Gelassenheit und ein genaues Beobachten zeichnen erfolgreiche Anleger aus
Zwei Drittel des Jahres sind vorbei. Der Sommer ist es auch, zumindest meteorologisch. Die Aufzählung aller Ereignisse und Aufreger in diesem Jahr würde diesen Kommentar sprengen. Meistens ausgelöst durch Donald Trump, raste die Welt von einer «Breaking News» zur nächsten.
An den Finanzmärkten ging diese Aufregung jedoch vorbei. Nur im April, nach der ersten Ankündigung der US-Zölle, blinzelten die Aktienmärkte kurz und der Wert des US-Dollars wurde in einem tektonischen Beben um 10% nach unten gedrückt. Die Aktienbesitzer erfreuen sich dennoch an den Dividenden und einem schönen Kursgewinn. Die Kapitalmarktzinsen und der Euro sind etwa dort, wo sie Anfang Jahr waren. Das Gold glänzt und die Kryptowährungen werden von Trump und seiner Entourage mit grossem Effort nach oben getrieben. Das Jahr 2025 bietet aber auch Anschauungsunterricht, wie man sich in einem stetig wandelnden Umfeld als Anleger verhalten soll.
Thomas Stucki, Chief Investment Officer, St.Galler KantonalbankWer an den Finanzmärkten mit einem vernünftigen Risiko etwas verdienen will, kommt um eine solide Aktienquote nicht herum.
Wir haben in unserem Anlagekomitee in den letzten sechs Monaten so wenige taktische Allokationsveränderungen vorgenommen wie wahrscheinlich noch nie, und sind damit gut gefahren. Wenn die Struktur des Portfolios und die Qualität der gehaltenen Titel gut ist, kann man auch einmal von der Seitenlinie zuschauen, wie sich die Akteure auf dem Feld hin- und herbewegen. Entscheidend ist dabei, dass man nicht unter Druck gerät, im dummen Moment einzuschreiten. Die Aktienquote darf nur so hoch sein, dass man auch in Phasen mit Kursrückgängen noch gut schlafen kann. Die Diversifikation muss so gut sein, dass man den Kurseinbruch eines Titels nach schwachen Unternehmenszahlen zur Kenntnis nehmen kann, weil die anderen Positionen den Verlust kompensieren. Die Auswahl der Produkte ist so gewählt, dass man nachvollziehen kann, warum ihr Preis steigt oder fällt und dass man vom Ausmass der Bewegung nicht überrascht wird.
Renditetreiber und Stabilisatoren
Wie die Figuren auf einem Schachbrett hat jede Position im Portfolio ihren Auftrag. Die Aktien sind der Renditetreiber. Im aktuellen Tiefzinsumfeld sind sie für die Performance verantwortlich. Wer an den Finanzmärkten mit einem vernünftigen Risiko etwas verdienen will, kommt um eine solide Aktienquote nicht herum. Vorübergehende Rückschläge müssen in Kauf genommen werden. Die Obligationen sind der wichtigste Stabilisator im Portfolio. Die Rendite ist zwar tief, aber höher als im Geldmarkt oder auf dem Konto. Damit die Obligationen ihre Funktion erfüllen können, muss der Bonität der Emittenten entsprechend Sorge getragen werden. Werden sie mit übermässigen Kredit- oder Währungsrisiken aufgeladen, sind sie falsch eingesetzt. Da Obligationen in der Regel bis zum Verfall gehalten werden, ist eine gute Staffelung der Laufzeiten wichtig. Etwas Gold ist ein guter und krisenresistenter Portfoliobestandteil. Eine exotische Ergänzung hilft dem Portfolio zwar nicht, aber zumindest dem Ego. Läuft sie gut, kann man das jedem erzählen. Läuft sie schlecht, kann man es für sich behalten, ohne dass es den Anlageerfolg als Ganzes in Frage stellt.
Trotz allem: Augen offenhalten
Die Finanzmärkte lassen sich vom lauten Gepolter von Trump jeweils nur kurzfristig beeindrucken. Die daraus resultierenden Bewegungen kann man getrost ignorieren. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass es irgendwann doch zu einem grösseren und länger anhaltenden Einbruch kommen kann. Deshalb ist trotz Gelassenheit ein genaues Beobachten der Vorgänge nötig. Einschneidende Negativphasen sind fast immer die Folge einer schweren Rezession der US-Wirtschaft. Das war sowohl nach dem Platzen der Dot-Com-Blase 2001 wie auch nach der Finanzkrise 2008 der Fall. Die US-Konjunktur zeigt in einzelnen Bereichen Anzeichen der Schwäche. Von einem breiten Einbruch ist sie aber weit entfernt. Dafür sind die Einkommen der Haushalte zu gut und ist die Arbeitslosenrate zu tief.