Digitale Assets sind kräftig ins Jahr 2023 gestartet

Die Preise für digitale Assets – allen voran Bitcoin – haben sich 2023 bisher robust entwickelt. Bitcoin ist in diesem Jahr bereits um über 70% und Ether um über 50% gestiegen (1). Zusammen machen diese beiden Assets noch immer über 63% der Marktkapitalisierung digitaler Vermögenswerte aus.

Während die US-Notenbank (Fed) die Zinsen weiter anhebt, scheint der Markt nach den jüngsten Zusammenbrüchen bei Banken (Silvergate Bank, Signature Bank, Silicon Valley Bank, Credit Suisse) mit einer Lockerung der Zentralbankpolitik zu rechnen. Niedrigere Zinsen würden Vermögenswerten mit langer Laufzeit – wie digitalen Assets – zugutekommen. Darüber hinaus wurden mehrere Händler von der Situation überrascht, und Leerverkäufer, die von weiteren Kursverlusten bei digitalen Assets ausgingen, mussten ihre Positionen schliessen, was die Kurse in die Höhe trieb. Unseres Erachtens könnten wir an der Schwelle zum vierten bedeutenden Bullenmarkt für Kryptowährungen stehen, auch wenn der genaue Zeithorizont ungewiss ist. Unserer Überzeugung nach ermöglichen Fortschritte bei der Geschwindigkeit und Skalierbarkeit der Blockchain-Netzwerke, intuitivere Benutzeroberflächen und Innovationen bei Blockchain-Wallets sowie Entwicklungen im Bereich der digitalen Identität, die den Weg für Web3-Anwendungen ebnen werden, den nächsten Bullenmarkt. Entscheidend werden natürlich die Nutzeranwendungen sein, die den Markt im Sturm erobern werden – wir werden potenzielle Kandidaten kontinuierlich im Blick behalten.

Stablecoins wickelten On-Chain-Transaktionen im Umfang von 8 Billionen US-Dollar ab, was mehr ist als die von Mastercard verarbeiteten 2,2 Billionen US-Dollar oder die von American Express verzeichneten 1 Billion US-Dollar.

Mirva Anttila, Director Digital Assets Research, WisdomTree

Trotz der miserablen Kursentwicklung im letzten Jahr werden digitale Assets von einer gesunden, dynamischen Community von Softwareentwicklern unterstützt. Die Zahl der monatlich aktiven Entwickler ist im vergangenen Jahr sogar um 5% gestiegen (2), was beachtlich ist und unsere Ansicht bestätigt, dass sich Entwickler weiterhin aktiv in ihren jeweiligen Blockchain-Ökosystemen einbringen.

Layer-2-Netzwerke entfalten endlich ihre volle Leistungskraft und versprechen, das Problem der Skalierbarkeit zu lösen
Das Haupthindernis der aktuellen Bitcoin- und Ethereum-Netzwerke war ihr Unvermögen, ein grosses Volumen an Transaktionen zu bewältigen. Schätzungen zufolge kann Bitcoin ohne eine Layer-2-Lösung nur etwa sieben bis zehn Transaktionen pro Sekunde abwickeln, während Ethereum nur etwa 15 bis 30 Transaktionen pro Sekunde bewältigen kann. Obwohl Ethereum das Ziel verfolgt, letztlich 50‘000 bis 100‘000 Transaktionen pro Sekunde durchführen zu können, ist das derzeit noch nicht möglich. Visa hingegen soll mindestens 1‘700 Transaktionen pro Sekunde abwickeln, obwohl einige Schätzungen besagen, dass Visa bis zu 24‘000 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten könnte. Visa selbst gibt diese Zahl mit bis zu 65‘000 Transaktionen pro Sekunde an (3). Eine Lösung für das Problem der Skalierbarkeit von Blockchains besteht in der Verwendung eines Layer-2-Netzwerks, das auf einer Layer-1-Blockchain aufbaut. Layer-2-Netzwerke übertragen Transaktionen aus der Blockchain, führen sie zusammen und bündeln mehrere Transaktionen zu einer einzigen Transaktion, die dann auf der Layer-1-Blockchain gesichert werden kann und von der Sicherheit und Robustheit der zugrunde liegenden Blockchain profitiert. Diese Bündelung ermöglicht einen schnelleren Durchsatz, eine raschere Abwicklung und niedrigere Preise. Für Bitcoin ist die bekannteste Layer-2-Lösung das Lightning Network, während für Ethereum mehrere Optionen zur Verfügung stehen, darunter optimistische Roll-ups, Zero-Knowledge-Roll-ups (ZK-Roll-ups) und Sidechains. Es sei auch erwähnt, dass das Ethereum-Netzwerk im Laufe dieses Jahres ein sogenanntes «Sharding» durchlaufen soll, bei dem das Netzwerk in einzelne «Shards» aufgeteilt wird, wodurch die Kapazität des Netzwerks erhöht und die Transaktionsgebühren (Gasgebühren) gesenkt werden sollen.

