Die vertrackte Suche nach Immobilienblasen

Mehr denn je fürchten Immobilieneigentümer das Platzen einer Blase. Aber solange Zinsen und Inflationsraten niedrig sowie die Nachfrage von Selbstnutzern hoch bleiben, ist die Gefahr begrenzt.

Immobilienblasen sind keine Luftnummern. Sie platzen nicht ohne grosse Folgen, sondern haben das Zeug, ganze Volkswirtschaften in eine Krise zu treiben. Dies betrifft insbesondere die Fälle knapp kalkulierter Wohnliegenschaften. Wenn dann der Markt einbricht und es bei den Zins- und Tilgungszahlungen für die Hypotheken klemmt, leiden zunächst die Banken, die diese Darlehen vergeben haben. Ihre Not weitet sich über mehrere Stufen aus, bis schliesslich ein ganzes Land am Tropf hängt. Die Schweiz hat dies in den neunziger Jahren bitter erfahren. Pessimisten sehen heute rund um die Welt Immobilienblasen reifen. Gewissheit kann niemand vermitteln, aber lassen sich vielleicht einige Warnzeichen ergründen?

Ausgehend von der sogenannten Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende, ist die «Blase» in der Wirtschaft zu einem furchteinflössenden Begriff geworden. Die Schweizer Grossbank UBS beutet dies geschickt mit ihrem «Real Estate Bubble Index» für Wohneigentum aus, der auch für grosse Metropolen rund um die Welt ermittelt wird. Dabei ziehen die Studienautoren fünf Subindices zu Rate: Kaufpreis-Einkommens- und Kauf-Mietenverhältnis, Veränderung des Hypothekenanteils am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP), Veränderung des Anteils des Baugewerbes am BIP sowie das Preisgefälle zwischen Stadt und Land. Das klingt ziemlich gekonnt. Dennoch bekräftigt die UBS zu ihrem jüngsten globalen Index warnend, die Methode könne das Blasen-Phänomen nicht völlig erfassen. Die Schlussfolgerung: «Wir können nicht vorhersagen, ob oder wann eine Korrektur eintritt.» Damit ist der UBS-Blasenindex genau genommen ein Blasenrisikoindex.

Hypothekenvergabe ein wichtiges Indiz
Immerhin weisen die Fachleute im Vorwort des Berichts darauf hin, dass historisch gesehen ein Absturz am Häusermarkt wahrscheinlich wird, wenn sich die Leute die Preise immer weniger leisten können, die Hypotheken eine kaum mehr zu tragende Last werden und die Differenz zwischen Kaufpreisen und Mieten länger steigt. Vor dem wachsenden Umfang ausfallgefährdeter Hypothekendarlehen warnte im Oktober auch die Europäische Zentralbank (EZB). Weitere Einblicke vermitteln die einzelnen Metropolen im UBS Bubble Index. Die Blasengefahr beim Spitzenreiter Frankfurt am Main hat sich zusätzlich dadurch verschärft, dass die um 3 Prozent im Jahr steigenden Mieten inzwischen viele Immobilieninvestoren anlocken. Wichtig: Ein gesteigertes Investoreninteresse registriert das Schweizer Bewertungsunternehmen Wüest Partner laut seinem jüngsten Immo-Monitoring in vielen Städten Europas, so Robert Weinert, Leiter der regelmässig erscheinenden Studie.

Betrachten Sie Marktschwankungen als Ihren Freund und nicht als Ihren Feind; profitieren Sie von der Dummheit anderer, anstatt daran teilzunehmen.

Warren Buffet

Signale senden nicht nur die erreichten Preisniveaus, sondern auch lange währende Preisanstiege aus. Allein seit 2016 sind die Angebotspreise für Eigentumswohnungen in Deutschlands Städten und grösseren Gemeinden um mehr als 62 Prozent gestiegen. In Zürich haben sich die Transaktionspreise seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Die Finanzkrise verursachte da nicht mehr als eine Delle. Dessen ungeachtet sagen bedeutende Makler nach den gut 6 Prozent binnen Jahresfrist weitere Preisanstiege voraus, dies aufgrund der grossen Schere zwischen Angebot und Nachfrage hierzulande. Zusammen mit tiefen Zinsen führt dies rasch zu langfristig höheren Niveaus. Jene Experten, die – wie die Nationalbank (SNB) - seit Jahren vor einer hohen «Verwundbarkeit des Hypothekar- und Immobilienmarkts» warnen (SNB im Quartalsheft September), bleiben bis zum Beweis des Gegenteils Rufer in der Wüste. Vielmehr haben Corona und der Wunsch nach Home Offices jüngst die Preise zusätzlich befeuert, dies vor allem ausserhalb der Ballungszentren.

