Beginnt mit dem 20. Parteitag der chinesischen KP ein neuer politischer und wirtschaftlicher Zyklus?

Der 20. Parteitag der regierenden Kommunistischen Partei Chinas wird Xi Jinping voraussichtlich eine dritte fünfjährige Amtszeit ermöglichen. Nach der Abschaffung der Amtszeitbeschränkung von zwei Amtszeiten im Jahr 2018 scheint es wahrscheinlich, dass Xi Jinping sogar auf Lebenszeit im Amt bleiben wird. Da er derzeit die drei Spitzenpositionen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, des Chefs der Streitkräfte und des Staatsoberhauptes innehat, ist er wohl der mächtigste Führer seit Mao Zedong.

Aber es ist nicht nur ein wichtiges Treffen für Xi Jinping selbst. Angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen, mit denen China derzeit konfrontiert ist, wird der Kongress wahrscheinlich den Ton für die künftige Wirtschaftspolitik setzen. Am dringlichsten sind im Moment die wirtschaftlichen Probleme. Unter der Führung von Präsident Xi Jinping fällt das Wirtschaftswachstum niedriger aus als unter früheren Präsidenten. Seit Anfang 2021 befindet sich die chinesische Wirtschaft in einem wirtschaftlichen Abschwung, der durch die Straffung der Geldpolitik, eine strengere Regulierung und die dynamische Null-Covid-Strategie verursacht wurde.

Wirtschaftliche Erholung wegen Covid-Sperren schwach
Trotz der geld- und fiskalpolitischen Lockerungen seit Ende 2021 und der Bodenbildung bei Konsum und Produktion im zweiten Quartal 2022 bescheinigt unser Konjunkturmodell Wave dem Land nur eine schwache wirtschaftliche Erholung. Die geldpolitische Transmission wird durch die strikten Covid-Sperren und den schweren Einbruch des Immobilienmarktes behindert, der einen Teil der Finanzindustrie lähmt.

Die Anzeichen mehren sich, dass die chinesische Führung mit dem 20. Parteitag ihre Konjunkturmassnahmen verstärken wird.

Sven Schubert, Anlagestratege, Vontobel

Allerdings mehren sich die Anzeichen dafür, dass mit dem 20. Parteitag die chinesische Führung ihre Konjunkturmassnahmen verstärken wird. Die Behörden konzentrieren sich zunehmend auf die Stabilisierung des Immobilienmarktes, in dem die Beschränkungen der Zinsuntergrenzen für Hypotheken aufgehoben und die Kosten für Hypothekenkredite gesenkt wurden. Auch Einkommenssteuernachlässe und Massnahmen, mit denen die Investitionstätigkeit angekurbelt werden soll, gehören zu den kürzlich angekündigten politischen Instrumenten.

Keine Änderung der Corona-Strategie ohne Gesichtsverlust für Xi Jinping
Ob sich an der Corona-Strategie Chinas etwas ändern wird, ist weniger klar, da es sich um eine der wichtigsten politischen Massnahmen von Präsident Xi Jinping handelt. Es scheint nicht einfach zu sein einen Ausweg zu finden ohne dass er sein Gesicht verliert. Bislang stehen strenge Abriegelungen ganzer Städte, Massentests und lange und ermüdende Quarantänen trotz der wachsenden Wut in der chinesischen Bevölkerung weiterhin auf der Tagesordnung der Kommunistischen Partei. Medienberichten zufolge wurden in den vergangenen Monaten mehr als 70 Städte ganz oder teilweise abgeriegelt. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass China auf dem Parteikongress den Sieg über Corona verkünden wird. Da jedoch immer mehr Feinabstimmungen, wie die Genehmigung eines Marathons in Peking im November und die Aufhebung der obligatorischen Quarantäne für Einreisende in Hongkong, zu beobachten sind, scheint eine allmähliche Lockerung der Corona-Regeln nach dem Parteitag wahrscheinlich.

Trotz der derzeitigen Schwäche der chinesischen Wirtschaft könnte der bevorstehende Parteikongress nicht nur der Beginn eines neuen politischen, sondern auch eines neuen wirtschaftlichen Zyklus sein. Im Vorfeld des Kongresses wurden bereits verstärkt Konjunkturmassnahmen ergriffen. Weitere politische Massnahmen werden wahrscheinlich folgen, einschliesslich einer Lockerung der Corona-Beschränkungen im Jahr 2023. Die chinesische Wirtschaft hat sowohl den globalen Wirtschaftsaufschwung im Jahr 2020 als auch den Abschwung im Jahr 2021/22 angeführt. Das könnte sich 2023 wiederholen und China könnte zu den ersten Ländern gehören, die eine wirtschaftliche Erholung verzeichnen können. Da die Geldpolitik in den grossen Industrieländern jedoch bis weit in das Jahr 2023 hinein straff bleiben dürfte, wird Chinas Wachstumsaufschwung wahrscheinlich wesentlich geringer ausfallen als in früheren Zyklen.

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