EZB: Es ist noch zu früh, um über Zinssenkungen zu reden

Was für einen Unterschied sechs Wochen machen. Seit der letzten EZB-Sitzung im Oktober sind die Renditen für 10-jährige Bundesanleihen um rund 60 Basispunkte gesunken. Der Markt erwartete damals etwa drei Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) im kommenden Jahr. Der unerwartet kräftige Rückgang der Inflationsrate auf 2,4 Prozent im November und Aussagen von EZB-Vertretern, dass weitere Zinserhöhungen unwahrscheinlich seien, haben in den letzten Tagen die Zinssenkungsfantasien kräftig befeuert.

Doch will die EZB wirklich schon die Tür für eine weniger restriktive Geldpolitik aufmachen? Wir denken nicht. Vielmehr dürfte EZB-Präsidentin Lagarde vor allem in der Pressekonferenz deutlich machen, dass Zinssenkungen derzeit noch nicht auf der Tagesordnung stehen. Zwar dürften die Wachstums- und die Inflationsprojektionen für 2024 nach unten genommen werden und ein Erreichen des Inflationsziels in Höhe von zwei Prozent könnte bereits für 2025 anvisiert werden.

Will die EZB wirklich schon die Tür für eine weniger restriktive Geldpolitik aufmachen? Wir denken nicht.

Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa, DWS

Dennoch ist es noch zu früh, um den Sieg über die Inflation zu feiern. Dazu sind die Unsicherheiten über den unterliegenden Inflationstrend immer noch zu gross. Der Arbeitsmarkt beginnt zwar etwas zu schwächeln, nicht aber das Lohnwachstum. Die Knappheit an Arbeitskräften, gerade im Dienstleistungsbereich, spricht immer noch für erhebliche Inflationsrisiken. Hinzu kommt, dass sich die EZB nach den hohen Inflationsraten der letzten zwei Jahre keinen Fehler erlauben kann. Nichts wäre gravierender als die Inflation zu unterschätzen. Daher gehen wir davon aus, dass EZB-Präsidentin Lagarde Forderungen nach sehr schnellen Zinssenkungen im Dezember-Meeting zurückweisen wird. Ob die Marktteilnehmer sich dieser Einschätzung anschliessen werden, dürfte entscheidend von der Kommunikation der EZB-Präsidentin abhängen.

Ein anderes Thema dürften die Reinvestitionen des Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) sein, die gerade im Falle von Marktstress ein wichtiger Stabilisator sind. Zwar erwarten wir noch keine finale Entscheidung zu diesem Thema, gehen aber davon aus, dass ab April 2024 die Reinvestitionen im PEPP zurückgefahren werden. Dies wäre ein weiterer notwendiger Schritt, um die EZB-Bilanz zu verkleinern.

Hauptbildnachweis: Laurent Jovito