamas auf Israel im letzten Oktober hat die Kurse an den Börsen unter Druck gebracht.
Politische Ereignisse wirken nur kurz
Diese Kursbewegungen werden meistens rasch wieder korrigiert, da der Einfluss politischer Ereignisse auf die Weltwirtschaft normalerweise gering ist. Grossbritannien besass einmal ein Empire, ist heute aber nicht mehr der Nabel der Weltwirtschaft. Die starke Reaktion nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine hatte nur mit der Abhängigkeit Westeuropas vom russischen Erdöl und Erdgas zu tun. Mittlerweile hat man sich neu organisiert. Die Katarer liefern ihr Gas nach Europa statt nach China. Die Chinesen und die Inder beziehen verbilligtes Erdöl aus Russland. Nicht überraschend sind die Energiepreise wieder auf die Werte vor 2022 gefallen.
Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler KantonalbankWas für die Finanzmärkte definitiv ein anhaltendes und einschneidendes Ereignis wäre, wäre ein Sanktionsregime der USA und der EU gegenüber China analog zu demjenigen gegen Russland.
Der Ausgang der Wahlen in den USA hat normalerweise auch wenig Einfluss auf die Börsen. Jeder neue Präsident weiss, dass die Wirtschaft gut laufen muss, wenn seine Partei in den Midterm-Wahlen zwei Jahre später nicht unter die Räder kommen will. Die Ideen zur Stärkung der Wirtschaft sind je nach Partei verschieden. Die Demokraten sehen ihr Heil in Ausgabenprogrammen, die Republikaner in Steuersenkungen. Das Resultat ist das gleiche. Der Staat erhöht sein Defizit, um die Wirtschaft zu stärken, und die Schulden steigen.
Risiken im Blick behalten
Was für die Finanzmärkte definitiv ein anhaltendes und einschneidendes Ereignis wäre, wäre ein Sanktionsregime der USA und der EU gegenüber China analog zu demjenigen gegen Russland. Das würde praktisch alle Sektoren und global tätige Unternehmen belasten. Darauf kann und soll man aber keine Anlagestrategie ausrichten, sonst verpasst man zu viele positive Marktentwicklungen, wie die letzten Monate einmal mehr gezeigt haben. Die Risiken auszublenden ist aber auch naiv. Vielmehr muss man sie mit der nötigen Demut im Auge behalten, auch wenn man sich nicht dagegen wehren und positionieren kann. Eine gute Diversifikation der Anlagen und ein liquider Handel der Positionen auch in heiklen Zeiten sind wichtig und geben die nötige Handlungsfreiheit, bei Bedarf zu reagieren. Dazu kommt ein Kernportfolio mit Aktien von Unternehmen, die nicht beim ersten Seitenwind in Schieflage geraten. Etwas Gold dazu kann auch nicht schaden, zumindest für das gute Gefühl im Krisenfall.