Über digitale Nebenwirkungen
Vielleicht sagt Ihnen ja der Name Bebe Rexha was? Mir war die Dame bislang, offen gesagt, kein Begriff. Eine kleine «Bildungslücke», denn sie ist offenbar eine ziemlich erfolgreiche amerikanische Popsängerin. Sei’s drum weder sie noch Popmusik ist heute das Thema, sondern das Smartphone. Bebe Rexha wurde nämlich von einem solchen getroffen.
Ja, Sie haben richtig gelesen, denn anlässlich eines Konzerts in New York warf ihr ein Konzertbesucher ein Handy an den Kopf. Dass ein Handy auch als Wurfgeschoss genutzt werden kann, war mir bisher nicht bekannt. Es hinterliess jedenfalls sichtbare Spuren im Gesicht des Popstars, wie man auf diversen Fotos im Netz sehen kann. Konkret: eine Backenbeule, ein Veilchen und einen Cut knapp unterhalb der Augenbraue.
Damit kam Bebe Rexha eigentlich noch glimpflich davon. Glimpflicher zumindest als Tausende Verkehrstote, welche am Steuer, auf dem Fahrrad oder zu Fuss statt auf die Strasse auf ihr Handy fixiert sind. Natürlich gibt niemand freiwillig zu, dass er, bevor es knallte, eine SMS absetzte oder sonst wie mit dem Handy spielte, aber ich behaupte jetzt mal ganz frech, dass auch hierzulande das Handy den Alkohol als wichtigste Unfallursache abgelöst hat. In Österreich oder Deutschland ist dies schon länger aktenkundig. Zwei Drittel der Fussgänger telefonieren regelmässig, ein Drittel liest Texte, über 40 Prozent schreiben Nachrichten und gar fast die Hälfte tut dies oder jenes auch beim Überqueren der Strasse. Nicht von ungefähr kommt der Begriff «Smombie», eine Wortschöpfung aus Smartphone und Zombie, die es 2015 zum Jugendwort des Jahres geschafft hat. In Reutlingen, einer Gemeinde in Süddeutschland, wurde zeitweise tatsächlich neben einer Schule spasseshalber ein Schild aufgestellt, das vor Smombies warnte. Weniger scherzhaft geht es in Litauen zu. Wer dort beim Überqueren einer Strasse mit dem Handy im Visier ertappt wird, muss mit einer Busse von bis zu zwölf Euro rechnen. Auch hierzulande gibt es teils saftige Bussen, wer am Steuer eines Kraftfahrzeugs das Handy nutzt. Und auch Fahrradfahrern drohen saftige Bussen (mindestens CHF 100), wenn sie während der Fahrt das Handy benutzen. Allerdings wird ein solches Vergehen eher selten geahndet. Gerade in den Grossstädten gehören «surfende» Velofahrer fast schon zum Stadtbild und «surfende» Fussgänger sowieso. Apropos Fussgänger: In etlichen Städten Europas gibt es heute sogenannte Bompeln. Das sind am Boden angebrachte Ampeln, die den zum Boden gerichteten Blick der Handynutzer durch Blinken auf eine vermeintliche Gefahr aufmerksam machen sollen. Etliche Pilotversuche mit Bompeln haben aber nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Denn vor allem die «heavy smartphone user» gehören einer ziemlich unbelehrbaren und gedankenverlorenen Gemeinde an. Wahrscheinlich müsste man denen jeweils direkt einen Warnton aufs Handy übermitteln, damit der Blick mal weg vom Handy schweift. Es scheint mir nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass ich das noch erlebe. Auch Kleinkinder sind schon Opfer von Handys geworden, wenn Mama oder Papa das Ding aus den Händen gleitet und dann ausgerechnet auf dem Kopf des Babys landet. Die Liste, was für teils verrückte Unfälle und Verletzungen das Handy zumindest mitverursacht hat, ist schier endlos.
Martin Neff, ehemaliger Chefökonom RaiffeisenWürde die Börse nicht nur bewerten, sondern auch Werte berücksichtigen, müsste sie massive Abschläge einpreisen, etwa aufgrund eventueller Risiken und Nebenwirkungen.
Wie heisst es doch so schön, wenn Sie den Beipackzettel eines Medikamentes lesen? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Apropos: Nicht die Apothekerin, wie mir eben auffällt, was dem Woke-Wahnsinn wohl (noch) durch die Lappen ging. Auf der Packung und in der Anleitung meines eben neu erstandenen Smartphones ist von Nebenwirkungen nirgends die Rede, geschweige denn von Kollateralschäden. Dabei greift dieses kleine Ding immer stärker in unser Leben ein. Und es birgt Gefahren, die weit über das Beschriebene hinausgehen. Sie erinnern sich vielleicht noch an die idiotischen Botellóns, Massenbesäufnisse meist jugendlicher Teilnehmer, zu denen im Internet aufgerufen wurde. Etwa über Facebook, so geschehen in Zürich im Jahre 2008 und auch in Genf. Innert kürzester Zeit meldeten sich damals einige Tausend Personen dafür an. Und hinterliessen Berge von Müll und Chaos. Ausnahmsweise eine rühmlichere Rolle kam Facebook wohl im Arabischen Frühling zu. Nicht wenige namhafte Medien kamen zum Schluss, dass soziale Netzwerke die im Netz schwelenden Proteste auf die Strasse brachten. Das Handy spielt auch hier eine wichtige Rolle, denn es ermöglichte die mobile Kommunikation der Aufständischen in Echtzeit. Und auch bei den derzeitigen Jugendkrawallen in Frankreich kann man getrost davon ausgehen, dass die meisten Krawallmacher ihre Verabredungen via Handy trafen.
Apple wird an der Börse mittlerweile mit über 3 Billionen US-Dollar bewertet – fast dreimal so viel wie der gesamte schweizerische Aktienmarktindex SMI (Marktkapitalisierung). Social-Media-Konzerne sind ebenfalls enorm hoch bewertet. Würde die Börse nicht nur bewerten, sondern auch Werte berücksichtigen, müsste sie massive Abschläge einpreisen, etwa aufgrund eventueller Risiken und Nebenwirkungen. Doch aus Sicht der Spekulanten spielen diese keine Rolle, denn den Schaden daraus tragen andere oder ganze Gesellschaften. Ich habe einmal gelernt, dass Macht auch Verantwortung (zu übernehmen) bedeutet. Doch das gilt wohl nur in der realen Welt. Im digitalen Zwischenraum verflüchtigt sich die Verantwortung rasch einmal oder sie wird den Nutzern aufgebürdet. Ökonomisch höchst effizient, aber ethisch und moralisch betrachtet höchst verwerflich.