Rekordverschuldung und steigende Zinskosten: Die Regierungen stehen vor der Abrechnung

Laut dem jährlichen Sovereign Debt Index von Janus Henderson stehen die Regierungen vor einer schmerzhaften Abrechnung, denn die Rekordverschuldung und die höheren Zinssätze führen zu einer Verdoppelung der Kreditkosten in den nächsten drei Jahren. Dies wird die Steuerzahler und die öffentlichen Dienste erheblich belasten. Für Investoren bieten sich aber auch Chancen.

2022 und 2023 haben sich die Staatsfinanzen weltweit dramatisch verändert. Ende letzten Jahres war der Gesamtwert der weltweiten Staatsverschuldung auf währungsbereinigter Basis um 7,6% auf den Rekordwert von 66,2 Billionen US-Dollar gestiegen. Das ist doppelt so viel wie 2011. Die US-Regierung hat 2022 mehr zusätzliche Kredite aufgenommen als alle anderen Länder zusammen. Die Kosten steigen drastisch an. Die Zinsaufwendungen der Regierungen stiegen 2022 um fast ein Fünftel (+20,9% währungsbereinigt) auf den Rekordwert von 1,38 Billionen US-Dollar. Dies war der höchste Anstieg seit 1984 und spiegelt sowohl die steigenden Zinssätze als auch den zunehmenden Schuldenstand der Staaten wider. Der effektive Zinssatz, der ältere, billigere Anleihen mit einschliesst, stieg 2022 auf 2,2% und damit um ein Siebtel im Vergleich zum Vorjahr.

Die Schweiz gehört zu den am wenigsten verschuldeten Ländern der Welt, mit einer Verschuldung im Verhältnis zum BIP von 28%, die unter den beobachteten europäischen Ländern nur von Luxemburg geschlagen wird.

Jim Cielinski, Global Head of Fixed Income, Janus Henderson

Diese Kosten steigen weiter an, da neue Anleihen zu höheren Zinssätzen ausgegeben und ältere, billigere Schulden getilgt werden. 2025 wird der effektive Zinssatz bei 3,8% liegen, fast drei Viertel höher als 2022. Das wird die Regierungen sehr teuer zu stehen kommen. Bis 2025 werden sie weltweit 2,80 Billionen US-Dollar für Zinsen ausgeben müssen, mehr als doppelt so viel wie 2022. Dies wird zusätzliche 1,2% des BIP kosten, wodurch Mittel von anderen öffentlichen Ausgaben abgezogen oder Steuererhöhungen erforderlich werden. Die USA sind davon besonders stark betroffen. Hinzu kommen Verluste aus den QE-Anleiheportfolios der Zentralbanken, die durch Steuergelder ausgeglichen werden müssen. Damit werden die vor 2022 von den Zentralbanken an die Finanzministerien der Regierungen gezahlten Gewinne aus diesen Anleihen umgekehrt.

Aufgrund der laufenden jährlichen Defizite wird die Verschuldung weiter steigen und bis 2025 77,2 Billionen US-Dollar erreichen. Die globale Schuldenlast wird von heute 78% des BIP auf 79% des BIP im Jahr 2025 steigen.

Jim Cielinski

Die Schweiz gehört zu den am wenigsten verschuldeten Ländern der Welt, mit einer Verschuldung im Verhältnis zum BIP von 28%, die unter den beobachteten europäischen Ländern nur von Luxemburg geschlagen wird. Während die europäischen Staaten im Jahr 2022 eine um neun Prozentpunkte höhere Gesamtverschuldung (89% Schulden im Verhältnis zum BIP) aufweisen als vor der Pandemie, kommt die Schweiz mit einem Anstieg von nur 2,3 Prozentpunkten aus», hebt Fedor Plambeck, Director of Sales Switzerland bei Janus Henderson, die Situation der Schweiz hervor. Die Gesamtverschuldung der Schweiz stieg 2022 um 4,7% auf 211 Milliarden CHF (228 Milliarden US-Dollar), aber die gezahlten Zinsen haben sich mehr als verdoppelt. Den Schweizer Steuerzahler dürfte dies kaum stören, denn die Zinskosten des Landes stiegen von einem Rekordtief von 630 Millionen CHF (660 Millionen US-Dollar) im Jahr 2021 auf fast ebenso unbedeutende 1,3 Milliarden CHF (1,4 Milliarden US-Dollar), etwa 0,2% des BIP, verglichen mit 0,8% in Deutschland im Jahr 2022. Die Zinsausgaben dürften sich 2023 noch einmal verdoppeln und das Niveau von 2016 erreichen. Danach werden sie weiter steigen, da die Anleihen nach den Negativzins-Experimenten der letzten Jahre zu normaleren Zinssätzen refinanziert werden. Ende 2022 lag die Verschuldung der Schweiz pro Person bei 25.170 CHF (25.964 US-Dollar), nur 2.722 CHF mehr als 2019. Die Schweiz hat mit rund 15% des BIP von 2022 die grössten QE-Verluste aller Länder zu verkraften, aber sie hat auch enorme Reserven an ausländischen Vermögenswerten angehäuft, um den Wert des Frankens niedrig zu halten, so dass sie sich in einer komfortableren Lage befindet als viele andere Länder.

Der Zinsstraffungszyklus nähert sich seinem Ende. Die Anleger werden davon profitieren.

Jim Cielinski

Das Ausmass der Staatsverschuldung und die Höhe der Kosten für deren Bedienung sind für die Gesellschaft von enormer Bedeutung, da sie die Entscheidungen über Steuern und öffentliche Ausgaben beeinflussen und Fragen der Generationengerechtigkeit aufwerfen. Seit der globalen Finanzkrise haben die Regierungen erstaunlich sorglos Kredite aufgenommen. Nahezu Nullzinsen und umfangreiche QE-Programme der Zentralbanken haben eine so starke Ausweitung der Staatsverschuldung möglich gemacht. Die Anleihegläubiger verlangen jetzt jedoch als Ausgleich für Inflation und steigende Risiken höhere Renditen, was zu einer erheblichen und steigenden Belastung der Steuerzahler führt. Der Übergang zu normaleren Finanzierungsbedingungen erweist sich als ein schmerzhafter Prozess. Wir gehen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten deutlich abschwächen und die Inflation stärker zurückgehen wird als von den meisten erwartet. Der Markt rechnet mit einer relativ weichen Landung der Weltwirtschaft – eine Verlangsamung des Wachstums, aber keine völlige Abkühlung, ausser in einer Handvoll von Volkswirtschaften. Wir glauben, dass dies falsch ist. Das schiere Volumen der Schulden von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen bedeutet nämlich, dass die Zinssätze nicht mehr in dem Umfang steigen müssen wie in der Vergangenheit, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Der Zinsstraffungszyklus nähert sich seinem Ende. Die Anleger werden davon profitieren. Die Renditen von Anleihen aller dürften im kommenden Jahr sinken, sodass die Kurse steigen werden. Anleihen mit kurzer Laufzeit bieten derzeit höhere Renditen, da sie enger an die Leitzinsen der Zentralbanken gebunden sind. Wer Erträge erzielen und ein geringeres Risiko in Kauf nehmen will, ist damit gut bedient, wird aber weniger Kapitalzuwachs verzeichnen können. Der Spielraum für Kapitalgewinne ist bei Anleihen mit längeren Laufzeiten deutlich grösser. Wir erwarten, dass diese im nächsten Jahr gut abschneiden werden, wenn die Wirtschaft unter Druck gerät.

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