Digitale USD-Token als neuer bedeutender Anwendungsfall
Stablecoins – digitale Token, die auf öffentlichen Blockchains ausgegeben werden und an einen Basiswert wie eine Währung oder einen physischen Vermögenswert gekoppelt sind – wurden ursprünglich für den Handel und die Abwicklung von Austauschgeschäften verwendet, erfreuen sich aber im Zahlungs- und Überweisungsverkehr zunehmender Beliebtheit. Da Stablecoins global und für jedermann zugänglich sind, bieten sie eine attraktive Möglichkeit zur weltweiten, kostengünstigen und sicheren Geldübertragung rund um die Uhr und zur (fast) sofortigen Abwicklung von Transaktionen. Der grösste Stablecoin der Welt, USDT von Tether, ist besonders in Asien beliebt, während im Westen USDC von Circle weit verbreitet ist. Stablecoins sind so konzipiert, dass sie Stabilität bieten, während ein Asset wie Bitcoin eher volatil ist. Eine Vorstellung von der Grössenordnung des Transaktionsvolumens vermittelt die Tatsache, dass Visa im vergangenen Jahr Zahlungen im Wert von 12 Billionen US-Dollar abgewickelt hat, hauptsächlich im Zusammenhang mit Verbraucherausgaben. Stablecoins wickelten indes On-Chain-Transaktionen im Umfang von 8 Billionen US-Dollar ab, was mehr ist als die von Mastercard verarbeiteten 2,2 Billionen US-Dollar oder die von American Express verzeichneten 1 Billion US-Dollar (4). In diesem Jahr könnte der Gesamtbetrag der Stablecoin-Transaktionen die von Visa abgewickelten Zahlungen übersteigen. Dieses Stablecoin-Transaktionsvolumen bezieht sich natürlich nicht auf Verbraucherausgaben, sondern auf Zahlungen, Handel und dezentrales Finanzwesen und berücksichtigt nicht das Handelsvolumen an zentralen Börsen.

Wettbewerb um Sofortzahlungen heizt sich auf
Der Markt für die sofortige Abrechnung von Zahlungen ist derzeit offenbar im Umbruch. Sowohl in Europa als auch in den USA konzentriert man sich bei der Regulierung von Kryptowährungen auf Stablecoins. Es wird erwartet, dass strenge Rücklagenanforderungen für Stablecoin-Emittenten festgelegt werden und auch dass die Zahlung von Zinsen an Stablecoin-Inhaber verboten wird. Wir halten Transparenzanforderungen in Bezug auf die Rücklagen der Stablecoin-Emittenten für wichtig, sind aber auch der Meinung, dass das Risikomanagement der Emittenten, die Cybersicherheit und die Qualität der Blockchain-Code-Tests berücksichtigt werden sollten. In den USA plant die Federal Reserve im Juli 2023 die Einführung eines Sofortzahlungssystems namens FedNow. Das Netzwerk wird nicht auf Blockchain basieren, aber es wird Zahlungen in Sekundenschnelle abwickeln und Transaktionen zwischen Verbrauchern, Händlern und Banken unterstützen können. Nach Ansicht mancher Marktteilnehmer könnte die Schliessung des SEN-Netzwerks von Silvergate und des SigNet-Netzwerks der Signature Bank Mitte März 2023 (die beide einen sofortigen Abwicklungsdienst angeboten haben, bei dem die Kunden jederzeit Vermögenswerte zwischen Fiat-Währungen und Kryptobörsen transferieren konnten) etwas mit der Einführung von FedNow zu tun haben. Auf der ganzen Welt werden auch digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDCs) aktiv entwickelt. Sie bieten eine digitale Form einer von der Regierung ausgegebenen Währung, die nicht an eine physische Ware gebunden ist. Diese digitalen Währungen werden weiterhin auf dem System der Mindestreservebanken basieren. In Europa hat die Europäische Kommission Ende Oktober 2022 einen Legislativvorschlag angenommen, der alle Banken dazu verpflichtet, Personen mit einem Bankkonto in der Eurozone sofortige Euro-Zahlungen anzubieten. Gegenwärtig hinkt der EU-Bankensektor im Bereich des Sofortzahlungsverkehrs im Durchschnitt hinter anderen grossen internationalen Märkten hinterher, obwohl länderspezifische Lösungen eingeführt wurden und grosse Unterschiede zwischen den Ländern bestehen. In einigen europäischen Ländern werden 70% der Zahlungen sofort abgewickelt, in anderen jedoch nur 1% der Zahlungen. Laut Angaben des europäischen Bankensektors dauert es bis zu zwei Jahre, bis die Banken für Sofortzahlungen bereit sind (5).

In Europa gibt es eine eigene Version eines Netzwerks für Sofortabrechnungen. Die BCB Group, die im Vereinigten Königreich und in der Schweiz reguliert wird, bietet das BLINC-Netzwerk an, das Kryptounternehmen an das Bankensystem anbindet und Geschäftskonten den Handel mit Fiat- und digitalen Vermögenswerten rund um die Uhr ermöglicht. Das Unternehmen offeriert in Europa bereits Fiat-to-Crypto-Gateways in Pfund Sterling, Euro, Schweizer Franken und Yen und plant, bis Anfang des zweiten Quartals 2023 Fiat-to-Crypto-Gateways in US-Dollar hinzuzufügen. BCB will die Lücken schliessen, die das SEN-Netzwerk hinterlässt. Im Gegensatz zu SEN basiert BLINC auf mehreren Währungen und ist nicht an ein einziges Kreditinstitut gebunden. Es wurde als Zahlungsinstitut konzipiert, das Banken in Europa, im Vereinigten Königreich und in der Schweiz eine Schnittstelle bietet. Das Unternehmen betont, dass seine Mittel immer 1:1 besichert, nicht gehebelt und nicht weiterverpfändet sind (6).

(1) Quelle: Coingecko.com

(2) Quelle: Electric Capital, 2022 Developer Report

(3) Quelle: Visa Fact Sheet 2022

(4) Quelle: CoinMetrics

(5) Quelle: Euromoney

(6) Quelle: BCB Group, Coindesk

Hauptbildnachweis: Pixabay