In den Vereinigten Staaten sind die Häuserpreise in den vergangenen zwölf Monaten um rund 17 Prozent in die Höhe geschossen. Zwischen 10 und 15 Prozent waren es auch in Kanada und Schweden. Das ist keinesfalls gesund. Die Binsenweisheiten, dass Preissprünge die Preise weiter in die Höhe treiben und Immobilienblasen erst nach deren Platzen sichtbar werden, helfen nicht wirklich weiter. Hält die Finanzkrise ab 2007 irgendwelche Lehren bereit? Es war ein Absturz mit, wenn auch nicht völlig eindeutiger Ansage. Spätestens Mitte 2006 wurde klar, dass die Party am amerikanischen Häusermarkt zu Ende war. Mit sinkenden Preisen wackelten viele Finanzierungen, in erster Linie diejenigen der vielen schwachen Schuldner, die sogenannten Subprime-Hypotheken. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos warnte Anfang 2007 der amerikanische Ökonom Nouriel Roubini vor einem allgemeinen Kollaps. Entscheidungsträger übten sich indes in einer illusionären Schadensbegrenzung, so zum Beispiel Fed-Chef Ben Bernanke, der noch im März 2007 die Folgen der Probleme mit den todgeweihten Hypotheken als «wahrscheinlich begrenzt» einstufte. Die Hypothekenvergabe ist ein wichtiges Indiz für die Marktverfassung. Schon 2005 erreichten die neuen Subprimes, die kaum Tragbarkeitskriterien unterlagen, sondern auf weiter steigende Immobilienpreise bauten, einen Umfang von 625 Milliarden Dollar, wie Michael Lewis in seinem Bestseller «The Big Short» schreibt. Davon waren gut 500 Milliarden Dollar als – wie sich zeigte – toxische Hypothekenanleihen rund um die Welt wild gestreut worden. Zumindest in der Hypothekenvergabe haben die Aufsichtsbehörden inzwischen gelernt. Dies gilt gerade für die Schweiz.

In der Schweiz (noch) keine Spekulationswelle
Daniel Stocker vom internationalen Immobilienmakler Jones Lang LaSalle in Zürich hält absehbar platzende Immobilienblasen vor allem dann für möglich, wenn Spekulanten en masse in den Markt einsteigen. Danach sehe es vorläufig (und im Gegensatz zum Ende der achtziger Jahre bei Geschäftsliegenschaften) nicht aus. Das meint auch Heinz Huber, CEO von Raiffeisen. Tatsächlich trifft eine starke Nachfrage von Selbstnutzern gepaart mit extrem günstigen Finanzierungsbedingungen in der Schweiz auf ein zumeist knappes Angebot. Hinzu komme, dass die Banken in der Hypothekenvergabe vergleichsweise stark reguliert seien, sagt UBS-Experte Matthias Holzhey und ergänzt: «Ein Crash zum Beispiel an den Finanzmärkten trifft zunächst in erster Linie grosse Immobilienentwickler. Selbstnutzer können eine Finanzkrise in der Regel aussitzen, sofern sich die Finanzierungsbedingungen nicht drastisch verschlechtern.»

Gelassenheit wäre ein schlechter Rat: Schon länger weisen die meisten Indikatoren für drohende Immobilienblasen nach oben. Corona hat die wichtigen Abstände zwischen Kaufpreisen und Mieten sowie Einkommen zusätzlich ausgeweitet. Ein längerer Börsencrash, eine hartnäckige Rezession oder gar Stagflation oder das massenhafte Auftreten von Spekulanten könnten diese Konstellation erschüttern. Dies zeichnet sich vorläufig nicht ab, zumindest nicht hierzulande. Wolken am Immobilienhimmel ziehen daher bis auf weiteres wohl nur als die Schleierwolken sich abflachender Preisanstiege heran. Die Beratungsfirma Wüest Partner, für welche die Preise in den vergangenen Monaten «geradezu in neue Sphären» vorgedrungen sind, formuliert dies fast beschwörend: «Damit die Stabilität des Wohneigentumsmarktes erhalten bleibt, wäre eine Entschleunigung der Preisdynamik wünschenswert», schreibt sie in ihrem jüngsten Immo-Monitoring.

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