Credit Suisse: Ein Chief Well-being Officer soll es richten

Die Credit Suisse sucht einen (neuen) global verantwortlichen Chief Well-being-Officer (CWO) mit Arbeitsort am Zürcher Paradeplatz – es darf übrigens auch eine Dame sein. Die krisengeschüttelte Schweizer Grossbank betreibt damit allerdings mehr Symptom- und weniger Ursachenbekämpfung.

Falls Sie sich fragen, was denn in die Verantwortung eines CWO fällt, sei Ihnen hiermit geholfen: Im Zentrum der besagten steht, vereinfacht ausgedrückt, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Mehr dazu auch in unserer satirischen Kolumne «Bank Rupp & Cie» unter dem Titel Chief Happiness Officer. Konkret gilt es, ein angenehmes Arbeitsklima für die – zumindest im Fall der Credit Suisse – offenbar gebeutelte Belegschaft zu schaffen. Das Ganze basiert auf der Idee, dass Mitarbeitende, die sich in ihrem Arbeitsumfeld wohl fühlen, effizienter arbeiten, mehr Selbstvertrauen entwickeln und damit letztlich kreativer agieren. Soweit die Theorie. Etwas profaner deuten HR-Experten entsprechende Initiativen, geht es doch letztlich darum, Kündigungen zu verhindern oder deren Anzahl mindestens zu minimieren.

Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige.

Albert Schweitzer

Natürlich spricht aus Sicht eines Unternehmens nichts dagegen, ein angenehmes Arbeitsklima zu schaffen. Im Gegenteil: Gerade im Zeitalter hybrider Arbeitsplatzmodelle ist es sinnvoll, im Büro für eine inspirierende Atmosphäre zu sorgen. Untersuchungen zeigen überdies, dass die Identifikation mit dem eigenen Arbeitgeber steigt, wenn Mitarbeitende Wertschätzung erfahren und sich als Teil eines grossen Ganzen verstehen. Arbeitspsychologen sprechen in diesem Zusammenhang von einem «Wir-Gefühl», dass sich insbesondere immer dann einstellt, wenn die Führungskultur eines Unternehmens auch an klaren Leitlinien in Bezug auf ein untadeliges Geschäftsgebaren ausgerichtet ist. Am Beispiel der Credit Suisse – möglicherweise trifft das auch auf weitere Finanzinstitute zu – greift besagte CWO-Offensive aber zu kurz, ist sie doch im Wesentlichen Symptom- und nicht Ursachenbekämpfung. Blenden wir kurz im Schnelldurchlauf zurück.

Die jüngsten, inzwischen hinlänglich bekannten Milliardenverluste aus den Affären Greensill und Archegos oder die hohe Bussenzahlung in der Causa Mosambik haben in vielerlei Hinsicht Spuren in der Belegschaft der Schweizer Grossbank hinterlassen. Wer aus seinem privaten und beruflichen Umfeld regelmässig und mit Spott und Häme auf die offenkundigen Unzulänglichkeiten seines Arbeitgebers angesprochen wird, dürfte über kurz oder lang mit Identifikationsproblemen zu kämpfen haben, sofern er oder sie nicht gänzlich abgestumpft oder kritikresistent ist. Niemand mag sich immer wieder erklären und rechtfertigen für Fehlentwicklungen oder Versäumnisse, die auf höherer und besser bezahlter Stufe zu verantworten sind. Das gilt besonders dann, wenn der daraus resultierende, schlechte Geschäftsgang mit Bonusreduktionen verbunden ist, die in der Regel mehr die Basis und weniger das Management treffen, während gleichzeitig vermeintliche Leistungsträger mit Retention-Packages (gemeint sind finanzielle Anreiz- und Wohlfühlangebote) verwöhnt werden. In der Folge verlassen gut qualifizierte Mitarbeitenden das Unternehmen und suchen ihr berufliches Auskommen anderswo – dem dürfte auch ein eigens eingesetzter Chief Well-being-Officer wenig entgegenzusetzen haben. Womit sich die Frage stellt, ob ein gut geführtes Unternehmen tatsächlich einen beglückenden CWO braucht? Die Antwort liegt auf der Hand: Wohl kaum, wenn Ethik, Moral und Empathie das vorherrschende Arbeitsklima prägen und diese Prinzipien nicht nur ständig nach aussen kommuniziert, sondern intern tatsächlich «from the top» gelebt werden.

Wer die Verantwortung für ein gutes Arbeitsklima an einen CWO überträgt, verfügt im Management offenbar nicht über die notwendigen Leadership Skills, um ein aktivierendes und konstruktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Anders sieht das bei Unternehmen aus, deren Führungsriege sich in einer Vorbildrolle sieht – dort stellt sich der angestrebte Wohlfühlfaktor an der Basis automatisch ein.

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