Optimismus und Zuversicht an der Wall Street

Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, der schwelenden Spannungen zwischen den USA und China und eines umstrittenen US-Präsidentschaftswahlkampfs sind viele Anleger weiterhin verunsichert. Aber es gibt auch positive Trends, die häufig von negativen Ereignissen überschattet werden.

Die erwartete Rezession habe sich in den USA nicht eingestellt. Trotz einer hohen Inflation und steigenden Zinsen ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 3,3 Prozent gestiegen. Wir glauben, dass diese Entwicklung nachhaltig ist. Der amerikanische Verbrauchersektor lässt weiterhin seine Muskeln spielen. Im Januar kreierte die Wirtschaft 353’000 neue Arbeitsplätze. Dazu stiegen die Löhne im Jahresvergleich um 4,5 Prozent – ein robustes Tempo, das sich wahrscheinlich verlangsamen wird. Dennoch unterstützen anhaltende, wenn auch moderatere Arbeits- und Einkommenszuwächse das Wachstum der Konsumentenausgaben weiterhin. Auch die nachlassende Inflation dürfte das reale Einkommenswachstum, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, unterstützen. Darüber hinaus scheint sich der US-Wohnungsmarkt angesichts sinkender Hypothekenzinsen zu erholen und es gibt erste Anzeichen für eine Belebung der verarbeitenden Industrie, da die Unternehmen damit beginnen, ihre Lagerbestände aufzufüllen. Auch die Bemühungen der US-Notenbank Fed, die Inflation zu senken und zeitgleich das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten tragen dazu bei, dass die USA die Krise stärker überwinden konnte, als zunächst angenommen.

Die Analysten der Wall Street erwarteten in diesem Jahr ein gesundes Wachstum an allen wichtigen Märkten.

Matthias Mohr, Director Financial Intermediaries, Capital Group

Künstliche Intelligenz (KI) wird Produktivität weiter steigern
Mit der Einführung von ChatGPT und anderen KI-Tools ist das enorme Potenzial, das diese Technik für die Produktivitätssteigerung haben kann, offensichtlich geworden. Es gibt bereits erste Beispiele dafür, wie KI für mehr Effektivität in Unternehmen sorgen kann. Mastercard setzt beispielsweise generative KI ein, um die Mitarbeiterrekrutierung zu optimieren und Zahlungsbetrug zu erkennen. Amazon nutzt KI in seinen Amazon Go-Filialen, um den Konsumenten zu ermöglichen, Artikel mitzunehmen und über die Amazon-App zu bezahlen, ohne an der Kasse anstehen zu müssen. Und Krankenhäuser rationalisieren mit Hilfe von KI Verwaltungsaufgaben und beheben so Personalengpässe. Natürlich überschätzen wir oft die kurzfristigen Auswirkungen neuer Technologien und unterschätzen ihre langfristigen Folgen. Für Anleger ist es wichtig zu unterscheiden, was ein Hype ist und was eine greifbare Investitionsmöglichkeit darstellt. Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung von ChatGPT ist KI jedoch nicht mehr nur ein Schlagwort.

Weitere Aktien werden an Wert gewinnen
Im vergangenen Jahr haben die Aktienmärkte überraschend robuste Rendite erzielt. Zu einem überwältigen Anteil sind dafür die «Magnificent Seven», also Apple, Meta, Microsoft, NVIDIA, Amazon, Alphabet und Tesla, verantwortlich gewesen. Die verbesserte wirtschaftliche Situation der USA dürfte dafür sorgen, dass auch die restlichen 493 Unternehmen im S&P 500 an Wert gewinnen. Die Analysten der Wall Street erwarteten in diesem Jahr ein gesundes Wachstum an allen wichtigen Märkten. Es gibt in allen Märkten und Branchen Innovatoren, die Strategien zum Wachstum ihrer Unternehmen anwenden. In den USA verzeichnete der Klimaanlagenhersteller Carrier Global angesichts der Rekordtemperaturen in Regionen auf der ganzen Welt eine steigende Nachfrage nach seinen energieeffizienten Systemen. In Japan ist SMC ein führender Hersteller von Komponenten für die Fabrikautomation, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Schwellenländer profitieren von Neuausrichtung des Welthandels
Die eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China haben für Zölle und Handelsbeschränkungen gesorgt, welche sich negativ auf die weltweiten Warenströme ausgewirkt haben. Verstärkt worden ist dies durch die Covid-19-Pandemie, die ernsthafte Schwachstellen in den Lieferketten aufgedeckt hat, da Betriebsstillstände und Arbeitskräftemangel zu Engpässen und Verzögerungen geführt haben. Wir gewinnen dieser Entwicklung jedoch auch positives ab. Der Welthandel ist nicht tot, er ist nur im Wandel. Um das Risiko einer übermässigen Abhängigkeit von einer einzigen globalen Lieferkette zu verringern, entwickeln Regierungen und Unternehmen mehr Handelsbeziehungen, viele davon regional. Gerade für Schwellenländer werden diese Veränderungen Chancen bieten. So hat Mexiko China als wichtigsten Handelspartner der USA abgelöst. Das Land profitiert dabei von niedrigeren Arbeitskosten, reichlich im Land vorkommenden natürlichen Ressourcen und der geographischen Nähe zu den USA. Wir glauben, dass ähnlich wie Mexiko auch andere Schwellenländer, wie etwa Indien, Thailand, Indonesien oder Singapur, von der Umstrukturierung globaler Lieferketten profitieren könnten.

Grosse Innovationen im Health Care Bereich
Pharma- und Biotechnologieunternehmen sind in den letzten Jahren in ein goldenes Zeitalter der Arzneimittelentdeckung eingetreten, indem sie Therapien für ein breites Spektrum wichtiger Krankheiten entwickelt und Leben verlängert und verbessert haben. Viel Aufmerksamkeit haben dabei die neuen Medikamente zur Bekämpfung von Fettleibigkeit erfahren. Hinzu kommen innovative Blutzuckermessgeräte mit eingebauter Insulinpumpe und die berechtigte Hoffnung, dass mit Hilfe der genetischen Sequenzierung zelltherapeutische Krebstherapien bald mit traditionellen Behandlungsmethoden konkurrieren können. Bei all der Aufbruchsstimmung im Gesundheitsbereich gilt jedoch: Innovation ist zwar ein wesentlicher Werttreiber im Gesundheitssektor, aber nicht alle Innovationen werden erfolgreich sein. Investoren müssen andere Faktoren berücksichtigen, darunter das Potenzial der gesamten Entwicklungspipeline eines Unternehmens, die Qualität des Managements und den potenziellen Markt für die Therapien.

Hauptbildnachweis: Freepik