Das «G» in ESG steht noch (zu) oft im Schatten
Von aussen sieht jedes Unternehmen ähnlich aus: Zahlen, Strategie, schöne Websites. Doch was entscheidet über Erfolg und Scheitern? Die Antwort liegt nicht in der Bilanz, sondern im Maschinenraum der Macht – der Unternehmensführung.
Was einst als «nice to have» galt, ist zur Pflichtprüfung geworden. ESG ist überall. Doch während Umwelt und Soziales im Rampenlicht stehen, bleibt das «G» oft im Schatten. Dabei entscheidet gerade die Qualität der Unternehmensführung über nachhaltigen Erfolg. Wer hier Schwächen zeigt, verliert – auf Dauer. Gute Unternehmensführung ist weit mehr als ein regulatorisches Feigenblatt. Sie ist der Motor für nachhaltiges Wachstum und langfristige Rentabilität. Wer versteht, wie Entscheidungen getroffen, Risiken gesteuert und Macht verteilt wird, erkennt frühzeitig, ob ein Unternehmen zukunftsfähig ist.
Fairouz Bouhmida, Senior Business Development Managerin, Aberdeen InvestmentsWer sich heute nicht aktiv mit seiner Unternehmensführung auseinandersetzt, wird morgen nicht mehr gebraucht.
Wir sehen Governance nicht als Option – sondern als Ordnungselement. Unternehmen mit klaren Führungsstrukturen, Transparenz und Ausgewogenheit sind nicht nur resilienter – sie bauen Vertrauen auf. Bei Investoren, bei Mitarbeitenden, bei Konsumenten und der Gesellschaft. Wenn wir ein Unternehmen analysieren, in dem es keinen Chief Financial Officer gibt, schrillen bei uns die Alarmglocken. Dies kann auf ein Machtmonopol des Gründers hinweisen – mit der Gefahr, dass beispielsweise Minderheitsaktionäre übergangen werden. Solche Strukturen sind für Investoren toxisch. Mikromanagement von oben, intransparente Entscheidungen und fehlende Kontrolle widersprechen allem, was nachhaltigen Erfolg ausmacht. Genau hier setzt ESG-Analyse an.
Kleine Unternehmen haben oft die besseren Karten
Ein überraschender Blickwechsel zeigt: Nicht die grossen Konzerne, sondern kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind oft die Vorreiter. Sie sind näher an ihren Communities, agiler in Veränderungen und kultivieren Innovationsgeist. Während viele Blue Chips auf etablierte Strukturen setzen, nutzen KMU ihre Flexibilität, um soziale und Governance-Themen schneller und wirkungsvoller zu implementieren. Der Weg zur guten Governance ist kein leichter. Er fordert Veränderung, manchmal auch Schmerz. Wer mag es schon, sich die eigene Führungsstruktur infrage stellen zu lassen? Doch wer sich dem verweigert, verpasst nicht nur regulatorische Trends – sondern verliert die Zukunft. Besonders heikel sind Diskussionen über sensible Themen wie Risikomanagement, Vorstandsbesetzung oder variable Vergütung. Doch genau hier trennt sich Spreu von Weizen, dabei ist der schwierige Weg ist der einzig nachhaltige.
Governance braucht Dialog – Analysten als Verbündete
Traditionell setzen Unternehmen auf externe Berater, wenn es um Governance-Fragen geht. Ich plädiere für einen anderen Ansatz. Unternehmen sollten auch Analysten und Vermögensverwalter einbinden. Sie kennen das Innenleben längst – und bringen wertvolle Impulse. Sie ersetzen keine Berater, erweitern aber den Dialog. Ein Gewinn für alle Seiten. Tatsache ist: Wer sich heute nicht aktiv mit seiner Unternehmensführung auseinandersetzt, wird morgen nicht mehr gebraucht. Governance ist kein Modetrend. In einer Welt, die zunehmend auf Transparenz, Ethik und Verantwortung setzt, wird Governance zur Überlebensstrategie. Wer sich darum kümmert, ist langfristig erfolgreich.