Wieder im Fokus: Dividendenstrategien

Dividendenstrategien waren über mehrere Jahre eher weniger gefragt, das hat sich mit dem aktuellen geopolitischen Umfeld jedoch geändert – gekommen, um zu bleiben, oder doch eher von kurzer Dauer? Die Entwicklungen in Politik und Wirtschaft werden es weisen.

Auch wenn der Ukrainekrieg das Ausmass der geopolitischen Risiken erst dramatisch verdeutlicht, zeigte sich deren Zunahme schon in den letzten Jahren – auf globalem Parkett konnte man schon seit einiger Zeit das Ringen der amerikanischen und chinesischen Grossmächte um die Vorreiterstellung im weltpolitischen Gefüge beobachten, ebenso wie das Erstarken autoritärer Regime. Auch die konkreten Gefahren von Cyberangriffen, Pandemien oder dem Klimawandel lassen sich nicht mehr übersehen. All dies beeinflusst das Verhalten von Anlegern, die sich zunehmend wieder auf Aktien von Unternehmen mit erprobten konservativen Geschäftsmodellen fokussieren. Und die zeichnen sich in der Regel eben auch durch hohe Dividenden aus.

Eine der Lehren aus den durch die Corona-Pandemie gestörten Lieferketten dürfte eine beschleunigte Deglobalisierung in technologischen Kernbereichen wie der Halbleiterindustrie sein.

Thomas Schüssler, Global Co-Head Equities, DWS

Ein Blick auf Rohstoffe zeigt, dass insbesondere Unternehmen aus diesem Sektor bereits in der Vergangenheit nicht unerhebliche Summen ausgeschüttet haben, insbesondere Energiekonzerne. Der – verstärkt durch den Ukrainekrieg – drastisch gestiegene Ölpreis könnte hier für einen weiteren Anstieg an Dividendenausschüttungen führen. Und noch von einer anderen Entwicklung könnten die Energiekonzerne profitieren: Obwohl deren Ausschüttungen schon länger attraktiv waren, haben viele Anleger nicht zugegriffen, da die Geschäftsmodelle der Unternehmen aus ESG-Gründen angegriffen wurden. Jetzt aber hat die hohe Abhängigkeit zahlreicher Länder von fossilen russischen Energieträgern zu einer neuen Wertschätzung der Vorkommen in der eigenen Hemisphäre gesorgt; zumindest solange, bis der Energiebedarf zuverlässig aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann. Dies dürfte sich auch in einem künftig stärkeren Engagement von Investoren niederschlagen, wobei wohl vor allem die Ölfirmen aus den USA im Fokus stehen werden.

Nicht nur die Rohstoffpreise sind zuletzt nach oben geklettert. Auch die aufgrund der Corona-Beschränkungen gestörten Lieferketten haben viele Halb- und Fertigprodukte teils drastisch verteuert. So stiegen die Verbraucherpreise massiv. Diese Entwicklung macht Unternehmen mit hohen Dividenden schon allein als Inflations-Hedge interessant. Derzeit spricht zudem einiges für ein weiterhin erhöhtes Level beim Anstieg der Verbraucherpreise: Eine der Lehren aus den durch die Corona-Pandemie gestörten Lieferketten dürfte eine beschleunigte Deglobalisierung in technologischen Kernbereichen wie der Halbleiterindustrie sein. Denn um den Geschäftsbetrieb auch in künftigen Krisenzeiten aufrecht erhalten zu können, werden Unternehmen aus den Industrieländern die Fertigung zumindest teilweise wieder aus den Schwellenländern zurückholen. Darüber hinaus wird der Kampf gegen die Erderwärmung zu einer strukturellen Inflation beitragen, da Regierungen an der Steuerschraube drehen werden müssen, um besonders klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen für die Verbraucher unattraktiver zu machen. Und mit den anziehenden Preisen steigen auch die Zinsen. Und da ein Aktienkurs bekanntermassen den abgezinsten künftigen Cashflow eines Unternehmens reflektiert, reagieren Wachstumstitel mit ihrem Fokus auf der langfristigen Entwicklung in der Regel deutlich negativer auf steigende Zinsen, als Dividendenpapiere.

Das für Dividendenstrategien günstige Umfeld könnte sich also fortsetzen. Eine Mischung aus weiterhin hohen Preisen und Zinsen, einer abnehmenden Skepsis gegenüber nicht ESG-top-gerateten Titeln sowie ihr Beitrag zum Inflations-Hedge machen diese Strategien für Anleger interessant. Doch welche Sektoren sollten Anleger dabei genauer unter die Lupe nehmen? Neben den Rohstoffwerten könnten sich Aktien aus der Pharmaindustrie oder dem stabilen Konsum als besonders lukrativ erweisen. Nach dem Ende des Kriegs und der Lockdowns in China könnte die daraus resultierende Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds auch zu Kurspotenzial bei zyklischen Industrieunternehmen aus Europa führen.

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