Dollar-Angst: Viel Lärm um nichts
Globale Unternehmen bieten natürliche Absicherungen gegen Währungsschwankungen, weshalb sich Euroraum-Anleger nicht unbedingt über einen schwachen US-Dollar sorgen sollten.
Tatsächlich zeigt die Geschichte, dass Währungsschwankungen des US-Dollars sich in der Regel in zwei Phasen auf Portfolios auswirken:
- Unmittelbarer Umrechnungseffekt: Ein schwächerer US-Dollar bedeutet einen geringeren Wert von Vermögenswerten in US-Dollar.
- Verzögerte Auswirkungen auf die Gewinne: US-Unternehmen, die ihre Gewinne in Fremdwährungen erzielen, melden höhere Gewinne in US-Dollar, was zu Aufwärtskorrekturen der Gewinne und potenziell höheren Aktienkursen führt.
Die Verzögerung gleicht eurobasierte Anleger im Laufe der Zeit oft aus. Viele S&P-500-Unternehmen erzielen rund 40 Prozent ihrer Umsätze ausserhalb der USA und schaffen so durch ihr globales Engagement eine natürliche Absicherung.
Dollar fällt, Aktien steigen
So reagierten die Aktien auf historische Perioden, in denen der US-Dollar deutlich schwächer wurde (> 15 Prozent):
- 1985 bis September 1987 (Plaza-Abkommen): Der US-Dollar fiel um fast 40 Prozent. Dennoch stieg der S&P 500 im gleichen Zeitraum um mehr als das Doppelte. Die Dollarschwäche beflügelte die US-Exporteure und trug zu den Aktienrenditen bei.
- 2003 bis 2007: Der Dollar verlor gegenüber dem Euro rund 30 Prozent an Wert. Dennoch erzielte der S&P 500 eine Rendite von rund 80 Prozent in US-Dollar. Euro-Anleger konnten Gewinne verbuchen, da die Aktienkursgewinne die Währungsverluste überstiegen.
- 2017: Der Dollar fiel um rund 15 Prozent, aber der S&P 500 stieg um 21 Prozent in US-Dollar. Die Renditen in Euro blieben trotz der Währungsbelastungen solide.
In allen Fällen trugen wettbewerbsfähige Exportpreise und der gestiegene US-Dollar-Wert der Auslandsumsätze zu starken Gewinnen bei und glichen die negativen Wechselkurseffekte für Anleger mit Euro-Anlagen aus. Diese Zeiträume verdeutlichen ein wiederkehrendes Thema: Aktienmärkte können (und tun dies oft auch) Währungsabwertungen kompensieren, insbesondere wenn Unternehmen global aufgestellt sind.
Europäische Aktien: das Spiegelbild
Die gleiche Logik gilt auch umgekehrt. Rund 60 Prozent der Umsätze der STOXX 600-Unternehmen stammen aus dem Ausland. Ein schwächerer Euro kommt europäischen Exporteuren zugute, da er den Euro-Wert ihrer Auslandsumsätze erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportpreise verbessert. So erzielen beispielsweise Luxus- und Luftfahrtunternehmen oft einen grossen Teil ihrer Umsätze in US-Dollar. Wenn der Dollar stark ist, verzeichnen diese Unternehmen höhere Umsätze. Ein starker Euro kann hingegen Druck auf die Umsätze ausüben. Aber auch hier passen sich die Aktienkurse in der Regel im Laufe der Zeit an.
Aurélien Duval, Fund Manager, DPAMWissenschaftliche Studien und Langzeitdaten bestätigen, dass es keine konsistente negative Korrelation zwischen Währungsschwankungen und Aktienrenditen gibt.
Wenn der Euro schwächer wird, verzeichnen diese Unternehmen einen Anstieg ihrer in Euro ausgewiesenen Gewinne. So entwickelten sich beispielsweise während des starken Euro-Verfalls 2014 bis 2015 (~25 Prozent gegenüber dem US-Dollar) die europäischen Gewinne und Aktienindizes gut, da die Auslandsumsätze in Euro rentabler wurden.
Währungsrisiko in Aktienportfolios oftmals überbewertet
Wissenschaftliche Studien und Langzeitdaten bestätigen, dass es keine konsistente negative Korrelation zwischen Währungsschwankungen und Aktienrenditen gibt. Faktoren wie Gewinnwachstum und Konjunkturzyklen haben einen weitaus grösseren Einfluss. Währungseffekte gleichen sich im Laufe der Zeit tendenziell aus, insbesondere in Portfolios, die in global diversifizierte Unternehmen investiert sind. Tatsächlich kann der Versuch, das Währungsrisiko in Aktien abzusichern, die langfristigen Renditen verringern und unnötige Komplexität schaffen. Während globale Unternehmen im Laufe der Zeit tendenziell selbst für Absicherungen sorgen, sind einige Unternehmen einem echten Währungsrisiko ausgesetzt, wenn Kosten und Einnahmen in unterschiedlichen Währungen anfallen. Hier spielt aktives Management eine entscheidende Rolle. Beispielsweise produzieren Luxusgüterhersteller häufig in Europa (Kosten in EUR oder CHF) und verkaufen in den USA (Einnahmen in US-Dollar). Ein schwächerer Dollar drückt die Margen, sofern die Preise nicht angehoben werden. Das schwedische Industrieunternehmen Atlas Copco ist ähnlichen Risiken ausgesetzt: Kosten in Europa, bedeutende Umsätze in den USA. Wenn der Dollar schwächer wird, können die Gewinne in SEK oder EUR sinken.
Börsennotierung ≠ Geschäftsrisiko
In einer globalisierten Wirtschaft sagt die Börsennotierung eines Unternehmens wenig darüber aus, wo es tätig ist. MercadoLibre beispielsweise ist an der Nasdaq notiert, operiert jedoch ausschliesslich in Lateinamerika und hat keine Einnahmen oder Kosten in US-Dollar. Linde hat seine Hauptnotierung von Deutschland in die USA verlegt, ist aber weiterhin weltweit tätig. Die Fundamentaldaten blieben unverändert, doch könnte man das Unternehmen von einem Tag auf den anderen eher als US-amerikanisches denn als EU-Unternehmen betrachten. Diese Beispiele zeigen, dass die wirtschaftliche Exposition wichtiger ist als der Börsenplatz. Anleger sollten sich darauf konzentrieren, in welchen Währungen ein Unternehmen seine Einnahmen und Ausgaben tätigt, und nicht darauf, wo seine Aktien gehandelt werden.