Schweizer Eigenheimmarkt hebt sich vom Ausland ab

Die global steigenden Zinsen dämpfen die Nachfrage nach Wohneigentum im Ausland spürbar. Länder wie Schweden und Neuseeland vermeldeten zuletzt Rückgänge bei den Immobilienpreisen im zweistelligen Prozentbereich.

In der Schweiz zeigen sich die Immobilienpreise insbesondere wegen der vergleichsweise tiefen Inflation weiterhin kaum beeindruckt vom Zinsanstieg. Zudem bieten Freiheiten bei der Produktwahl Hypothekenschuldnern die Möglichkeit, mit Geldmarkthypotheken Zinsspitzen bei Festhypotheken zu brechen. Auch die Tragbarkeitsregeln bei der Hypothekarvergabe immunisieren den hiesigen Markt, da sie mit kalkulatorischen Zinsen rechnen, die selbst beim nun herrschenden Zinsniveau noch in weiter Ferne liegen. «Die einzigartigen Eigenschaften der eidgenössischen Wirtschaft und ihres Immobilienmarktes mit zahlreichen Stabilisatoren dürften dafür sorgen, dass wir auch diese Krise viel besser meistern werden als andere Länder», ist Martin Neff, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, überzeugt.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Marktmieten stark anziehen.

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen

Dank der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen vom steuerbaren Einkommen schlagen sich Zinserhöhungen hierzulande nur gedämpft auf das Budget der Haushalte nieder. Bei einem theoretischen Anstieg der Hypothekarzinsen von einem Prozent auf drei Prozent könnte bei einer durchschnittlichen Eigentumswohnung mehr als ein Viertel des effektiven Zinskostenanstiegs durch Steuerersparnisse kompensiert werden. «Unser Steuerregime übt einen stabilisierenden Effekt auf den Eigenheimmarkt aus. Die jüngsten Zinsanstiege wären ansonsten noch deutlich schmerzhafter für neue und bestehende Eigentümerinnen und Eigentümer ausgefallen», so Martin Neff.

Knappheit überlagert Zinseffekt
Obwohl die ein hohes Bevölkerungswachstum aufweist, ist die Wohnbau-Projektpipeline hierzulande eine der dünnsten. Die ohnehin schon allgegenwärtige Knappheit im Schweizer Immobilienmarkt hat sich zuletzt noch einmal deutlich akzentuiert. Das zeigt sich derzeit vor allem am Mietwohnungsmarkt, wo die Zahl der ausgeschriebenen Wohnungen weiter markant abnimmt. Gleichzeitig lässt ein spürbarer zusätzlicher Zuwanderungsimpuls die Nachfrage nach Wohnraum weiter in die Höhe schnellen und es sind weiterhin keine Anzeichen einer Angebotsausweitung auszumachen. Die Leerstände schmelzen entsprechend weiter im Rekordtempo dahin. «Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis die Marktmieten stark anziehen», ist Neff überzeugt.

Asymmetrien im Mietwohnungsmarkt
Keinen sprunghaften Anstieg wird es dagegen bei den mietrechtlich geschützten Bestandsmieten geben. Zwar wird der hypothekarische Referenz-Zinssatz, an dem sich die Mietzinsen orientieren, 2023 voraussichtlich erstmals in seiner bald 13-jährigen Geschichte steigen, aber von der ersten Erhöhung dürften Schätzungen zufolge «nur» rund 45 Prozent der Mieter betroffen sein. Grund dafür ist, dass ein Grossteil der Haushalte in der Phase sinkender Referenz-Zinssätze nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, Mietzinssenkungen einzufordern. «Von der erstmaligen Erhöhung des Referenz-Zinssatzes unmittelbar betroffen sind vorerst lediglich die rund 18 Prozent der Mieterhaushalte, welche die letzte Referenz-Zinssatzsenkung eingefordert haben, sowie die insgesamt rund 27 Prozent der Haushalte, die seit der Senkung umgezogen sind oder neu gegründet wurden», erklärt Martin Neff.

Auf Kulanz der Vermieter können nur die wenigsten betroffenen Mieter hoffen.

Martin Neff

Mangels Erfahrungen mit einem steigendem Referenz-Zins ist schwer abschätzbar, wie viele Vermieter auch tatsächlich Mietzinserhöhungen durchsetzen werden. Wie bei Referenz-Zinssatzsenkungen gibt es auch in die Gegenrichtung keinen Automatismus bei der Weitergabe höherer Mietzinsen. Von einer gewissen Asymmetrie ist jedoch auszugehen, da Vermieter in der Regel besser über die Mechanismen und Spielregeln im Markt informiert und professioneller organisiert sind. Gerade institutionelle Investoren sind ihren Kunden gegenüber verpflichtet, eine renditeorientierte Bewirtschaftung ihrer Immobilien-Portfolios vorzunehmen. «Auf Kulanz der Vermieter können deshalb nur die wenigsten betroffenen Mieter hoffen», so Neff.

Robuste Verkaufsflächenmärkte
Trotz des durch die Pandemie beschleunigten Strukturwandels hin zu mehr Onlinehandel zeigt sich der Schweizer Markt für Verkaufsflächen äusserst stabil. Mit dem rückläufigen Wohnungsbau nimmt derzeit automatisch auch das zusätzliche Angebot an Verkaufsflächen ab. Denn viele Retail-Flächen werden vor allem aufgrund mancherorts bestehender Bau- und Zonenordnung, die den öffentlichen Raum belebende Erdgeschossnutzungen vorschreibt, erstellt. Neben dieser angebotsseitigen Verknappung stützt eine überraschend rege Nachfrage den Markt. Die Zahl der neugegründeten Firmen im Retail-Segement übersteigt die Zahl der Konkurse weiterhin deutlich. «Zudem sorgen eigentlich branchenfremde Abnehmer, die vorwiegend persönliche Dienstleistungen anbieten, für sinkende Leerstände und damit stabile Mieten im Markt, auf den schon länger ein Abgesang stattfindet», erklärt Neff.