Elektroautos auf der Überholspur

Wann werden sich alternative Antriebe im grossen Stil durchsetzen? Und welche Branchen und Unternehmen werden davon profitieren?

General Motors gab im Januar bekannt, dass es bis 2035 die Produktion von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen einstellen wird. Volkswagen verkündete, in den kommenden fünf Jahren rund 86 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen, digitalen Fabriken und selbstfahrenden Autos zu investieren. Tesla prognostiziert ein Absatzwachstum von 50 Prozent pro Jahr – und die Internationale Energieagentur schätzt, dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts jährlich ca. 28 Prozent mehr Elektrofahrzeuge verkauft werden. All dies sind Gründe dafür, dass die Ära der alternativen Antriebe bereits begonnen hat.

Ich denke 2030 wird es weit verbreitete Flotten autonomer Elektrofahrzeuge in den meisten grösseren und vielen kleineren Städten weltweit geben.

Chris Buchbinder, Aktien-Portfoliomanager, Capital Group

Tatsächlich dürfte es sich um eher konservative Prognosen handeln – insbesondere aufgrund der sich weltweit verschärfenden Abgasnormen und der zunehmend attraktiveren Kostenbasis für Verbraucher. Neue Entwicklungen werden Elektrofahrzeuge möglicherweise nicht nur wettbewerbsfähig gegenüber neuen Autos mit Verbrennungsmotoren, sondern auch gegenüber der gesamten vorhandenen Fahrzeugflotte auf der Strasse machen – inklusive der Gebrauchtwagen. Wir sprechen da von etwa 270 oder 280 Millionen Fahrzeugen allein in den USA. Langfristig betrachtet, ergibt das gegebenenfalls ein viel stärkeres Wachstum, als der Markt annimmt.

Abo-Pakete als zusätzliche Einnahmequelle
Der Siegeszug der batteriebetriebenen Fahrzeuge verändere das wirtschaftliche Umfeld der weltweiten Automobilindustrie nachhaltig. Indem die Unternehmen ihre Flotten von Elektrofahrzeugen ausbauten, schüfen sie sich auch eine Basis für potenzielle Serviceerträge. Egal, ob es sich um klassische Autohersteller oder um Startups handelt – Unternehmen, die sich den strukturellen Wandel zu eigen machen und diese Fortschritte schnell auf den Markt bringen, haben langfristig die besseren Karten. Eine Innovation, die das gesamte Kundenerlebnis transformiere, sind Software-definierte Elektrofahrzeuge. Die Software dieser Autos könne so genannte Over-The-Air-Updates erhalten, welche die Funktionalität und Sicherheit verbesserten oder Unterhaltungsmöglichkeiten bieten. Innovativere Hersteller könnten so Fahrzeuge konstruieren, die lern- und verbesserungsfähig sind, sicherer werden und im Laufe der Zeit zusätzliche Services bieten. Mit diesem Ansatz kann ein Elektrofahrzeughersteller einen Teil des heftigen Wertverlusts ausgleichen, der mit älteren Autos verbunden ist. Dies macht den Kauf eines Elektrofahrzeugs attraktiv. Interessant sind insbesondere Unternehmen, die neben dem Erlös aus dem Autoverkauf auch Einnahmen über Abo-Pakete erwirtschaften. Diese Abo-Pakete könnten beispielsweise das Batteriemanagement, die Unterhaltung, Sicherheitsverbesserungen oder Selbstfahrtechnologie enthalten.

Disruptive Änderungen durch autonomes Fahren
Das autonome Fahren könne dabei das bedeutendste Softwareupdate werden. In den nächsten Jahren werden selbstfahrende Autos in weitere Märkte vordringen. Ich denke 2030 wird es weit verbreitete Flotten autonomer Elektrofahrzeuge in den meisten grösseren und vielen kleineren Städten weltweit geben. Viele Leute werden nach wie vor Autos besitzen. Doch ein eigenes Auto wird keine Notwendigkeit mehr sein, sondern Luxus.

Sowohl etablierte Unternehmen als auch Startups können ein leistungsfähiges, auf Software und geistigem Eigentum basierendes Geschäftsmodell aufbauen.

Chris Buchbinder

Die Fortschritte in diesen Bereichen würden die Branche vermutlich in den kommenden Jahren neu definieren. Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass aufgrund einer so disruptiven Änderung und der Startups, die bereits auf der Jagd nach Marktanteilen sind, die Platzhirsche um ihr Überleben kämpfen müssen. Altgediente Autohersteller müssen sich mit der Abschreibung alter Fabriken, dem Management der Beziehungen zu ihren Lieferanten und schrumpfenden Gewinnen herumschlagen. Jedoch verfügten sie über riesige Ressourcen und weltweite Fertigungskapazitäten. Startups hingegen könnten sich schwertun, die Produktion hochzufahren. Folglich können sowohl etablierte Unternehmen als auch Startups ein leistungsfähiges, auf Software und geistigem Eigentum basierendes Geschäftsmodell aufbauen.

Der Wandel der weltweiten Autoindustrie werde sich aber auch drastisch auf andere Branchen auswirken – darunter Energie, Versorgung, Fertigung, Bergbau und Versicherung. Folglich ist sinnvoll, auch diese Branchen und die in diesen stattfindenden Veränderungen genau im Auge zu behalten.